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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Weimar in den Tagen des Erfurter Lürstenkongresses ^SO3

gehofft, sich aber, da sein Wagen zerbrach, verspätet. Nun traf er auf den
glänzenden Zug, er in offnem, leichtem Wagen und in bequemer Neisekleidung.
Da befahl er im ersten Augenblick, querfeldein zu fahren, um nicht erkannt
zu werden. Aber nach einigen Minuten hatte er sich anders besonnen, sprang
aus der Droschke und ging deu Herren der Erde, so wie er war, entgegen, um
zuerst Alexander zu begrüßen und sich wegen des versäumten Empfanges in
Weimar zu entschuldigen. Alexander begrüßte ihn aufs herzlichste, Napoleon
aber, der nicht gewohnt war, unterwegs aufgehalten zu werden, und die
Franzosen alle machten sehr erstaunte Gesichter über diese freie Art der An¬
näherung. Herzogin Luise hat sich, wie sie an ihren Bruder schreibt, über
diesen Kontrast der Erscheinungen amüsiert, wahrscheinlich mit ihrem Gemahl,
der ja Gleichmut genug hatte, sich über solche Dinge hinwegzusetzen. Er reiste
nach Weimar weiter, die Monarchen aber zogen feierlich unter Kanonendonner
und Geläute in Erfurt ein, fünftausend Mann französischer Truppen bildeten
Spalier. Napoleon hatte von den aus dem Feldzug heimkehrenden Truppen
je ein Regiment Infanterie, Husaren und Kürassiere nach Erfurt beordert und
eine Abteilung seiner Garde mitgebracht. Aus ihnen wurden die Schildwachen
genommen, auch vor dem Theater, die dann bei dem irrtümlichen dreimaligen
Trommelwirbel das welthistorisch gewordne Wort hörten/') und -- dies sei
noch als eine Kuriosität angemerkt ---vor den Wohnungen der beiden Kaiser
standen nicht nnr zwei Gardisten, sondern auch ein Doppelposten von Kürassierer
zu Pferde, für die große Schilderhäuser zum Schutz gegen schlechtes Wetter
errichtet waren, die aber zur Verstärkung ihrer majestätischen Erscheinung kaum
etwas beigetragen haben werden. Überlassen wir nun die Kaiser und die Könige
und Fürsten ihren Konferenzen, Levers und Assemblees, und wenden wir uns
Wieder nach Weimar.

Hierher waren besondre Wünsche des Regierungsrath von Müller für
Herren des kaiserlichen Gefolges, denen er gern behilflich fein wollte, gekommen,
die nicht geringe Verlegenheiten verursachten. Talleyrand, Fürst voy Benevent,
hatte seinen russischen Andreasorden in Paris gelassen; da war bald geholfen:
der Erbprinz Karl Friedrich lieh ihm den seinigen. Dann kommen Wünsche
um Ausstattungsstücke und Geräte. Der Minister von Voigt muß sich um
alle diese Dinge bemühen, es wird in mehreren Briefen diese Sache erörtert.
"An Möbeln und Porzellan ist Mangel, heißt es, Sie kennen doch unsre
Armut." Schließlich findet sich ein Verzeichnis über Fußteppiche, Kuvertüren,
vierundzwanzig Rohrstühle und Dutzende von Suppen- und flachen Tellern
und dergleichen, die dem Minister von Champagny, Talleyrand und dem Staats¬
rat Labesnardiere geliehen wurden. Am bedenklichsten stand es um den Wunsch
nach Equipagen für Talleyrand und Marschall Oudinot. Das waren freilich
hohe Herren, die man gern bei guter Laune erhält. Aber der Minister schreibt
in mehreren Briefen? "Es fehlen uns hier 57 nötige Pferde, Dresden wollte



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Weimar in den Tagen des Erfurter Lürstenkongresses ^SO3

gehofft, sich aber, da sein Wagen zerbrach, verspätet. Nun traf er auf den
glänzenden Zug, er in offnem, leichtem Wagen und in bequemer Neisekleidung.
Da befahl er im ersten Augenblick, querfeldein zu fahren, um nicht erkannt
zu werden. Aber nach einigen Minuten hatte er sich anders besonnen, sprang
aus der Droschke und ging deu Herren der Erde, so wie er war, entgegen, um
zuerst Alexander zu begrüßen und sich wegen des versäumten Empfanges in
Weimar zu entschuldigen. Alexander begrüßte ihn aufs herzlichste, Napoleon
aber, der nicht gewohnt war, unterwegs aufgehalten zu werden, und die
Franzosen alle machten sehr erstaunte Gesichter über diese freie Art der An¬
näherung. Herzogin Luise hat sich, wie sie an ihren Bruder schreibt, über
diesen Kontrast der Erscheinungen amüsiert, wahrscheinlich mit ihrem Gemahl,
der ja Gleichmut genug hatte, sich über solche Dinge hinwegzusetzen. Er reiste
nach Weimar weiter, die Monarchen aber zogen feierlich unter Kanonendonner
und Geläute in Erfurt ein, fünftausend Mann französischer Truppen bildeten
Spalier. Napoleon hatte von den aus dem Feldzug heimkehrenden Truppen
je ein Regiment Infanterie, Husaren und Kürassiere nach Erfurt beordert und
eine Abteilung seiner Garde mitgebracht. Aus ihnen wurden die Schildwachen
genommen, auch vor dem Theater, die dann bei dem irrtümlichen dreimaligen
Trommelwirbel das welthistorisch gewordne Wort hörten/') und — dies sei
noch als eine Kuriosität angemerkt -—vor den Wohnungen der beiden Kaiser
standen nicht nnr zwei Gardisten, sondern auch ein Doppelposten von Kürassierer
zu Pferde, für die große Schilderhäuser zum Schutz gegen schlechtes Wetter
errichtet waren, die aber zur Verstärkung ihrer majestätischen Erscheinung kaum
etwas beigetragen haben werden. Überlassen wir nun die Kaiser und die Könige
und Fürsten ihren Konferenzen, Levers und Assemblees, und wenden wir uns
Wieder nach Weimar.

Hierher waren besondre Wünsche des Regierungsrath von Müller für
Herren des kaiserlichen Gefolges, denen er gern behilflich fein wollte, gekommen,
die nicht geringe Verlegenheiten verursachten. Talleyrand, Fürst voy Benevent,
hatte seinen russischen Andreasorden in Paris gelassen; da war bald geholfen:
der Erbprinz Karl Friedrich lieh ihm den seinigen. Dann kommen Wünsche
um Ausstattungsstücke und Geräte. Der Minister von Voigt muß sich um
alle diese Dinge bemühen, es wird in mehreren Briefen diese Sache erörtert.
„An Möbeln und Porzellan ist Mangel, heißt es, Sie kennen doch unsre
Armut." Schließlich findet sich ein Verzeichnis über Fußteppiche, Kuvertüren,
vierundzwanzig Rohrstühle und Dutzende von Suppen- und flachen Tellern
und dergleichen, die dem Minister von Champagny, Talleyrand und dem Staats¬
rat Labesnardiere geliehen wurden. Am bedenklichsten stand es um den Wunsch
nach Equipagen für Talleyrand und Marschall Oudinot. Das waren freilich
hohe Herren, die man gern bei guter Laune erhält. Aber der Minister schreibt
in mehreren Briefen? „Es fehlen uns hier 57 nötige Pferde, Dresden wollte



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[0576] Weimar in den Tagen des Erfurter Lürstenkongresses ^SO3 gehofft, sich aber, da sein Wagen zerbrach, verspätet. Nun traf er auf den glänzenden Zug, er in offnem, leichtem Wagen und in bequemer Neisekleidung. Da befahl er im ersten Augenblick, querfeldein zu fahren, um nicht erkannt zu werden. Aber nach einigen Minuten hatte er sich anders besonnen, sprang aus der Droschke und ging deu Herren der Erde, so wie er war, entgegen, um zuerst Alexander zu begrüßen und sich wegen des versäumten Empfanges in Weimar zu entschuldigen. Alexander begrüßte ihn aufs herzlichste, Napoleon aber, der nicht gewohnt war, unterwegs aufgehalten zu werden, und die Franzosen alle machten sehr erstaunte Gesichter über diese freie Art der An¬ näherung. Herzogin Luise hat sich, wie sie an ihren Bruder schreibt, über diesen Kontrast der Erscheinungen amüsiert, wahrscheinlich mit ihrem Gemahl, der ja Gleichmut genug hatte, sich über solche Dinge hinwegzusetzen. Er reiste nach Weimar weiter, die Monarchen aber zogen feierlich unter Kanonendonner und Geläute in Erfurt ein, fünftausend Mann französischer Truppen bildeten Spalier. Napoleon hatte von den aus dem Feldzug heimkehrenden Truppen je ein Regiment Infanterie, Husaren und Kürassiere nach Erfurt beordert und eine Abteilung seiner Garde mitgebracht. Aus ihnen wurden die Schildwachen genommen, auch vor dem Theater, die dann bei dem irrtümlichen dreimaligen Trommelwirbel das welthistorisch gewordne Wort hörten/') und — dies sei noch als eine Kuriosität angemerkt -—vor den Wohnungen der beiden Kaiser standen nicht nnr zwei Gardisten, sondern auch ein Doppelposten von Kürassierer zu Pferde, für die große Schilderhäuser zum Schutz gegen schlechtes Wetter errichtet waren, die aber zur Verstärkung ihrer majestätischen Erscheinung kaum etwas beigetragen haben werden. Überlassen wir nun die Kaiser und die Könige und Fürsten ihren Konferenzen, Levers und Assemblees, und wenden wir uns Wieder nach Weimar. Hierher waren besondre Wünsche des Regierungsrath von Müller für Herren des kaiserlichen Gefolges, denen er gern behilflich fein wollte, gekommen, die nicht geringe Verlegenheiten verursachten. Talleyrand, Fürst voy Benevent, hatte seinen russischen Andreasorden in Paris gelassen; da war bald geholfen: der Erbprinz Karl Friedrich lieh ihm den seinigen. Dann kommen Wünsche um Ausstattungsstücke und Geräte. Der Minister von Voigt muß sich um alle diese Dinge bemühen, es wird in mehreren Briefen diese Sache erörtert. „An Möbeln und Porzellan ist Mangel, heißt es, Sie kennen doch unsre Armut." Schließlich findet sich ein Verzeichnis über Fußteppiche, Kuvertüren, vierundzwanzig Rohrstühle und Dutzende von Suppen- und flachen Tellern und dergleichen, die dem Minister von Champagny, Talleyrand und dem Staats¬ rat Labesnardiere geliehen wurden. Am bedenklichsten stand es um den Wunsch nach Equipagen für Talleyrand und Marschall Oudinot. Das waren freilich hohe Herren, die man gern bei guter Laune erhält. Aber der Minister schreibt in mehreren Briefen? „Es fehlen uns hier 57 nötige Pferde, Dresden wollte 'LaisW,„in>u8j,Ho n'opt. M'rin, .roi!Stille, doch, das.ist ja nur ein König.^?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/576>, abgerufen am 22.07.2024.