Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Zehn Jahre deutscher Flottenentwicklung frühern Ersatz der Kaiser- und auch der Wittelsbachklasse, wie ihn im Plenum Dieses offne Bekenntnis des Staatssekretärs hat ihm in einigen Blättern Mit dieser Deutung legt man in die Worte des Admirals einen Sinn Die Verstärkung, die unsre Kriegsflotte mit der Novelle erfahren soll, ist Zehn Jahre deutscher Flottenentwicklung frühern Ersatz der Kaiser- und auch der Wittelsbachklasse, wie ihn im Plenum Dieses offne Bekenntnis des Staatssekretärs hat ihm in einigen Blättern Mit dieser Deutung legt man in die Worte des Admirals einen Sinn Die Verstärkung, die unsre Kriegsflotte mit der Novelle erfahren soll, ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311204"/> <fw type="header" place="top"> Zehn Jahre deutscher Flottenentwicklung</fw><lb/> <p xml:id="ID_525" prev="#ID_524"> frühern Ersatz der Kaiser- und auch der Wittelsbachklasse, wie ihn im Plenum<lb/> Abgeordneter Bassermann empfohlen habe, eine unzweifelhafte militärische Ver¬<lb/> besserung.</p><lb/> <p xml:id="ID_526"> Dieses offne Bekenntnis des Staatssekretärs hat ihm in einigen Blättern<lb/> die schwersten Angriffe zugezogen. Wie, so wurde gefragt, Herr von Tirpitz<lb/> erkennt bestimmte Forderungen als militärische Verbesserungen an, will sich aber<lb/> nur dann zu ihrer Befürwortung bequemen, wenn ihm eine Mehrheit dafür im<lb/> Reichstag gleichsam auf dem Präsentierteller angeboten wird? Welche grobe<lb/> Verkennung seiner Pflichten! An ihm ist es, die militärischen Interessen der<lb/> Marine zu wahren, davon den Bundesrat zu überzeugen und sie im Reichstag<lb/> durchzusetzen — nötigenfalls kraft einer Auflösung und Neuwahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_527"> Mit dieser Deutung legt man in die Worte des Admirals einen Sinn<lb/> hinein, den sie nicht gehabt haben und nicht haben können. Herr von Tirpitz<lb/> hat loyal erklärt, seine Forderung bleibe an der untersten Grenze des Mög¬<lb/> lichen. Aber er hat sofort hinzugefügt, er übernehme dafür die volle Ver¬<lb/> antwortung. Das kann doch nur heißen, daß er diese unterste Grenze zurzeit<lb/> auch für ausreichend halte. Natürlich würde er mit Freuden weitere militärische<lb/> Verbesserungen nehmen. Er müßte nicht Staatssekretär der Marine sein, wenn<lb/> er das nicht offen erklärte. Aber, so steht sehr klar zwischen den Zeilen zu<lb/> lesen, der Staatsmann muß sich mit dem Möglichen begnügen, auch hier kann<lb/> das Bessere der Feind des Guten sein. Jeder Nessortminister macht diese Er¬<lb/> fahrung. Oder glaubt man etwa nicht, daß der Kriegsminister alljährlich schweren<lb/> Herzens auf eine Reihe von Wünschen verzichtet, die gewiß militärische Ver¬<lb/> besserungen bedeuten? Auch seine Forderungen bleiben unzweifelhaft an der<lb/> untersten Grenze des Möglichen — wenigstens nach seiner Auffassung, nach<lb/> dem Maße seiner Verantwortung.</p><lb/> <p xml:id="ID_528" next="#ID_529"> Die Verstärkung, die unsre Kriegsflotte mit der Novelle erfahren soll, ist<lb/> die vierte im Laufe von zehn Jahren; für jeden, der einigermaßen die Dinge<lb/> kennt, ist ihre Tragweite viel größer, als der lakonische Wortlaut des Ge¬<lb/> setzestextes verrät. Sie kommt zu einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs<lb/> und schwerer Finanzbedrängnis des Reichs. Auch der allgemeinen politischen<lb/> Lage hat sie Rechnung getragen, indem sie vermeidet, was den kaum beseitigten<lb/> Argwohn fremder Gegner wecken könnte. Wir wissen nichts von den Vor¬<lb/> bereitungen im Schoße der Regierung und den Beratungen im Bundesrat.<lb/> Aber die Vermutung liegt nahe, daß politische und finanzielle Erwägungen bei<lb/> dem Ausmaße der Forderungen dabei angesprochen haben, die militärisch doch<lb/> immerhin eine solche Bedeutung haben, daß der hierfür zuständige Fachminister<lb/> dafür die volle militärische Verantwortung übernimmt, während die staatsrechtliche<lb/> Verantwortung natürlich der Reichskanzler trägt. Und ist es denn wirklich<lb/> ein wertloses Ereignis, daß alle bürgerlichen Parteien des Reichstags geschlossen<lb/> für die Vorlage eintreten? Liegt darin nicht zugleich die Bürgschaft für eine<lb/> kraftvolle Weiterentwicklung unsrer Marine? Wer will leichten Herzens die un-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Zehn Jahre deutscher Flottenentwicklung
frühern Ersatz der Kaiser- und auch der Wittelsbachklasse, wie ihn im Plenum
Abgeordneter Bassermann empfohlen habe, eine unzweifelhafte militärische Ver¬
besserung.
Dieses offne Bekenntnis des Staatssekretärs hat ihm in einigen Blättern
die schwersten Angriffe zugezogen. Wie, so wurde gefragt, Herr von Tirpitz
erkennt bestimmte Forderungen als militärische Verbesserungen an, will sich aber
nur dann zu ihrer Befürwortung bequemen, wenn ihm eine Mehrheit dafür im
Reichstag gleichsam auf dem Präsentierteller angeboten wird? Welche grobe
Verkennung seiner Pflichten! An ihm ist es, die militärischen Interessen der
Marine zu wahren, davon den Bundesrat zu überzeugen und sie im Reichstag
durchzusetzen — nötigenfalls kraft einer Auflösung und Neuwahlen.
Mit dieser Deutung legt man in die Worte des Admirals einen Sinn
hinein, den sie nicht gehabt haben und nicht haben können. Herr von Tirpitz
hat loyal erklärt, seine Forderung bleibe an der untersten Grenze des Mög¬
lichen. Aber er hat sofort hinzugefügt, er übernehme dafür die volle Ver¬
antwortung. Das kann doch nur heißen, daß er diese unterste Grenze zurzeit
auch für ausreichend halte. Natürlich würde er mit Freuden weitere militärische
Verbesserungen nehmen. Er müßte nicht Staatssekretär der Marine sein, wenn
er das nicht offen erklärte. Aber, so steht sehr klar zwischen den Zeilen zu
lesen, der Staatsmann muß sich mit dem Möglichen begnügen, auch hier kann
das Bessere der Feind des Guten sein. Jeder Nessortminister macht diese Er¬
fahrung. Oder glaubt man etwa nicht, daß der Kriegsminister alljährlich schweren
Herzens auf eine Reihe von Wünschen verzichtet, die gewiß militärische Ver¬
besserungen bedeuten? Auch seine Forderungen bleiben unzweifelhaft an der
untersten Grenze des Möglichen — wenigstens nach seiner Auffassung, nach
dem Maße seiner Verantwortung.
Die Verstärkung, die unsre Kriegsflotte mit der Novelle erfahren soll, ist
die vierte im Laufe von zehn Jahren; für jeden, der einigermaßen die Dinge
kennt, ist ihre Tragweite viel größer, als der lakonische Wortlaut des Ge¬
setzestextes verrät. Sie kommt zu einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs
und schwerer Finanzbedrängnis des Reichs. Auch der allgemeinen politischen
Lage hat sie Rechnung getragen, indem sie vermeidet, was den kaum beseitigten
Argwohn fremder Gegner wecken könnte. Wir wissen nichts von den Vor¬
bereitungen im Schoße der Regierung und den Beratungen im Bundesrat.
Aber die Vermutung liegt nahe, daß politische und finanzielle Erwägungen bei
dem Ausmaße der Forderungen dabei angesprochen haben, die militärisch doch
immerhin eine solche Bedeutung haben, daß der hierfür zuständige Fachminister
dafür die volle militärische Verantwortung übernimmt, während die staatsrechtliche
Verantwortung natürlich der Reichskanzler trägt. Und ist es denn wirklich
ein wertloses Ereignis, daß alle bürgerlichen Parteien des Reichstags geschlossen
für die Vorlage eintreten? Liegt darin nicht zugleich die Bürgschaft für eine
kraftvolle Weiterentwicklung unsrer Marine? Wer will leichten Herzens die un-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |