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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Marquis von Larabas

Hat Vater ihm die Zinsen bezahlt?

Auf Heller und Pfennig, und das ist dein Glück. Dein Vater war ein zu¬
verlässiger Mann, er bezahlte, so lange er konnte, und als er nicht mehr konnte,
da starb er ganz einfach.

Woher weißt du das alles eigentlich? fragte Jörgen müde.

Ich bin in der Stadt gewesen und habe mit dem Gutsverwalter deines Vaters
gesprochen, das heißt mit einem kleinen Anwalt, der die Waldauktionsrechnungen
deines Vaters einkassierte und im übrigen nicht das geringste von dessen Affären
wußte. Er redete freundlich von deinem Vater, wenn auch ein wenig bitter, denn
viel ist bei dessen Geschäften für ihn nicht abgefallen. Und dadurch, daß ich ihm
erzählte, ich sei dein neuer Gutsverwalter, vermochte ich ihn auch nicht heiterer zu
stimmen.

Hast du das gesagt?

Freilich. Es schien allerdings, als habe ich mich selbst dazu ernannt, jedoch
es ist am besten, du dankst für seine weitern Dienste und bestätigst die Ernennung.
Ich habe vier Jahre lang Jura studiert, und mit Gottes Hilfe werde ich hier
schon Klarheit schaffen. Hier bedarf es auch uicht der Rechtswissenschaft, sondern
eines klaren Finanzkopfes, und den habe ich. Daß ich davon bisher keinen Ge¬
brauch gemacht habe, liegt nur daran, daß ich niemals mehr als zehn Kronen auf
einmal in den Händen gehabt habe. Aber ich sage dir, du wirst staunen. Staunen,
sag lebt

Jörgen hatte sich erhoben und stand auf die Büchse gestützt.

Sag mir, Kalt, was willst du nun eigentlich machen?

Wir brauchen fünfzigtausend Kronen, Marquis, und zwar für Erbsteuer, Zinsen
und andres mehr; denn wir wollen doch ebenfalls leben! Und diese Summe will
ich jetzt schaffen.

Na, sagte Jörgen, mit Läppereien scheinst du dich jedenfalls nicht abzugeben.

Kalt streckte sich, als ob er seine Glieder prüfen wollte.

Wenn wir uns nicht rettungslos blamieren wollen, dann können wir nicht
weniger verlangen.

Von wem aber?

Von Onkel Emil, ganz einfach.

Der tut das nie!

Er muß. Laß mich nur machen, Marquis. Leute, die nicht drängen, können
immer noch borgen, und dein Kredit ist ungewöhnlich fein. Dank du wieder deinem
Vater in seinem Grabe. Ich will dir aber sagen, hätte der Himmel nicht mich dir
gesandt, so wärst du bis zum Herbst vom Hofe verschwunden. Sei du nur der
Graf, Marquis, und für das übrige laß mich sorgen. Am besten ist, du vergißt,
daß du nichts besitzest.

Jörgen zuckte mit den Achseln. Von barem Gelde besitze ich jedenfalls
keine Spur.

Kalt blickte mit gewinnendem Lächeln ans. Einige hundert Kronen, die der
Aufmerksamkeit deines Vaters entgangen sind, liegen noch beim Advokaten. Wenn
du es unterlassen kannst, sie vor vier Tagen abzuheben, so wäre es am besten.
Aber, sieh, dort kommt ein herrschaftlicher Wagen den Hügel herabgerollt, Donner-
schlag. ist der aber mal stilvoll!

Jörgen blickte auf.

Über den Kamm des Hügels kam eine Viktoriakutsche daher, die mit zwei
Schimmeln bespannt war. Die Tiere tänzelten den harten Weg hinunter, während
ihnen der Schaum vor den Mäulern stand.


Der Marquis von Larabas

Hat Vater ihm die Zinsen bezahlt?

Auf Heller und Pfennig, und das ist dein Glück. Dein Vater war ein zu¬
verlässiger Mann, er bezahlte, so lange er konnte, und als er nicht mehr konnte,
da starb er ganz einfach.

Woher weißt du das alles eigentlich? fragte Jörgen müde.

Ich bin in der Stadt gewesen und habe mit dem Gutsverwalter deines Vaters
gesprochen, das heißt mit einem kleinen Anwalt, der die Waldauktionsrechnungen
deines Vaters einkassierte und im übrigen nicht das geringste von dessen Affären
wußte. Er redete freundlich von deinem Vater, wenn auch ein wenig bitter, denn
viel ist bei dessen Geschäften für ihn nicht abgefallen. Und dadurch, daß ich ihm
erzählte, ich sei dein neuer Gutsverwalter, vermochte ich ihn auch nicht heiterer zu
stimmen.

Hast du das gesagt?

Freilich. Es schien allerdings, als habe ich mich selbst dazu ernannt, jedoch
es ist am besten, du dankst für seine weitern Dienste und bestätigst die Ernennung.
Ich habe vier Jahre lang Jura studiert, und mit Gottes Hilfe werde ich hier
schon Klarheit schaffen. Hier bedarf es auch uicht der Rechtswissenschaft, sondern
eines klaren Finanzkopfes, und den habe ich. Daß ich davon bisher keinen Ge¬
brauch gemacht habe, liegt nur daran, daß ich niemals mehr als zehn Kronen auf
einmal in den Händen gehabt habe. Aber ich sage dir, du wirst staunen. Staunen,
sag lebt

Jörgen hatte sich erhoben und stand auf die Büchse gestützt.

Sag mir, Kalt, was willst du nun eigentlich machen?

Wir brauchen fünfzigtausend Kronen, Marquis, und zwar für Erbsteuer, Zinsen
und andres mehr; denn wir wollen doch ebenfalls leben! Und diese Summe will
ich jetzt schaffen.

Na, sagte Jörgen, mit Läppereien scheinst du dich jedenfalls nicht abzugeben.

Kalt streckte sich, als ob er seine Glieder prüfen wollte.

Wenn wir uns nicht rettungslos blamieren wollen, dann können wir nicht
weniger verlangen.

Von wem aber?

Von Onkel Emil, ganz einfach.

Der tut das nie!

Er muß. Laß mich nur machen, Marquis. Leute, die nicht drängen, können
immer noch borgen, und dein Kredit ist ungewöhnlich fein. Dank du wieder deinem
Vater in seinem Grabe. Ich will dir aber sagen, hätte der Himmel nicht mich dir
gesandt, so wärst du bis zum Herbst vom Hofe verschwunden. Sei du nur der
Graf, Marquis, und für das übrige laß mich sorgen. Am besten ist, du vergißt,
daß du nichts besitzest.

Jörgen zuckte mit den Achseln. Von barem Gelde besitze ich jedenfalls
keine Spur.

Kalt blickte mit gewinnendem Lächeln ans. Einige hundert Kronen, die der
Aufmerksamkeit deines Vaters entgangen sind, liegen noch beim Advokaten. Wenn
du es unterlassen kannst, sie vor vier Tagen abzuheben, so wäre es am besten.
Aber, sieh, dort kommt ein herrschaftlicher Wagen den Hügel herabgerollt, Donner-
schlag. ist der aber mal stilvoll!

Jörgen blickte auf.

Über den Kamm des Hügels kam eine Viktoriakutsche daher, die mit zwei
Schimmeln bespannt war. Die Tiere tänzelten den harten Weg hinunter, während
ihnen der Schaum vor den Mäulern stand.


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[0100] Der Marquis von Larabas Hat Vater ihm die Zinsen bezahlt? Auf Heller und Pfennig, und das ist dein Glück. Dein Vater war ein zu¬ verlässiger Mann, er bezahlte, so lange er konnte, und als er nicht mehr konnte, da starb er ganz einfach. Woher weißt du das alles eigentlich? fragte Jörgen müde. Ich bin in der Stadt gewesen und habe mit dem Gutsverwalter deines Vaters gesprochen, das heißt mit einem kleinen Anwalt, der die Waldauktionsrechnungen deines Vaters einkassierte und im übrigen nicht das geringste von dessen Affären wußte. Er redete freundlich von deinem Vater, wenn auch ein wenig bitter, denn viel ist bei dessen Geschäften für ihn nicht abgefallen. Und dadurch, daß ich ihm erzählte, ich sei dein neuer Gutsverwalter, vermochte ich ihn auch nicht heiterer zu stimmen. Hast du das gesagt? Freilich. Es schien allerdings, als habe ich mich selbst dazu ernannt, jedoch es ist am besten, du dankst für seine weitern Dienste und bestätigst die Ernennung. Ich habe vier Jahre lang Jura studiert, und mit Gottes Hilfe werde ich hier schon Klarheit schaffen. Hier bedarf es auch uicht der Rechtswissenschaft, sondern eines klaren Finanzkopfes, und den habe ich. Daß ich davon bisher keinen Ge¬ brauch gemacht habe, liegt nur daran, daß ich niemals mehr als zehn Kronen auf einmal in den Händen gehabt habe. Aber ich sage dir, du wirst staunen. Staunen, sag lebt Jörgen hatte sich erhoben und stand auf die Büchse gestützt. Sag mir, Kalt, was willst du nun eigentlich machen? Wir brauchen fünfzigtausend Kronen, Marquis, und zwar für Erbsteuer, Zinsen und andres mehr; denn wir wollen doch ebenfalls leben! Und diese Summe will ich jetzt schaffen. Na, sagte Jörgen, mit Läppereien scheinst du dich jedenfalls nicht abzugeben. Kalt streckte sich, als ob er seine Glieder prüfen wollte. Wenn wir uns nicht rettungslos blamieren wollen, dann können wir nicht weniger verlangen. Von wem aber? Von Onkel Emil, ganz einfach. Der tut das nie! Er muß. Laß mich nur machen, Marquis. Leute, die nicht drängen, können immer noch borgen, und dein Kredit ist ungewöhnlich fein. Dank du wieder deinem Vater in seinem Grabe. Ich will dir aber sagen, hätte der Himmel nicht mich dir gesandt, so wärst du bis zum Herbst vom Hofe verschwunden. Sei du nur der Graf, Marquis, und für das übrige laß mich sorgen. Am besten ist, du vergißt, daß du nichts besitzest. Jörgen zuckte mit den Achseln. Von barem Gelde besitze ich jedenfalls keine Spur. Kalt blickte mit gewinnendem Lächeln ans. Einige hundert Kronen, die der Aufmerksamkeit deines Vaters entgangen sind, liegen noch beim Advokaten. Wenn du es unterlassen kannst, sie vor vier Tagen abzuheben, so wäre es am besten. Aber, sieh, dort kommt ein herrschaftlicher Wagen den Hügel herabgerollt, Donner- schlag. ist der aber mal stilvoll! Jörgen blickte auf. Über den Kamm des Hügels kam eine Viktoriakutsche daher, die mit zwei Schimmeln bespannt war. Die Tiere tänzelten den harten Weg hinunter, während ihnen der Schaum vor den Mäulern stand.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/100>, abgerufen am 01.07.2024.