Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

genug, daß der Herzog nach Verdienst behandelt wird." Am 29. September
teilte ihm der xrimä-in-Modal mit. daß der Kaiser ihn andern Tags empfangen
wolle, ebenso wie den Fürsten von Dessau "in dem Kostüm, das ihm selber
am angenehmsten sein werde". Das ist hoffentlich keine boshafte Anspielung
auf des Herzogs Reisekostüm auf der Erfurter Landstraße gewesen.

Von dem Herzog wurde am 29. September Goethe, der sich bis dahin
ferngehalten hatte, nach Erfurt berufen. Napoleon erfuhr davon und ließ
ihn für Sonntag den 2. Oktober zu sich einladen. Goethe und Napoleon,
ein äußerst interessantes Thema, zu dessen Ausführung aber hier kein Platz
ist- Bekannt ist der Verlauf der denkwürdigen Unterredung über Mahomet,
Werther. Schicksalstragödien. Aufforderung nach Paris zu kommen usw. Es
seien nur einige Bemerkungen angeknüpft. Der Moniteur vom 8. Oktober
schon berichtet über Goethes Anwesenheit aus Erfurt: "Alle Höfe scheinen
hier zu sein, der von Weimar hat den berühmten Goethe hergeführt. Minister
des Herzogs. Dieser Schriftsteller, der noch jung ist -- das wird den beinahe
sechzigjährigen alten 5errn gefreut haben, wenn er es etwa gelesen hat, es
stimmte auch zu Napoleons Urteil, daß er sich gut konserviert habe - und
doch seit langer Zeit schon großen Ruf hat. wohnt eifrig den Theatervor¬
stellungen bei und scheint unsre Schauspieler zu schätzen und die Meisterwerke
zu bewundern, die sie darstellen." Ohne jede Einschränkung wird das wohl
nicht gelten, wie ja auch die Darstellung Talleyrands von der Audienz Goethes
und Wielands bei Napoleon nicht zuverlässig ist. eine Überarbeitung und Ver-
böserung der Müllerschen Niederschrift, was Suphan im Goethejahrbuch 1894
klargestellt hat. Aber ohne Einschränkung möchte ich Napoleons Wort von
Goethe "das ist ein Mann" gelten lassen, begreiflich schon, weil Goethe ihm
ohne eine Spur von Schmeichelei entgegentrat, die der Kaiser oder gerade
in Deutschland, auch in Erfurt, so vielfach hörte und sah. und tue zu seiner
Menschenverachtung so viel beitrug. Was soll man zum Beispiel zu jener
Äußerung des Herzogs August von Gotha sagen, die damals viel besprochen
wurde: bei der° Tafel, wo der Herzog aus irgendeinem Grunde acht viel
°ß. wird er von Napoleon gefragt: "Leben Sie vielleicht von der Luft?"
"Nein, von den Strahlen der Sonne", erwiderte jener mit einer Verbeugung
gegen den Herrscher. Und das wird in dem Büchlein ..Erfurt in seinem höchsten
Glänze" lediglich als ein Funken des herzoglichen Witzes bewundert. Napoleon
mochte in der Tat wenig deutsche Männer um sich her beobachten können,
weshalb sich ihm jenes Wort auf die Lippen drängte, diesem Manne gegen¬
über, der ihn nicht gesucht hatte, der nichts von ihm begehrte, der sich selbst
gab. wie er war, auch diesem Mächtigsten gegenüber. Am bedeutsamsten unter
den Äußerungen Goethes will mir die in dem Brief an Cotta erscheinen:
"Ich will gern gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Er¬
freulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eme
solche Art zu stehen. Ich kann sagen, daß mich noch nie ein Höherer dergestalt


genug, daß der Herzog nach Verdienst behandelt wird." Am 29. September
teilte ihm der xrimä-in-Modal mit. daß der Kaiser ihn andern Tags empfangen
wolle, ebenso wie den Fürsten von Dessau „in dem Kostüm, das ihm selber
am angenehmsten sein werde". Das ist hoffentlich keine boshafte Anspielung
auf des Herzogs Reisekostüm auf der Erfurter Landstraße gewesen.

Von dem Herzog wurde am 29. September Goethe, der sich bis dahin
ferngehalten hatte, nach Erfurt berufen. Napoleon erfuhr davon und ließ
ihn für Sonntag den 2. Oktober zu sich einladen. Goethe und Napoleon,
ein äußerst interessantes Thema, zu dessen Ausführung aber hier kein Platz
ist- Bekannt ist der Verlauf der denkwürdigen Unterredung über Mahomet,
Werther. Schicksalstragödien. Aufforderung nach Paris zu kommen usw. Es
seien nur einige Bemerkungen angeknüpft. Der Moniteur vom 8. Oktober
schon berichtet über Goethes Anwesenheit aus Erfurt: „Alle Höfe scheinen
hier zu sein, der von Weimar hat den berühmten Goethe hergeführt. Minister
des Herzogs. Dieser Schriftsteller, der noch jung ist — das wird den beinahe
sechzigjährigen alten 5errn gefreut haben, wenn er es etwa gelesen hat, es
stimmte auch zu Napoleons Urteil, daß er sich gut konserviert habe - und
doch seit langer Zeit schon großen Ruf hat. wohnt eifrig den Theatervor¬
stellungen bei und scheint unsre Schauspieler zu schätzen und die Meisterwerke
zu bewundern, die sie darstellen." Ohne jede Einschränkung wird das wohl
nicht gelten, wie ja auch die Darstellung Talleyrands von der Audienz Goethes
und Wielands bei Napoleon nicht zuverlässig ist. eine Überarbeitung und Ver-
böserung der Müllerschen Niederschrift, was Suphan im Goethejahrbuch 1894
klargestellt hat. Aber ohne Einschränkung möchte ich Napoleons Wort von
Goethe „das ist ein Mann" gelten lassen, begreiflich schon, weil Goethe ihm
ohne eine Spur von Schmeichelei entgegentrat, die der Kaiser oder gerade
in Deutschland, auch in Erfurt, so vielfach hörte und sah. und tue zu seiner
Menschenverachtung so viel beitrug. Was soll man zum Beispiel zu jener
Äußerung des Herzogs August von Gotha sagen, die damals viel besprochen
wurde: bei der° Tafel, wo der Herzog aus irgendeinem Grunde acht viel
°ß. wird er von Napoleon gefragt: „Leben Sie vielleicht von der Luft?"
"Nein, von den Strahlen der Sonne", erwiderte jener mit einer Verbeugung
gegen den Herrscher. Und das wird in dem Büchlein ..Erfurt in seinem höchsten
Glänze" lediglich als ein Funken des herzoglichen Witzes bewundert. Napoleon
mochte in der Tat wenig deutsche Männer um sich her beobachten können,
weshalb sich ihm jenes Wort auf die Lippen drängte, diesem Manne gegen¬
über, der ihn nicht gesucht hatte, der nichts von ihm begehrte, der sich selbst
gab. wie er war, auch diesem Mächtigsten gegenüber. Am bedeutsamsten unter
den Äußerungen Goethes will mir die in dem Brief an Cotta erscheinen:
"Ich will gern gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Er¬
freulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eme
solche Art zu stehen. Ich kann sagen, daß mich noch nie ein Höherer dergestalt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310990"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_3034" prev="#ID_3033"> genug, daß der Herzog nach Verdienst behandelt wird." Am 29. September<lb/>
teilte ihm der xrimä-in-Modal mit. daß der Kaiser ihn andern Tags empfangen<lb/>
wolle, ebenso wie den Fürsten von Dessau &#x201E;in dem Kostüm, das ihm selber<lb/>
am angenehmsten sein werde". Das ist hoffentlich keine boshafte Anspielung<lb/>
auf des Herzogs Reisekostüm auf der Erfurter Landstraße gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3035" next="#ID_3036"> Von dem Herzog wurde am 29. September Goethe, der sich bis dahin<lb/>
ferngehalten hatte, nach Erfurt berufen. Napoleon erfuhr davon und ließ<lb/>
ihn für Sonntag den 2. Oktober zu sich einladen. Goethe und Napoleon,<lb/>
ein äußerst interessantes Thema, zu dessen Ausführung aber hier kein Platz<lb/>
ist-  Bekannt ist der Verlauf der denkwürdigen Unterredung über Mahomet,<lb/>
Werther. Schicksalstragödien. Aufforderung nach Paris zu kommen usw. Es<lb/>
seien nur einige Bemerkungen angeknüpft. Der Moniteur vom 8. Oktober<lb/>
schon berichtet über Goethes Anwesenheit aus Erfurt: &#x201E;Alle Höfe scheinen<lb/>
hier zu sein, der von Weimar hat den berühmten Goethe hergeführt. Minister<lb/>
des Herzogs. Dieser Schriftsteller, der noch jung ist &#x2014; das wird den beinahe<lb/>
sechzigjährigen alten 5errn gefreut haben, wenn er es etwa gelesen hat, es<lb/>
stimmte auch zu Napoleons Urteil, daß er sich gut konserviert habe - und<lb/>
doch seit langer Zeit schon großen Ruf hat. wohnt eifrig den Theatervor¬<lb/>
stellungen bei und scheint unsre Schauspieler zu schätzen und die Meisterwerke<lb/>
zu bewundern, die sie darstellen." Ohne jede Einschränkung wird das wohl<lb/>
nicht gelten, wie ja auch die Darstellung Talleyrands von der Audienz Goethes<lb/>
und Wielands bei Napoleon nicht zuverlässig ist. eine Überarbeitung und Ver-<lb/>
böserung der Müllerschen Niederschrift, was Suphan im Goethejahrbuch 1894<lb/>
klargestellt hat. Aber ohne Einschränkung möchte ich Napoleons Wort von<lb/>
Goethe &#x201E;das ist ein Mann" gelten lassen, begreiflich schon, weil Goethe ihm<lb/>
ohne eine Spur von Schmeichelei entgegentrat, die der Kaiser oder gerade<lb/>
in Deutschland, auch in Erfurt, so vielfach hörte und sah. und tue zu seiner<lb/>
Menschenverachtung so viel beitrug. Was soll man zum Beispiel zu jener<lb/>
Äußerung des Herzogs August von Gotha sagen, die damals viel besprochen<lb/>
wurde: bei der° Tafel, wo der Herzog aus irgendeinem Grunde acht viel<lb/>
°ß. wird er von Napoleon gefragt: &#x201E;Leben Sie vielleicht von der Luft?"<lb/>
"Nein, von den Strahlen der Sonne", erwiderte jener mit einer Verbeugung<lb/>
gegen den Herrscher. Und das wird in dem Büchlein ..Erfurt in seinem höchsten<lb/>
Glänze" lediglich als ein Funken des herzoglichen Witzes bewundert. Napoleon<lb/>
mochte in der Tat wenig deutsche Männer um sich her beobachten können,<lb/>
weshalb sich ihm jenes Wort auf die Lippen drängte, diesem Manne gegen¬<lb/>
über, der ihn nicht gesucht hatte, der nichts von ihm begehrte, der sich selbst<lb/>
gab. wie er war, auch diesem Mächtigsten gegenüber. Am bedeutsamsten unter<lb/>
den Äußerungen Goethes will mir die in dem Brief an Cotta erscheinen:<lb/>
"Ich will gern gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Er¬<lb/>
freulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eme<lb/>
solche Art zu stehen. Ich kann sagen, daß mich noch nie ein Höherer dergestalt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0579] genug, daß der Herzog nach Verdienst behandelt wird." Am 29. September teilte ihm der xrimä-in-Modal mit. daß der Kaiser ihn andern Tags empfangen wolle, ebenso wie den Fürsten von Dessau „in dem Kostüm, das ihm selber am angenehmsten sein werde". Das ist hoffentlich keine boshafte Anspielung auf des Herzogs Reisekostüm auf der Erfurter Landstraße gewesen. Von dem Herzog wurde am 29. September Goethe, der sich bis dahin ferngehalten hatte, nach Erfurt berufen. Napoleon erfuhr davon und ließ ihn für Sonntag den 2. Oktober zu sich einladen. Goethe und Napoleon, ein äußerst interessantes Thema, zu dessen Ausführung aber hier kein Platz ist- Bekannt ist der Verlauf der denkwürdigen Unterredung über Mahomet, Werther. Schicksalstragödien. Aufforderung nach Paris zu kommen usw. Es seien nur einige Bemerkungen angeknüpft. Der Moniteur vom 8. Oktober schon berichtet über Goethes Anwesenheit aus Erfurt: „Alle Höfe scheinen hier zu sein, der von Weimar hat den berühmten Goethe hergeführt. Minister des Herzogs. Dieser Schriftsteller, der noch jung ist — das wird den beinahe sechzigjährigen alten 5errn gefreut haben, wenn er es etwa gelesen hat, es stimmte auch zu Napoleons Urteil, daß er sich gut konserviert habe - und doch seit langer Zeit schon großen Ruf hat. wohnt eifrig den Theatervor¬ stellungen bei und scheint unsre Schauspieler zu schätzen und die Meisterwerke zu bewundern, die sie darstellen." Ohne jede Einschränkung wird das wohl nicht gelten, wie ja auch die Darstellung Talleyrands von der Audienz Goethes und Wielands bei Napoleon nicht zuverlässig ist. eine Überarbeitung und Ver- böserung der Müllerschen Niederschrift, was Suphan im Goethejahrbuch 1894 klargestellt hat. Aber ohne Einschränkung möchte ich Napoleons Wort von Goethe „das ist ein Mann" gelten lassen, begreiflich schon, weil Goethe ihm ohne eine Spur von Schmeichelei entgegentrat, die der Kaiser oder gerade in Deutschland, auch in Erfurt, so vielfach hörte und sah. und tue zu seiner Menschenverachtung so viel beitrug. Was soll man zum Beispiel zu jener Äußerung des Herzogs August von Gotha sagen, die damals viel besprochen wurde: bei der° Tafel, wo der Herzog aus irgendeinem Grunde acht viel °ß. wird er von Napoleon gefragt: „Leben Sie vielleicht von der Luft?" "Nein, von den Strahlen der Sonne", erwiderte jener mit einer Verbeugung gegen den Herrscher. Und das wird in dem Büchlein ..Erfurt in seinem höchsten Glänze" lediglich als ein Funken des herzoglichen Witzes bewundert. Napoleon mochte in der Tat wenig deutsche Männer um sich her beobachten können, weshalb sich ihm jenes Wort auf die Lippen drängte, diesem Manne gegen¬ über, der ihn nicht gesucht hatte, der nichts von ihm begehrte, der sich selbst gab. wie er war, auch diesem Mächtigsten gegenüber. Am bedeutsamsten unter den Äußerungen Goethes will mir die in dem Brief an Cotta erscheinen: "Ich will gern gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Er¬ freulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eme solche Art zu stehen. Ich kann sagen, daß mich noch nie ein Höherer dergestalt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/579
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/579>, abgerufen am 22.07.2024.