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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Deutschland

und Jajus zum Konzil nach Trient reisten, schürfte ihnen Ignatius in seiner
Instruktion ein: "Bei den Predigten soll durchaus kein Punkt berührt werden,
worin die Protestanten mit der katholischen Kirche nicht übereinstimmen. Ein¬
fachhin soll zu einem sittlichen Leben und den Andachtsübungen der Kirche auf¬
gemuntert werden, indem man den Leuten zu gründlicher Selbsterkenntnis und
zu tieferer Erkenntnis ihres Herrn und Schöpfers verhilft." Den psychologischen
Grund für diese Vorschrift gibt Ignatius in der Anweisung für die nach
Ingolstadt reisenden Jesuiten an: "Direkter Angriff verbittert und verhärtet, die
Klarheit und Schönheit der Wahrheit gewinnt." Leider, meint Duhr, hätten
sich diese richtigen Grundsätze in jener kampflustigen Zeit nicht lange durch¬
führen lassen. "In der Frauenseelsorge wurde von den Obern wiederholt vor
Leichtgläubigkeit und überspannten Gebräuchen gewarnt. Wo auch nur von
weitem Gefahr für irgendwelchen Aberglauben war, schritt Hoffäus als Visitator
ein. So bestimmte er: die drei Messen zu Ehren der dreifachen Geburt Christi,
der cillerseligsten Jungfrau, des Täufers, die manchmal von Schwangern er¬
beten werden, sollen nicht gelesen werden, weil solche Andachten nicht mit dem
Geiste des Konzils von Trient übereinzustimmen scheinen ... Bei der Visitation
des Kollegs zu Luzern verordnete Hoffäus, veranlaßt durch Mitteilungen des
Schultheißen: Frauen sollen nicht zum Einsiedlerleben ermuntert werden, im
Gegenteil soll man sie abschrecken von dieser gefährlichen und verdächtigen
Lebensart. Sie sollen sich begnügen mit der gewöhnlichen und soliden
Frömmigkeit. Auch soll man Frauen nicht zum Ordensstande bereden, wo sich
nicht wahrer Beruf kundgibt. Wenn sich solche Personen nicht fügen wollen,
soll sie kein Jesuit zur Beichte zulassen. Was die unverträglichen, unfleißigem,
untreuen Dienstboten betreffe, so sei es Sache des Hausherrn, die Weiber in
Ordnung zu halten; auch gezieme es sich nicht, daß sich Mitglieder der Gesellschaft
neugierig in Familienverhältnisse einmischen und erforschen, was man dort sage
oder tue. Klagten sich aber Frauen, seien es Dienstboten oder Herrschaften, in
der Beichte an, so solle mau ihnen gehörig die Wahrheit sagen, sie vor falscher
Frömmigkeit, die sie an der Erfüllung ihrer häuslichen Pflichten hindern, mit
Nachdruck abschrecken." Eine Klippe für die Seelsorge, schreibt Duhr, konnte
die Beschäftigung mit den weltlichen Anliegen der Gläubigen werden, wenn
wegen der Art des bessern Fortkommens, wegen Prozessen und Testamenten
um Rat gefragt wurde. In Beziehung auf die Testamente gab Hoffäus eine
genaue Instruktion. "1. Die Unsrigen sollen weder von selbst noch auf andrer
Bitten irgendeinen, sei er gesund oder krank, zur Abfassung eines Testaments,
besonders nicht zugunsten dieses oder jenes oder zu Legaten an irgend jemand
ermuntern, mit Ausnahme des Falles, wo wegen der zu befürchtenden Streitig¬
keiten gleichsam eine Gewissenspflicht zur Abfassung eines Testaments vorliegt,
und der Betreffende selbst nicht daran denkt. Sonst soll man die Kranken nur
im allgemeinen mahnen, ihre zeitlichen Angelegenheiten zu ordnen. 2. Fragt
jemand um Rat über die Art und Weise des Testaments, so soll der Gefragte


Die Jesuiten in Deutschland

und Jajus zum Konzil nach Trient reisten, schürfte ihnen Ignatius in seiner
Instruktion ein: „Bei den Predigten soll durchaus kein Punkt berührt werden,
worin die Protestanten mit der katholischen Kirche nicht übereinstimmen. Ein¬
fachhin soll zu einem sittlichen Leben und den Andachtsübungen der Kirche auf¬
gemuntert werden, indem man den Leuten zu gründlicher Selbsterkenntnis und
zu tieferer Erkenntnis ihres Herrn und Schöpfers verhilft." Den psychologischen
Grund für diese Vorschrift gibt Ignatius in der Anweisung für die nach
Ingolstadt reisenden Jesuiten an: „Direkter Angriff verbittert und verhärtet, die
Klarheit und Schönheit der Wahrheit gewinnt." Leider, meint Duhr, hätten
sich diese richtigen Grundsätze in jener kampflustigen Zeit nicht lange durch¬
führen lassen. „In der Frauenseelsorge wurde von den Obern wiederholt vor
Leichtgläubigkeit und überspannten Gebräuchen gewarnt. Wo auch nur von
weitem Gefahr für irgendwelchen Aberglauben war, schritt Hoffäus als Visitator
ein. So bestimmte er: die drei Messen zu Ehren der dreifachen Geburt Christi,
der cillerseligsten Jungfrau, des Täufers, die manchmal von Schwangern er¬
beten werden, sollen nicht gelesen werden, weil solche Andachten nicht mit dem
Geiste des Konzils von Trient übereinzustimmen scheinen ... Bei der Visitation
des Kollegs zu Luzern verordnete Hoffäus, veranlaßt durch Mitteilungen des
Schultheißen: Frauen sollen nicht zum Einsiedlerleben ermuntert werden, im
Gegenteil soll man sie abschrecken von dieser gefährlichen und verdächtigen
Lebensart. Sie sollen sich begnügen mit der gewöhnlichen und soliden
Frömmigkeit. Auch soll man Frauen nicht zum Ordensstande bereden, wo sich
nicht wahrer Beruf kundgibt. Wenn sich solche Personen nicht fügen wollen,
soll sie kein Jesuit zur Beichte zulassen. Was die unverträglichen, unfleißigem,
untreuen Dienstboten betreffe, so sei es Sache des Hausherrn, die Weiber in
Ordnung zu halten; auch gezieme es sich nicht, daß sich Mitglieder der Gesellschaft
neugierig in Familienverhältnisse einmischen und erforschen, was man dort sage
oder tue. Klagten sich aber Frauen, seien es Dienstboten oder Herrschaften, in
der Beichte an, so solle mau ihnen gehörig die Wahrheit sagen, sie vor falscher
Frömmigkeit, die sie an der Erfüllung ihrer häuslichen Pflichten hindern, mit
Nachdruck abschrecken." Eine Klippe für die Seelsorge, schreibt Duhr, konnte
die Beschäftigung mit den weltlichen Anliegen der Gläubigen werden, wenn
wegen der Art des bessern Fortkommens, wegen Prozessen und Testamenten
um Rat gefragt wurde. In Beziehung auf die Testamente gab Hoffäus eine
genaue Instruktion. „1. Die Unsrigen sollen weder von selbst noch auf andrer
Bitten irgendeinen, sei er gesund oder krank, zur Abfassung eines Testaments,
besonders nicht zugunsten dieses oder jenes oder zu Legaten an irgend jemand
ermuntern, mit Ausnahme des Falles, wo wegen der zu befürchtenden Streitig¬
keiten gleichsam eine Gewissenspflicht zur Abfassung eines Testaments vorliegt,
und der Betreffende selbst nicht daran denkt. Sonst soll man die Kranken nur
im allgemeinen mahnen, ihre zeitlichen Angelegenheiten zu ordnen. 2. Fragt
jemand um Rat über die Art und Weise des Testaments, so soll der Gefragte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/131>, abgerufen am 04.07.2024.