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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Weimar in den Tagen des Erfurter Fürsteiikongresses ^803

aufgenommen, indem er mit besonderem Zutrauen mich, wenn ich mich des
Ausdrucks bedienen darf, gleichsam gelten ließ und nicht undeutlich ausdrückte,
daß mein Wesen ihm gemäß sei."

Übrigens ist Goethe nicht erst in Erfurt für Napoleon gewonnen worden,
er gehörte schon seit 1805 unbedingt zu seinen Bewunderern, er verehrte in
ihm den Kraft- und Tatmenschen, den Genius, das Dämonische seiner Natur.
Man kann hier, wie Andreas Fischer in seiner Studie Goethe und Napoleon,
manche Parallelen zwischen beiden Männern finden, wodurch Goethes Ver¬
ehrung noch begreiflicher wird, aber auch als etwas nicht allen entsprechendes
und nachahmenswertes erscheint.

Goethe kehrte am 4. Oktober nach Weimar zurück, um Vorkehrungen für
das Gastspiel der Franzosen im Theater zu treffen. Hier hat er, wie Joh. Falk
aufgezeichnet hat, von den hiesigen Schauspielern, seinen Schauspielern ver¬
langt, daß sie den Franzosen als Statisten dienen sollten. Nur durch ihre
Vorstellungen beim Herzog wurde ihnen diese Demütigung erspart.

Am 6. und 7. Oktober folgte endlich der Besuch der Majestäten in
Weimar. Über die Entstehungsgeschichte zu diesen Festlichkeiten berichtet Major
von Müffling: "Gleich in den ersten Tagen hatte Napoleon dem Herzog
gesagt: Ich höre, daß Sie gute Jagden haben, geben Sie uns ein Treib¬
jagen. Doch muß ich erst meine Gewehre von Paris kommen lassen, Duroc
wird Ihnen anzeigen, wenn sie da sind, dann verabreden wir das Weitere.
Der Herzog übertrug mir diese Verabredung. Duroc, der Obermarschall, schlug
mir vor: den ersten Tag Hirschjagd, Diner in Weimar, ein kurzes Konzert,
Theater und Ball. Am folgenden Tag wollte Napoleon dem Kaiser Alexander
das Schlachtfeld von Jena zeigen, dann ein Dejeuner unter dem Zelt, hierauf
eine Hasenjagd und dann Rückreise nach Erfurt." Von Duroc über die Polizei
in Weimar befragt, hatte Müffling geantwortet, man habe dort wohl Polizei,
um Schornsteine zu fegen und Straßen reinigen zu lassen, von einer ranks
xolioe aber wisse man nichts und nehme deshalb den Vorschlag an, eine
Brigade französischer Gendarmen nach Weimar zu senden.

Im Walde bei Ettersburg zwischen dein Großen und Kleinen Ettersberg,
an der noch heute bezeichneten Stelle (auf einer Waldwiese eine Anzahl
Linden, noch heute Kaiserlinden genannt, an einer ein Stein mit der Jahres¬
zahl 1808) wurde nun ein riesiger, festlich geschmückter Jagdpavillon oder
Schießschirm errichtet, 223 Fuß lang, von Hunderten von Jagdbauern wurde
mehrere Tage lang das Wild zusammengetrieben in die sogenannte Wild¬
kammer, von wo es nur in dem durch hohe Tücher hergestellten Lauf vor
dem Pavillon vorbeilaufen konnte. Außerhalb des Laufs zwei Tribünen für
mehrere tausend Zuschauer. Wildmeister Koch in Ettersburg hatte die Jagd
"bestätigt und eingestellt". Im Wochenblatt wurde bekannt gemacht, daß
gute Tribünenplätze gegen Prünumeration zu haben seien beim Zimmermeister
Schabacker in der Rollgasse. Alle Plätze wurden besetzt, eine förmliche Wall-


Weimar in den Tagen des Erfurter Fürsteiikongresses ^803

aufgenommen, indem er mit besonderem Zutrauen mich, wenn ich mich des
Ausdrucks bedienen darf, gleichsam gelten ließ und nicht undeutlich ausdrückte,
daß mein Wesen ihm gemäß sei."

Übrigens ist Goethe nicht erst in Erfurt für Napoleon gewonnen worden,
er gehörte schon seit 1805 unbedingt zu seinen Bewunderern, er verehrte in
ihm den Kraft- und Tatmenschen, den Genius, das Dämonische seiner Natur.
Man kann hier, wie Andreas Fischer in seiner Studie Goethe und Napoleon,
manche Parallelen zwischen beiden Männern finden, wodurch Goethes Ver¬
ehrung noch begreiflicher wird, aber auch als etwas nicht allen entsprechendes
und nachahmenswertes erscheint.

Goethe kehrte am 4. Oktober nach Weimar zurück, um Vorkehrungen für
das Gastspiel der Franzosen im Theater zu treffen. Hier hat er, wie Joh. Falk
aufgezeichnet hat, von den hiesigen Schauspielern, seinen Schauspielern ver¬
langt, daß sie den Franzosen als Statisten dienen sollten. Nur durch ihre
Vorstellungen beim Herzog wurde ihnen diese Demütigung erspart.

Am 6. und 7. Oktober folgte endlich der Besuch der Majestäten in
Weimar. Über die Entstehungsgeschichte zu diesen Festlichkeiten berichtet Major
von Müffling: „Gleich in den ersten Tagen hatte Napoleon dem Herzog
gesagt: Ich höre, daß Sie gute Jagden haben, geben Sie uns ein Treib¬
jagen. Doch muß ich erst meine Gewehre von Paris kommen lassen, Duroc
wird Ihnen anzeigen, wenn sie da sind, dann verabreden wir das Weitere.
Der Herzog übertrug mir diese Verabredung. Duroc, der Obermarschall, schlug
mir vor: den ersten Tag Hirschjagd, Diner in Weimar, ein kurzes Konzert,
Theater und Ball. Am folgenden Tag wollte Napoleon dem Kaiser Alexander
das Schlachtfeld von Jena zeigen, dann ein Dejeuner unter dem Zelt, hierauf
eine Hasenjagd und dann Rückreise nach Erfurt." Von Duroc über die Polizei
in Weimar befragt, hatte Müffling geantwortet, man habe dort wohl Polizei,
um Schornsteine zu fegen und Straßen reinigen zu lassen, von einer ranks
xolioe aber wisse man nichts und nehme deshalb den Vorschlag an, eine
Brigade französischer Gendarmen nach Weimar zu senden.

Im Walde bei Ettersburg zwischen dein Großen und Kleinen Ettersberg,
an der noch heute bezeichneten Stelle (auf einer Waldwiese eine Anzahl
Linden, noch heute Kaiserlinden genannt, an einer ein Stein mit der Jahres¬
zahl 1808) wurde nun ein riesiger, festlich geschmückter Jagdpavillon oder
Schießschirm errichtet, 223 Fuß lang, von Hunderten von Jagdbauern wurde
mehrere Tage lang das Wild zusammengetrieben in die sogenannte Wild¬
kammer, von wo es nur in dem durch hohe Tücher hergestellten Lauf vor
dem Pavillon vorbeilaufen konnte. Außerhalb des Laufs zwei Tribünen für
mehrere tausend Zuschauer. Wildmeister Koch in Ettersburg hatte die Jagd
„bestätigt und eingestellt". Im Wochenblatt wurde bekannt gemacht, daß
gute Tribünenplätze gegen Prünumeration zu haben seien beim Zimmermeister
Schabacker in der Rollgasse. Alle Plätze wurden besetzt, eine förmliche Wall-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/580>, abgerufen am 22.07.2024.