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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Lleon Rangabe und seine Werke

der in Athen seinen Studien obliegt, mit dem Cäsarenpnrpur bekleidet, zu
entsenden. Diesen Plan unterstützt die Kaiserin Eusebia, die den unter ihrer
Obhut aufgewachsnen Prinzen ins Herz geschlossen hat. Die Höflinge wider¬
setzen sich, besonders der Hausmeister Eusebias, der die Herrschaft über das
Reich an sich zu bringen strebt. Ein andrer Prätendent, Silvanus, stiftet einen
Aufruhr an, zu dessen Unterdrückung Julian nach Byzanz berufen wird.

Von diesem düstern Hintergrunde hebt sich leuchtend die Gestalt Julians
ab. Im zweiten Akt sehen wir ihn als studierenden und liebenden Jüngling
in Athen, im dritten als siegreichen Cäsar in Paris, damals Lutetia genannt.
Der vierte zeigt ihn uns als Kaiser (Berufung aus Athen und tragisches Ende
der Helle), im Schlußakt sehen wir seinen Tod in Kleinasien, mit der Ab¬
weichung vom geschichtlichen Vorgange, daß der tödliche Speer uicht von un¬
bekannter Hand, sondern von Lysikratos, dem irrsinnig gewordnen Vater der
Helle, gegen den Kaiser geschlendert wird. Der wahnsinnige Alte war heimlich
von den Feinden des Kaisers, den Christen, ins Lager gelassen worden, wo er
sich an dem vermeintlichen Mörder seiner Tochter rächt. So stirbt Julian, der
geniale Idealist, und haucht, ein siegreich Besiegter, sein Leben mit den Worten
aus: "Du hast gesiegt, o Galiläer!"

Das Drama hatte einen sensationellen Erfolg. Alle Literaturfreunde be¬
grüßten mit Begeistrung das herrliche Werk, dessen Sprache edel, klassisch, im
Aufbau von einer sich immer steigernden Spannung und von großer Bühnen¬
wirksamkeit ist. Aber die Klerikalen in Griechenland machten es zum Gegen¬
stand einer erbitterten Preßfehde, die Monate andauerte. Schließlich gipfelte
die Verfolgung des Autors durch die Kirche in Entlassung Rangabes aus dem
diplomatischen Dienst, trotz der begeisterten Verteidigung aller Freidenker. Der
Dichter, damals Generalkonsul in Bukarest, mußte seinen Posten verlassen, wurde
jedoch bald darauf als diplomatischer Agent nach Ägypten gesandt.

Das zweite in der Reihe der historischen Dramen ist "Theodora"; es
gibt uns ein farbenprächtiges Bild des Justinianischen Zeitalters, u. a. Er¬
bauung der Sancta Sophia durch Anthemios, der im Drama als der natürliche
Sohn Theodoras auftritt. Im Gegensatz zu Sardon, der zu derselben Zeit
zufällig den gleichen Stoff bearbeitete und sein Werk mehr sensationell als
historisch treu gestaltete, lehnte sich der griechische Dichter an die offizielle
Auffassung an, die Prokop, der Zeitgenosse der Kaiserin, von ihr gibt. Aber
dieser Geschichtschreiber schilderte in seinen "Anekdoten" -- wie man annimmt,
aus Rache -- Theodor" noch einmal in ganz andern Farben. Sie erscheint
dort von Anfang bis zu Ende als Courtisane, die, abgesehen von ihren Herrscher¬
talenten, eine verabscheuungswerte Kreatur ist, die schließlich an einem Liebes¬
abenteuer zugrunde geht und von Justinian selbst dem Tode überliefert wird.
Aus dieser Quelle allein hat Sardon geschöpft. Nangabe dagegen hat nicht
nur der großen Kaiserin, sondern auch dem Weibe volle Gerechtigkeit wider¬
fahren lassen. Nur in der Vorgeschichte ist auf ihr sittenloses Leben im


Lleon Rangabe und seine Werke

der in Athen seinen Studien obliegt, mit dem Cäsarenpnrpur bekleidet, zu
entsenden. Diesen Plan unterstützt die Kaiserin Eusebia, die den unter ihrer
Obhut aufgewachsnen Prinzen ins Herz geschlossen hat. Die Höflinge wider¬
setzen sich, besonders der Hausmeister Eusebias, der die Herrschaft über das
Reich an sich zu bringen strebt. Ein andrer Prätendent, Silvanus, stiftet einen
Aufruhr an, zu dessen Unterdrückung Julian nach Byzanz berufen wird.

Von diesem düstern Hintergrunde hebt sich leuchtend die Gestalt Julians
ab. Im zweiten Akt sehen wir ihn als studierenden und liebenden Jüngling
in Athen, im dritten als siegreichen Cäsar in Paris, damals Lutetia genannt.
Der vierte zeigt ihn uns als Kaiser (Berufung aus Athen und tragisches Ende
der Helle), im Schlußakt sehen wir seinen Tod in Kleinasien, mit der Ab¬
weichung vom geschichtlichen Vorgange, daß der tödliche Speer uicht von un¬
bekannter Hand, sondern von Lysikratos, dem irrsinnig gewordnen Vater der
Helle, gegen den Kaiser geschlendert wird. Der wahnsinnige Alte war heimlich
von den Feinden des Kaisers, den Christen, ins Lager gelassen worden, wo er
sich an dem vermeintlichen Mörder seiner Tochter rächt. So stirbt Julian, der
geniale Idealist, und haucht, ein siegreich Besiegter, sein Leben mit den Worten
aus: „Du hast gesiegt, o Galiläer!"

Das Drama hatte einen sensationellen Erfolg. Alle Literaturfreunde be¬
grüßten mit Begeistrung das herrliche Werk, dessen Sprache edel, klassisch, im
Aufbau von einer sich immer steigernden Spannung und von großer Bühnen¬
wirksamkeit ist. Aber die Klerikalen in Griechenland machten es zum Gegen¬
stand einer erbitterten Preßfehde, die Monate andauerte. Schließlich gipfelte
die Verfolgung des Autors durch die Kirche in Entlassung Rangabes aus dem
diplomatischen Dienst, trotz der begeisterten Verteidigung aller Freidenker. Der
Dichter, damals Generalkonsul in Bukarest, mußte seinen Posten verlassen, wurde
jedoch bald darauf als diplomatischer Agent nach Ägypten gesandt.

Das zweite in der Reihe der historischen Dramen ist „Theodora"; es
gibt uns ein farbenprächtiges Bild des Justinianischen Zeitalters, u. a. Er¬
bauung der Sancta Sophia durch Anthemios, der im Drama als der natürliche
Sohn Theodoras auftritt. Im Gegensatz zu Sardon, der zu derselben Zeit
zufällig den gleichen Stoff bearbeitete und sein Werk mehr sensationell als
historisch treu gestaltete, lehnte sich der griechische Dichter an die offizielle
Auffassung an, die Prokop, der Zeitgenosse der Kaiserin, von ihr gibt. Aber
dieser Geschichtschreiber schilderte in seinen „Anekdoten" — wie man annimmt,
aus Rache — Theodor« noch einmal in ganz andern Farben. Sie erscheint
dort von Anfang bis zu Ende als Courtisane, die, abgesehen von ihren Herrscher¬
talenten, eine verabscheuungswerte Kreatur ist, die schließlich an einem Liebes¬
abenteuer zugrunde geht und von Justinian selbst dem Tode überliefert wird.
Aus dieser Quelle allein hat Sardon geschöpft. Nangabe dagegen hat nicht
nur der großen Kaiserin, sondern auch dem Weibe volle Gerechtigkeit wider¬
fahren lassen. Nur in der Vorgeschichte ist auf ihr sittenloses Leben im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/187>, abgerufen am 04.07.2024.