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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Deutschland

keinen Rat im besondern geben, sondern nur im allgemeinen darauf hinweisen,
daß man ohne Leidenschaft zuerst seinen Verpflichtungen gegen Gläubiger und
Verwandte nachkommen, dann erst der xav "g,usg.e gedenken müsse und andrer
Personen, die, wenn auch nicht verwandt, ohne Verletzung der guten Sitte nicht
übergangen werden können; endlich müsse man die Erbauung und den Frieden
zwischen Bedachten und nicht Bedachten im Auge behalten. Für besondern
Rat sollen sich die Fragenden an ihre Freunde und an fromme und kluge
Gönner halten. 3. Was fromme Legate betrifft, so ist es für gewöhnlich nicht
rötlich, zu etwas Bestimmtem aufzufordern; man kann fromme Spenden im all¬
gemeinen als lobenswert bezeichnen und dann verschiedne Zwecke nennen, aus
denen die Fragenden dann mit Anrufung Gottes selbst jenen auswählen mögen,
den ihnen Gott eingibt. Wenn ausnahmsweise ein bestimmter Zweck an¬
zuempfehlen wäre, so soll dies nicht ohne Beistimmung des Rektors geschehen.
Nach der Verfügung des ?. Manare ^Vorgängers des Hoffäusj soll niemand
den letzten Willen des Beichtkindes den Erben eröffnen, sondern es soll für
die Herbeirufung von Zeugen gesorgt werden, denen der Sterbende seinen Willen
kundgeben möge. Unsre Regel verbietet, bei Abfassung des Testaments als Zeuge
mitzuwirken oder später Zeugnis abzulegen." Auf ein besondres, der Instruktion
beigelegtes Blatt hat Hoffäus die frommen Zwecke verzeichnet, zu denen im
allgemeinen geraten werden könne. 1. Für arme Studenten, doch so, daß nicht
die Gesellschaft, sondern ein Außenstehender das Geld zu verwalten habe.
2. Für Schulmeister, die den Katechismus gut lehren. 3. Zur Verteilung von
Bildern und frommen Büchern. 4. Zu einer Spende für die Armen. 5. Für
einen musikkundigen Studenten, der dafür andre, besonders arme Schüler in der
Musik unterrichten soll. 6. Für arme Kranke. 7. Für arme Knaben und
Mädchen, die den Schulunterricht entbehren müssen, weil sie kein Schulgeld
bezahlen können. "Wenn aber jemand durchaus der Gesellschaft etwas ver¬
machen will, soll man mit aller Bescheidenheit und nach Befragung des Rektors
hinweisen auf die Kirche, die Bibliothek und den Unterhalt weiterer Personen f?j
im Kolleg."

In dem Kapitel über die Bauten der Jesuiten wird ausgeführt, daß es
einen besondern Jcsuitenstil nicht gebe. Die Jesuiten haben im Stil ihrer Zeit
gebant, zuerst noch gotisch, dann im Renaissance- und Barockstil, keineswegs
einheitlich, sondern an verschiednen Orten sehr verschieden. Sie haben überhaupt
nicht auf den Stil geachtet, sondern nur möglichste Zweckmäßigkeit angestrebt.
In den Kirchen war es ihnen vor allem um Gewinnung von viel Raum zu
tun und darum, daß alle den am Hochaltar zelebrierenden Priester sehen und
den Prediger hören konnten. Darum legten sie gern einen weiten Mittelraum
und Emporen an. (Wo sie gotische Kirchen andrer Orden bekamen, haben sie
diese durch Einbauen von Emporen entstellt; ihre Neubauten sind teilweise sehr
schön ausgefallen; so die Matthiaskirche in Breslau -- ursprünglich Universitüts-
kirche; die große und die kleine Aula der Leopoldina sind in demselben Stile


Die Jesuiten in Deutschland

keinen Rat im besondern geben, sondern nur im allgemeinen darauf hinweisen,
daß man ohne Leidenschaft zuerst seinen Verpflichtungen gegen Gläubiger und
Verwandte nachkommen, dann erst der xav «g,usg.e gedenken müsse und andrer
Personen, die, wenn auch nicht verwandt, ohne Verletzung der guten Sitte nicht
übergangen werden können; endlich müsse man die Erbauung und den Frieden
zwischen Bedachten und nicht Bedachten im Auge behalten. Für besondern
Rat sollen sich die Fragenden an ihre Freunde und an fromme und kluge
Gönner halten. 3. Was fromme Legate betrifft, so ist es für gewöhnlich nicht
rötlich, zu etwas Bestimmtem aufzufordern; man kann fromme Spenden im all¬
gemeinen als lobenswert bezeichnen und dann verschiedne Zwecke nennen, aus
denen die Fragenden dann mit Anrufung Gottes selbst jenen auswählen mögen,
den ihnen Gott eingibt. Wenn ausnahmsweise ein bestimmter Zweck an¬
zuempfehlen wäre, so soll dies nicht ohne Beistimmung des Rektors geschehen.
Nach der Verfügung des ?. Manare ^Vorgängers des Hoffäusj soll niemand
den letzten Willen des Beichtkindes den Erben eröffnen, sondern es soll für
die Herbeirufung von Zeugen gesorgt werden, denen der Sterbende seinen Willen
kundgeben möge. Unsre Regel verbietet, bei Abfassung des Testaments als Zeuge
mitzuwirken oder später Zeugnis abzulegen." Auf ein besondres, der Instruktion
beigelegtes Blatt hat Hoffäus die frommen Zwecke verzeichnet, zu denen im
allgemeinen geraten werden könne. 1. Für arme Studenten, doch so, daß nicht
die Gesellschaft, sondern ein Außenstehender das Geld zu verwalten habe.
2. Für Schulmeister, die den Katechismus gut lehren. 3. Zur Verteilung von
Bildern und frommen Büchern. 4. Zu einer Spende für die Armen. 5. Für
einen musikkundigen Studenten, der dafür andre, besonders arme Schüler in der
Musik unterrichten soll. 6. Für arme Kranke. 7. Für arme Knaben und
Mädchen, die den Schulunterricht entbehren müssen, weil sie kein Schulgeld
bezahlen können. „Wenn aber jemand durchaus der Gesellschaft etwas ver¬
machen will, soll man mit aller Bescheidenheit und nach Befragung des Rektors
hinweisen auf die Kirche, die Bibliothek und den Unterhalt weiterer Personen f?j
im Kolleg."

In dem Kapitel über die Bauten der Jesuiten wird ausgeführt, daß es
einen besondern Jcsuitenstil nicht gebe. Die Jesuiten haben im Stil ihrer Zeit
gebant, zuerst noch gotisch, dann im Renaissance- und Barockstil, keineswegs
einheitlich, sondern an verschiednen Orten sehr verschieden. Sie haben überhaupt
nicht auf den Stil geachtet, sondern nur möglichste Zweckmäßigkeit angestrebt.
In den Kirchen war es ihnen vor allem um Gewinnung von viel Raum zu
tun und darum, daß alle den am Hochaltar zelebrierenden Priester sehen und
den Prediger hören konnten. Darum legten sie gern einen weiten Mittelraum
und Emporen an. (Wo sie gotische Kirchen andrer Orden bekamen, haben sie
diese durch Einbauen von Emporen entstellt; ihre Neubauten sind teilweise sehr
schön ausgefallen; so die Matthiaskirche in Breslau — ursprünglich Universitüts-
kirche; die große und die kleine Aula der Leopoldina sind in demselben Stile


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[0132] Die Jesuiten in Deutschland keinen Rat im besondern geben, sondern nur im allgemeinen darauf hinweisen, daß man ohne Leidenschaft zuerst seinen Verpflichtungen gegen Gläubiger und Verwandte nachkommen, dann erst der xav «g,usg.e gedenken müsse und andrer Personen, die, wenn auch nicht verwandt, ohne Verletzung der guten Sitte nicht übergangen werden können; endlich müsse man die Erbauung und den Frieden zwischen Bedachten und nicht Bedachten im Auge behalten. Für besondern Rat sollen sich die Fragenden an ihre Freunde und an fromme und kluge Gönner halten. 3. Was fromme Legate betrifft, so ist es für gewöhnlich nicht rötlich, zu etwas Bestimmtem aufzufordern; man kann fromme Spenden im all¬ gemeinen als lobenswert bezeichnen und dann verschiedne Zwecke nennen, aus denen die Fragenden dann mit Anrufung Gottes selbst jenen auswählen mögen, den ihnen Gott eingibt. Wenn ausnahmsweise ein bestimmter Zweck an¬ zuempfehlen wäre, so soll dies nicht ohne Beistimmung des Rektors geschehen. Nach der Verfügung des ?. Manare ^Vorgängers des Hoffäusj soll niemand den letzten Willen des Beichtkindes den Erben eröffnen, sondern es soll für die Herbeirufung von Zeugen gesorgt werden, denen der Sterbende seinen Willen kundgeben möge. Unsre Regel verbietet, bei Abfassung des Testaments als Zeuge mitzuwirken oder später Zeugnis abzulegen." Auf ein besondres, der Instruktion beigelegtes Blatt hat Hoffäus die frommen Zwecke verzeichnet, zu denen im allgemeinen geraten werden könne. 1. Für arme Studenten, doch so, daß nicht die Gesellschaft, sondern ein Außenstehender das Geld zu verwalten habe. 2. Für Schulmeister, die den Katechismus gut lehren. 3. Zur Verteilung von Bildern und frommen Büchern. 4. Zu einer Spende für die Armen. 5. Für einen musikkundigen Studenten, der dafür andre, besonders arme Schüler in der Musik unterrichten soll. 6. Für arme Kranke. 7. Für arme Knaben und Mädchen, die den Schulunterricht entbehren müssen, weil sie kein Schulgeld bezahlen können. „Wenn aber jemand durchaus der Gesellschaft etwas ver¬ machen will, soll man mit aller Bescheidenheit und nach Befragung des Rektors hinweisen auf die Kirche, die Bibliothek und den Unterhalt weiterer Personen f?j im Kolleg." In dem Kapitel über die Bauten der Jesuiten wird ausgeführt, daß es einen besondern Jcsuitenstil nicht gebe. Die Jesuiten haben im Stil ihrer Zeit gebant, zuerst noch gotisch, dann im Renaissance- und Barockstil, keineswegs einheitlich, sondern an verschiednen Orten sehr verschieden. Sie haben überhaupt nicht auf den Stil geachtet, sondern nur möglichste Zweckmäßigkeit angestrebt. In den Kirchen war es ihnen vor allem um Gewinnung von viel Raum zu tun und darum, daß alle den am Hochaltar zelebrierenden Priester sehen und den Prediger hören konnten. Darum legten sie gern einen weiten Mittelraum und Emporen an. (Wo sie gotische Kirchen andrer Orden bekamen, haben sie diese durch Einbauen von Emporen entstellt; ihre Neubauten sind teilweise sehr schön ausgefallen; so die Matthiaskirche in Breslau — ursprünglich Universitüts- kirche; die große und die kleine Aula der Leopoldina sind in demselben Stile

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/132>, abgerufen am 04.07.2024.