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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses 1^803

Minister von Voigt ist etwas andrer Meinung. Man solle doch, wie so viele
andre, sich auch regen. Rußland könne gerade sagen, warum habt ihr nichts
ausgesprochen? Wenn Napoleon für seine Familie Königreiche stiftet, so könne
Alexander keiner Mißdeutung ausgesetzt sein, wenn er für seine hohe Familie,
für den künftigen Zustand seiner Schwester auch etwas wünsche, namentlich,
da doch auf Blankenhain Ansprüche da seien.

Diese Gedanken scheinen sich aber nicht zu offiziellen Bitten verdichtet
zu haben. Wie Müller mitteilt, hat ihm der Marschall Lannes einmal gesagt,
einen Ring vom Finger streifend: "Wie wenn ich diesen Ring jetzt an Ihren
Finger steckte, so würde der Kaiser Napoleon die Grafschaft Blankenhain in
die Hand Ihres Herzogs legen, wenn nur der Kaiser Alexander ein Wort
spräche." Von Erfurt ist dabei nicht die Rede. Auch um Blankenhain hat
der Herzog doch nicht Rußlands Vermittlung nachsuchen wollen, weil er das
für würdiger und diskreter hielt. Ein andres von Müller französisch abge¬
faßtes Memoire behandelt Beschwerden Weimars gegen Eingriffe des Königs
von Westfalen in das Gebiet von Lengsfeld. Dieses war bei der Errichtung
des neuen Königreiches vergessen worden, und Karl August beanspruchte es
als Schutzherr. Es wurde aber nachher durch ein französisches Mandat dem
Großherzog von Frankfurt überwiesen, erst 1816 ist es endgiltig zu Weimar
gekommen.

Der Magistrat von Eisenach beschwert sich über die bedeutenden Lasten,
die die Heerstraße von Mainz nach Berlin der Stadt auferlege, und bittet,
daß auch die Nachbarn zu den Kosten herangezogen werden möchten. Herr
von Müller hat dieses Gesuch ins Französische übersetzt weitergegeben.

Was der Herzog von Napoleon wirklich erbat, beschränkt sich auf zweierlei.
Fräulein Emilie Gore, eine Engländerin, die sich mit ihrem Vater und ihrer
Schwester längere Zeit in Weimar aufgehalten hatte, wollte nach deren Tode
nach Florenz reisen und bedürfte als Engländerin dazu der französischen Er¬
laubnis. Sie wandte sich an den Herzog, und dieser vermittelte ihr den
französischen Paß. Ferner verwandte er sich für die thüringischen Kontingente;
es finden sich Konzepte von Müller und Müffling, worin folgendes nach¬
gesucht wird. Von dem Verlangen, neben der Infanterie auch Artillerie auf¬
zustellen, möge man absehen, es sei das auch im Frieden von Posen nicht
begehrt worden, und es sei unmöglich für das Land. Am wünschenswertesten
sei es für das Kontingent, daß es diesseits des Rheines bleibe, wie die
Truppen des Königs von Sachsen, jedenfalls bitte man um Befreiung von
dem Marsch nach Boulogne. Die Truppen sind dann zunächst von dem
Dienst in Spanien entbunden, 1809 in Tirol, aber 1810 doch in Spanien
und 1812 in Rußland verwandt worden.

Der Herzog war während des Kongresses meist in Erfurt und wurde
von Napoleon gnädig und freundlich behandelt, zur Freude seines Ministers
Voigt, der darüber schreibt: "Ich bin ohne alle weitern Hoffnungen glücklich


Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses 1^803

Minister von Voigt ist etwas andrer Meinung. Man solle doch, wie so viele
andre, sich auch regen. Rußland könne gerade sagen, warum habt ihr nichts
ausgesprochen? Wenn Napoleon für seine Familie Königreiche stiftet, so könne
Alexander keiner Mißdeutung ausgesetzt sein, wenn er für seine hohe Familie,
für den künftigen Zustand seiner Schwester auch etwas wünsche, namentlich,
da doch auf Blankenhain Ansprüche da seien.

Diese Gedanken scheinen sich aber nicht zu offiziellen Bitten verdichtet
zu haben. Wie Müller mitteilt, hat ihm der Marschall Lannes einmal gesagt,
einen Ring vom Finger streifend: „Wie wenn ich diesen Ring jetzt an Ihren
Finger steckte, so würde der Kaiser Napoleon die Grafschaft Blankenhain in
die Hand Ihres Herzogs legen, wenn nur der Kaiser Alexander ein Wort
spräche." Von Erfurt ist dabei nicht die Rede. Auch um Blankenhain hat
der Herzog doch nicht Rußlands Vermittlung nachsuchen wollen, weil er das
für würdiger und diskreter hielt. Ein andres von Müller französisch abge¬
faßtes Memoire behandelt Beschwerden Weimars gegen Eingriffe des Königs
von Westfalen in das Gebiet von Lengsfeld. Dieses war bei der Errichtung
des neuen Königreiches vergessen worden, und Karl August beanspruchte es
als Schutzherr. Es wurde aber nachher durch ein französisches Mandat dem
Großherzog von Frankfurt überwiesen, erst 1816 ist es endgiltig zu Weimar
gekommen.

Der Magistrat von Eisenach beschwert sich über die bedeutenden Lasten,
die die Heerstraße von Mainz nach Berlin der Stadt auferlege, und bittet,
daß auch die Nachbarn zu den Kosten herangezogen werden möchten. Herr
von Müller hat dieses Gesuch ins Französische übersetzt weitergegeben.

Was der Herzog von Napoleon wirklich erbat, beschränkt sich auf zweierlei.
Fräulein Emilie Gore, eine Engländerin, die sich mit ihrem Vater und ihrer
Schwester längere Zeit in Weimar aufgehalten hatte, wollte nach deren Tode
nach Florenz reisen und bedürfte als Engländerin dazu der französischen Er¬
laubnis. Sie wandte sich an den Herzog, und dieser vermittelte ihr den
französischen Paß. Ferner verwandte er sich für die thüringischen Kontingente;
es finden sich Konzepte von Müller und Müffling, worin folgendes nach¬
gesucht wird. Von dem Verlangen, neben der Infanterie auch Artillerie auf¬
zustellen, möge man absehen, es sei das auch im Frieden von Posen nicht
begehrt worden, und es sei unmöglich für das Land. Am wünschenswertesten
sei es für das Kontingent, daß es diesseits des Rheines bleibe, wie die
Truppen des Königs von Sachsen, jedenfalls bitte man um Befreiung von
dem Marsch nach Boulogne. Die Truppen sind dann zunächst von dem
Dienst in Spanien entbunden, 1809 in Tirol, aber 1810 doch in Spanien
und 1812 in Rußland verwandt worden.

Der Herzog war während des Kongresses meist in Erfurt und wurde
von Napoleon gnädig und freundlich behandelt, zur Freude seines Ministers
Voigt, der darüber schreibt: „Ich bin ohne alle weitern Hoffnungen glücklich


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[0578] Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses 1^803 Minister von Voigt ist etwas andrer Meinung. Man solle doch, wie so viele andre, sich auch regen. Rußland könne gerade sagen, warum habt ihr nichts ausgesprochen? Wenn Napoleon für seine Familie Königreiche stiftet, so könne Alexander keiner Mißdeutung ausgesetzt sein, wenn er für seine hohe Familie, für den künftigen Zustand seiner Schwester auch etwas wünsche, namentlich, da doch auf Blankenhain Ansprüche da seien. Diese Gedanken scheinen sich aber nicht zu offiziellen Bitten verdichtet zu haben. Wie Müller mitteilt, hat ihm der Marschall Lannes einmal gesagt, einen Ring vom Finger streifend: „Wie wenn ich diesen Ring jetzt an Ihren Finger steckte, so würde der Kaiser Napoleon die Grafschaft Blankenhain in die Hand Ihres Herzogs legen, wenn nur der Kaiser Alexander ein Wort spräche." Von Erfurt ist dabei nicht die Rede. Auch um Blankenhain hat der Herzog doch nicht Rußlands Vermittlung nachsuchen wollen, weil er das für würdiger und diskreter hielt. Ein andres von Müller französisch abge¬ faßtes Memoire behandelt Beschwerden Weimars gegen Eingriffe des Königs von Westfalen in das Gebiet von Lengsfeld. Dieses war bei der Errichtung des neuen Königreiches vergessen worden, und Karl August beanspruchte es als Schutzherr. Es wurde aber nachher durch ein französisches Mandat dem Großherzog von Frankfurt überwiesen, erst 1816 ist es endgiltig zu Weimar gekommen. Der Magistrat von Eisenach beschwert sich über die bedeutenden Lasten, die die Heerstraße von Mainz nach Berlin der Stadt auferlege, und bittet, daß auch die Nachbarn zu den Kosten herangezogen werden möchten. Herr von Müller hat dieses Gesuch ins Französische übersetzt weitergegeben. Was der Herzog von Napoleon wirklich erbat, beschränkt sich auf zweierlei. Fräulein Emilie Gore, eine Engländerin, die sich mit ihrem Vater und ihrer Schwester längere Zeit in Weimar aufgehalten hatte, wollte nach deren Tode nach Florenz reisen und bedürfte als Engländerin dazu der französischen Er¬ laubnis. Sie wandte sich an den Herzog, und dieser vermittelte ihr den französischen Paß. Ferner verwandte er sich für die thüringischen Kontingente; es finden sich Konzepte von Müller und Müffling, worin folgendes nach¬ gesucht wird. Von dem Verlangen, neben der Infanterie auch Artillerie auf¬ zustellen, möge man absehen, es sei das auch im Frieden von Posen nicht begehrt worden, und es sei unmöglich für das Land. Am wünschenswertesten sei es für das Kontingent, daß es diesseits des Rheines bleibe, wie die Truppen des Königs von Sachsen, jedenfalls bitte man um Befreiung von dem Marsch nach Boulogne. Die Truppen sind dann zunächst von dem Dienst in Spanien entbunden, 1809 in Tirol, aber 1810 doch in Spanien und 1812 in Rußland verwandt worden. Der Herzog war während des Kongresses meist in Erfurt und wurde von Napoleon gnädig und freundlich behandelt, zur Freude seines Ministers Voigt, der darüber schreibt: „Ich bin ohne alle weitern Hoffnungen glücklich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/578>, abgerufen am 25.08.2024.