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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Deutschland

Viele andre Gegenstände abgehandelt werden. Über das den Spaniern und
Italienern fremde Institut des Karzers wurde viel und lange verhandelt. Der
Provinzial der rheinischen Provinz schrieb in dieser Angelegenheit an den
General: "Der Rektor von Koblenz hat dem Kanzler von Trier und dem
Koblenzer Magistrat vorgestellt, daß wir aus den vom General mitgeteilten
Gründen kein Recht auf den Kärzer hätten. Man bat aber dringend, daß wir
den guten Bürgern diesen Liebesdienst nicht versagen möchten. Da nämlich die
Vergehen der Student'en, wie nächtliches Umherschwärmen und Keilereien, mit¬
unter schwerere Strafen verdienten, so würden die Studenten, wenn die Sozietät
nicht volle Gerichtsbarkeit über sie hätte, zugleich mit andern Übeltätern in das
öffentliche Gefängnis geworfen werden, zur Schmach und Schande für ihre
Familien. Um das zu verhüten, werde man genötigt sein, die Söhne auf andre
Akademien zu schicken. Außerdem gebe es in diesen Gegenden keine Schule,
in der der Rektor nicht die volle Gewalt habe, nicht allein die Studenten zu
züchtigen, sondern auch sie einzusperren. Ja sogar wenn sie ein schweres Ver¬
brechen begehn Suber die Streitigkeiten, die ein Totschlag verursachte, wird in
dem Buche berichtet^, könnten sie an den meisten Orten durch die Autorität
des Rektors und die Schulstrafe vor der Bestrafung durchs Kriminalgericht be¬
wahrt werden. Ferner sei in diesen Gegenden die Behandlung der Schüler eine
andre als in Italien, Frankreich und vielleicht auch in Spanien, da hier niemand,
möge er noch so alt sein, in irgendeiner Schule vor erlangtem Magistergrade
vom Regiment der Rute ausgenommen sei. Ein andres Verfahren wäre den
Eltern höchst unlieb, da die Gewohnheit seit Jahrhunderten bestehe." Also
Prügel waren die deutschen Jungen gewohnt, aber daß sie sie nicht von ihrem
Lehrer, sondern von einem Fremden kriegen sollten, dem in den Jesuitenschulen
üblichen Korrektor oder Strafmeister, der sein Amt im Umherziehen ausübte,
das kam ihnen spanisch vor. Der General mußte von dieser Vorschrift dis¬
pensieren, und eine Kommission erklärte die Weitergewährung der Dispens für
wünschenswert, "denn die Studierenden ertragen die Strafe leichter von ihrem
Lehrer als von einem andern, ja nach deutscher Sitte geben sie nach empfangner
Züchtigung dem Lehrer die Hand und bedanken sich". Übrigens sollte die Zahl
der Streiche ohne Bewilligung des Studienpräfekten sechs nicht übersteigen;
auch solle kein Lehrer im Zorn zuschlagen, auf den Kopf hauen oder an den
Ohren reißen. Man würde erwarten, daß die Jesuiten ihre Zöglinge möglichst
von der Welt abgesperrt und zu diesem Zweck überall Konvikte eingerichtet
hätten. Das war jedoch nicht Fall; im Gegenteil sträubten sie sich gegen die
Errichtung oder Übernahme von Konvitten, wo sie ihnen zugemutet wurde. In
einem Gutachten für den Herzog Wilhelm von Bayern hat ein Provinzial der
oberdeutschen Provinz, Hoffäus, die Gründe auseinandergesetzt. "Bisher hat
sich die Provinz in allen Generalkougregationen gegen die Übernahme von
Konvikten ausgesprochen. Der jetzige General hat das römische Konvikt reduziert,
auf die Konvikte in Würzburg und Trier verzichtet. Es ist schwer, geeignete'


Grenzboten I 1908 17
Die Jesuiten in Deutschland

Viele andre Gegenstände abgehandelt werden. Über das den Spaniern und
Italienern fremde Institut des Karzers wurde viel und lange verhandelt. Der
Provinzial der rheinischen Provinz schrieb in dieser Angelegenheit an den
General: „Der Rektor von Koblenz hat dem Kanzler von Trier und dem
Koblenzer Magistrat vorgestellt, daß wir aus den vom General mitgeteilten
Gründen kein Recht auf den Kärzer hätten. Man bat aber dringend, daß wir
den guten Bürgern diesen Liebesdienst nicht versagen möchten. Da nämlich die
Vergehen der Student'en, wie nächtliches Umherschwärmen und Keilereien, mit¬
unter schwerere Strafen verdienten, so würden die Studenten, wenn die Sozietät
nicht volle Gerichtsbarkeit über sie hätte, zugleich mit andern Übeltätern in das
öffentliche Gefängnis geworfen werden, zur Schmach und Schande für ihre
Familien. Um das zu verhüten, werde man genötigt sein, die Söhne auf andre
Akademien zu schicken. Außerdem gebe es in diesen Gegenden keine Schule,
in der der Rektor nicht die volle Gewalt habe, nicht allein die Studenten zu
züchtigen, sondern auch sie einzusperren. Ja sogar wenn sie ein schweres Ver¬
brechen begehn Suber die Streitigkeiten, die ein Totschlag verursachte, wird in
dem Buche berichtet^, könnten sie an den meisten Orten durch die Autorität
des Rektors und die Schulstrafe vor der Bestrafung durchs Kriminalgericht be¬
wahrt werden. Ferner sei in diesen Gegenden die Behandlung der Schüler eine
andre als in Italien, Frankreich und vielleicht auch in Spanien, da hier niemand,
möge er noch so alt sein, in irgendeiner Schule vor erlangtem Magistergrade
vom Regiment der Rute ausgenommen sei. Ein andres Verfahren wäre den
Eltern höchst unlieb, da die Gewohnheit seit Jahrhunderten bestehe." Also
Prügel waren die deutschen Jungen gewohnt, aber daß sie sie nicht von ihrem
Lehrer, sondern von einem Fremden kriegen sollten, dem in den Jesuitenschulen
üblichen Korrektor oder Strafmeister, der sein Amt im Umherziehen ausübte,
das kam ihnen spanisch vor. Der General mußte von dieser Vorschrift dis¬
pensieren, und eine Kommission erklärte die Weitergewährung der Dispens für
wünschenswert, „denn die Studierenden ertragen die Strafe leichter von ihrem
Lehrer als von einem andern, ja nach deutscher Sitte geben sie nach empfangner
Züchtigung dem Lehrer die Hand und bedanken sich". Übrigens sollte die Zahl
der Streiche ohne Bewilligung des Studienpräfekten sechs nicht übersteigen;
auch solle kein Lehrer im Zorn zuschlagen, auf den Kopf hauen oder an den
Ohren reißen. Man würde erwarten, daß die Jesuiten ihre Zöglinge möglichst
von der Welt abgesperrt und zu diesem Zweck überall Konvikte eingerichtet
hätten. Das war jedoch nicht Fall; im Gegenteil sträubten sie sich gegen die
Errichtung oder Übernahme von Konvitten, wo sie ihnen zugemutet wurde. In
einem Gutachten für den Herzog Wilhelm von Bayern hat ein Provinzial der
oberdeutschen Provinz, Hoffäus, die Gründe auseinandergesetzt. „Bisher hat
sich die Provinz in allen Generalkougregationen gegen die Übernahme von
Konvikten ausgesprochen. Der jetzige General hat das römische Konvikt reduziert,
auf die Konvikte in Würzburg und Trier verzichtet. Es ist schwer, geeignete'


Grenzboten I 1908 17
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[0129] Die Jesuiten in Deutschland Viele andre Gegenstände abgehandelt werden. Über das den Spaniern und Italienern fremde Institut des Karzers wurde viel und lange verhandelt. Der Provinzial der rheinischen Provinz schrieb in dieser Angelegenheit an den General: „Der Rektor von Koblenz hat dem Kanzler von Trier und dem Koblenzer Magistrat vorgestellt, daß wir aus den vom General mitgeteilten Gründen kein Recht auf den Kärzer hätten. Man bat aber dringend, daß wir den guten Bürgern diesen Liebesdienst nicht versagen möchten. Da nämlich die Vergehen der Student'en, wie nächtliches Umherschwärmen und Keilereien, mit¬ unter schwerere Strafen verdienten, so würden die Studenten, wenn die Sozietät nicht volle Gerichtsbarkeit über sie hätte, zugleich mit andern Übeltätern in das öffentliche Gefängnis geworfen werden, zur Schmach und Schande für ihre Familien. Um das zu verhüten, werde man genötigt sein, die Söhne auf andre Akademien zu schicken. Außerdem gebe es in diesen Gegenden keine Schule, in der der Rektor nicht die volle Gewalt habe, nicht allein die Studenten zu züchtigen, sondern auch sie einzusperren. Ja sogar wenn sie ein schweres Ver¬ brechen begehn Suber die Streitigkeiten, die ein Totschlag verursachte, wird in dem Buche berichtet^, könnten sie an den meisten Orten durch die Autorität des Rektors und die Schulstrafe vor der Bestrafung durchs Kriminalgericht be¬ wahrt werden. Ferner sei in diesen Gegenden die Behandlung der Schüler eine andre als in Italien, Frankreich und vielleicht auch in Spanien, da hier niemand, möge er noch so alt sein, in irgendeiner Schule vor erlangtem Magistergrade vom Regiment der Rute ausgenommen sei. Ein andres Verfahren wäre den Eltern höchst unlieb, da die Gewohnheit seit Jahrhunderten bestehe." Also Prügel waren die deutschen Jungen gewohnt, aber daß sie sie nicht von ihrem Lehrer, sondern von einem Fremden kriegen sollten, dem in den Jesuitenschulen üblichen Korrektor oder Strafmeister, der sein Amt im Umherziehen ausübte, das kam ihnen spanisch vor. Der General mußte von dieser Vorschrift dis¬ pensieren, und eine Kommission erklärte die Weitergewährung der Dispens für wünschenswert, „denn die Studierenden ertragen die Strafe leichter von ihrem Lehrer als von einem andern, ja nach deutscher Sitte geben sie nach empfangner Züchtigung dem Lehrer die Hand und bedanken sich". Übrigens sollte die Zahl der Streiche ohne Bewilligung des Studienpräfekten sechs nicht übersteigen; auch solle kein Lehrer im Zorn zuschlagen, auf den Kopf hauen oder an den Ohren reißen. Man würde erwarten, daß die Jesuiten ihre Zöglinge möglichst von der Welt abgesperrt und zu diesem Zweck überall Konvikte eingerichtet hätten. Das war jedoch nicht Fall; im Gegenteil sträubten sie sich gegen die Errichtung oder Übernahme von Konvitten, wo sie ihnen zugemutet wurde. In einem Gutachten für den Herzog Wilhelm von Bayern hat ein Provinzial der oberdeutschen Provinz, Hoffäus, die Gründe auseinandergesetzt. „Bisher hat sich die Provinz in allen Generalkougregationen gegen die Übernahme von Konvikten ausgesprochen. Der jetzige General hat das römische Konvikt reduziert, auf die Konvikte in Würzburg und Trier verzichtet. Es ist schwer, geeignete' Grenzboten I 1908 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/129>, abgerufen am 03.07.2024.