Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses l.803

fand statt, danach wurde auch Goethe dem Kaiser vorgestellt. Am Tage
darauf machte dieser zu Pferde einen Ausflug nach Belvedere, von der Be¬
völkerung ehrerbietigst begrüßt. Das Theater, wo die Oper Camilla von Paer
gegeben wurde, konnte er Geschäfte halber nicht besuchen.

Am folgenden Morgen hörte man Kanonendonner von Erfurt her, der
Napoleons Ankunft dort verkündete, Alexander reiste gegen Mittag dahin ab.
Der Geheime Rat von Voigt hatte an Müller in Erfurt geschrieben: "Es
war ein feierlicher Moment, wie der Kaiser Alexander beim Klang unsrer
schönen Glocken unter so illustrer Versammlung die gehörig beleuchtete Treppe
im Schloß hinaufstieg, eine in vielem Betracht rührende Szene. Was werden
diese Tage der Welt bringen? Unser Herzog dauert mich, daß er so öde in
dem gräßlichen Berta sich verweilen muß. Die Freude aber wird auch bei
ihm desto größer sein, wenn der große Napoleon anlangt."

Zu dem letzten Satz darf man wohl ein Fragezeichen machen, aber Karl
August war allerdings in Berta an der Werra gewesen, um dort auf Napoleon
zu warten. Er hatte sich in Wilhelmstal befunden, hatte von da Herrn
von Müller nach Erfurt gesandt, der ihm Nachricht über Alexanders Ankunft
geben sollte, er selbst aber wollte Napoleon an der Landesgrenze empfangen.
Ein Brief des Obersten von Seebach vom 26. September gibt einen Blick in
die Erwartung dieser Tage: "Serenissimus läßt sagen, daß aller Wahrscheinlich¬
keit nach der Kaiser heute nicht kommt, obwohl soeben zwei Fuder Komödianten
gekommen sind, die aussagten, der Kaiser folge auf dem Fuß, allein alle An¬
stalten zeugen vom Gegenteil. Gestern war ich in Philippsthal, um dem
König Jerome von Westfalen aufzuwarten. Der hat gemeint, der Kaiser
käme heute, hat aber selbst nichts gewußt, er übt sich wie wir im Erraten."
Von dem schließlichen Empfang in Eisenach schrieb Hofkammcrrat Kirms
nach Dresden: "In Eisenach, wo die gothaische Linie sich Chapeau-bas ein-
gefunden. sagte Napoleon zu diesem (dem Gothaer Herzog Emil August)
Bonjour; mit unserm Herzog aber unterhielt er sich geraume Zeit und "witterte
ihn nach Erfurt. Wenn dieses alles auch uns nichts hilft, so ist es doch
besser, als wenn der alte Haß noch fortdauerte."

Napoleon ist nun mit großem Gepränge in Erfurt eingezogen. Außerordent¬
lichen Aufwand hatte er sich übrigens verbeten, und so mußten die drei Triumph¬
bogen, die man bis Gambstädt gebaut hatte, mit großer Mühe wieder emgenssen
werden. Napoleon ritt bald nach seiner Ankunft Alexander auf dem Wege nach
Weimar entgegen, und die beiden Herrscher trafen sich zwischen Nohra und Ott-
stedt - Goethe schreibt "bei Münchenholzen" -. der eine stieg vom Pferde,
der andre aus dem Wagen, sie umarmten sich, gingen eine Strecke zu Fuß
und stiegen dann wieder zu Pferde, für Alexander war ein Rappe da mit
einer schwarzen Bärendecke unter dem Sattel, ganz so wie es Alexander in
Petersburg gewohnt war. was ..als eine feine Attention bemerkt wurde". Bei
ihrem Weiterritt nach Erfurt begegnete ihnen Karl August mit dem Geheimen
Rat von Müller. Er hatte den russischen Kaiser noch in Weimar anzutreffen


Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses l.803

fand statt, danach wurde auch Goethe dem Kaiser vorgestellt. Am Tage
darauf machte dieser zu Pferde einen Ausflug nach Belvedere, von der Be¬
völkerung ehrerbietigst begrüßt. Das Theater, wo die Oper Camilla von Paer
gegeben wurde, konnte er Geschäfte halber nicht besuchen.

Am folgenden Morgen hörte man Kanonendonner von Erfurt her, der
Napoleons Ankunft dort verkündete, Alexander reiste gegen Mittag dahin ab.
Der Geheime Rat von Voigt hatte an Müller in Erfurt geschrieben: „Es
war ein feierlicher Moment, wie der Kaiser Alexander beim Klang unsrer
schönen Glocken unter so illustrer Versammlung die gehörig beleuchtete Treppe
im Schloß hinaufstieg, eine in vielem Betracht rührende Szene. Was werden
diese Tage der Welt bringen? Unser Herzog dauert mich, daß er so öde in
dem gräßlichen Berta sich verweilen muß. Die Freude aber wird auch bei
ihm desto größer sein, wenn der große Napoleon anlangt."

Zu dem letzten Satz darf man wohl ein Fragezeichen machen, aber Karl
August war allerdings in Berta an der Werra gewesen, um dort auf Napoleon
zu warten. Er hatte sich in Wilhelmstal befunden, hatte von da Herrn
von Müller nach Erfurt gesandt, der ihm Nachricht über Alexanders Ankunft
geben sollte, er selbst aber wollte Napoleon an der Landesgrenze empfangen.
Ein Brief des Obersten von Seebach vom 26. September gibt einen Blick in
die Erwartung dieser Tage: „Serenissimus läßt sagen, daß aller Wahrscheinlich¬
keit nach der Kaiser heute nicht kommt, obwohl soeben zwei Fuder Komödianten
gekommen sind, die aussagten, der Kaiser folge auf dem Fuß, allein alle An¬
stalten zeugen vom Gegenteil. Gestern war ich in Philippsthal, um dem
König Jerome von Westfalen aufzuwarten. Der hat gemeint, der Kaiser
käme heute, hat aber selbst nichts gewußt, er übt sich wie wir im Erraten."
Von dem schließlichen Empfang in Eisenach schrieb Hofkammcrrat Kirms
nach Dresden: „In Eisenach, wo die gothaische Linie sich Chapeau-bas ein-
gefunden. sagte Napoleon zu diesem (dem Gothaer Herzog Emil August)
Bonjour; mit unserm Herzog aber unterhielt er sich geraume Zeit und „witterte
ihn nach Erfurt. Wenn dieses alles auch uns nichts hilft, so ist es doch
besser, als wenn der alte Haß noch fortdauerte."

Napoleon ist nun mit großem Gepränge in Erfurt eingezogen. Außerordent¬
lichen Aufwand hatte er sich übrigens verbeten, und so mußten die drei Triumph¬
bogen, die man bis Gambstädt gebaut hatte, mit großer Mühe wieder emgenssen
werden. Napoleon ritt bald nach seiner Ankunft Alexander auf dem Wege nach
Weimar entgegen, und die beiden Herrscher trafen sich zwischen Nohra und Ott-
stedt - Goethe schreibt „bei Münchenholzen" -. der eine stieg vom Pferde,
der andre aus dem Wagen, sie umarmten sich, gingen eine Strecke zu Fuß
und stiegen dann wieder zu Pferde, für Alexander war ein Rappe da mit
einer schwarzen Bärendecke unter dem Sattel, ganz so wie es Alexander in
Petersburg gewohnt war. was ..als eine feine Attention bemerkt wurde". Bei
ihrem Weiterritt nach Erfurt begegnete ihnen Karl August mit dem Geheimen
Rat von Müller. Er hatte den russischen Kaiser noch in Weimar anzutreffen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310986"/>
          <fw type="header" place="top"> Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses l.803</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3021" prev="#ID_3020"> fand statt, danach wurde auch Goethe dem Kaiser vorgestellt. Am Tage<lb/>
darauf machte dieser zu Pferde einen Ausflug nach Belvedere, von der Be¬<lb/>
völkerung ehrerbietigst begrüßt. Das Theater, wo die Oper Camilla von Paer<lb/>
gegeben wurde, konnte er Geschäfte halber nicht besuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3022"> Am folgenden Morgen hörte man Kanonendonner von Erfurt her, der<lb/>
Napoleons Ankunft dort verkündete, Alexander reiste gegen Mittag dahin ab.<lb/>
Der Geheime Rat von Voigt hatte an Müller in Erfurt geschrieben: &#x201E;Es<lb/>
war ein feierlicher Moment, wie der Kaiser Alexander beim Klang unsrer<lb/>
schönen Glocken unter so illustrer Versammlung die gehörig beleuchtete Treppe<lb/>
im Schloß hinaufstieg, eine in vielem Betracht rührende Szene. Was werden<lb/>
diese Tage der Welt bringen? Unser Herzog dauert mich, daß er so öde in<lb/>
dem gräßlichen Berta sich verweilen muß. Die Freude aber wird auch bei<lb/>
ihm desto größer sein, wenn der große Napoleon anlangt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3023"> Zu dem letzten Satz darf man wohl ein Fragezeichen machen, aber Karl<lb/>
August war allerdings in Berta an der Werra gewesen, um dort auf Napoleon<lb/>
zu warten. Er hatte sich in Wilhelmstal befunden, hatte von da Herrn<lb/>
von Müller nach Erfurt gesandt, der ihm Nachricht über Alexanders Ankunft<lb/>
geben sollte, er selbst aber wollte Napoleon an der Landesgrenze empfangen.<lb/>
Ein Brief des Obersten von Seebach vom 26. September gibt einen Blick in<lb/>
die Erwartung dieser Tage: &#x201E;Serenissimus läßt sagen, daß aller Wahrscheinlich¬<lb/>
keit nach der Kaiser heute nicht kommt, obwohl soeben zwei Fuder Komödianten<lb/>
gekommen sind, die aussagten, der Kaiser folge auf dem Fuß, allein alle An¬<lb/>
stalten zeugen vom Gegenteil. Gestern war ich in Philippsthal, um dem<lb/>
König Jerome von Westfalen aufzuwarten. Der hat gemeint, der Kaiser<lb/>
käme heute, hat aber selbst nichts gewußt, er übt sich wie wir im Erraten."<lb/>
Von dem schließlichen Empfang in Eisenach schrieb Hofkammcrrat Kirms<lb/>
nach Dresden: &#x201E;In Eisenach, wo die gothaische Linie sich Chapeau-bas ein-<lb/>
gefunden. sagte Napoleon zu diesem (dem Gothaer Herzog Emil August)<lb/>
Bonjour; mit unserm Herzog aber unterhielt er sich geraume Zeit und &#x201E;witterte<lb/>
ihn nach Erfurt. Wenn dieses alles auch uns nichts hilft, so ist es doch<lb/>
besser, als wenn der alte Haß noch fortdauerte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3024" next="#ID_3025"> Napoleon ist nun mit großem Gepränge in Erfurt eingezogen. Außerordent¬<lb/>
lichen Aufwand hatte er sich übrigens verbeten, und so mußten die drei Triumph¬<lb/>
bogen, die man bis Gambstädt gebaut hatte, mit großer Mühe wieder emgenssen<lb/>
werden. Napoleon ritt bald nach seiner Ankunft Alexander auf dem Wege nach<lb/>
Weimar entgegen, und die beiden Herrscher trafen sich zwischen Nohra und Ott-<lb/>
stedt - Goethe schreibt &#x201E;bei Münchenholzen" -. der eine stieg vom Pferde,<lb/>
der andre aus dem Wagen, sie umarmten sich, gingen eine Strecke zu Fuß<lb/>
und stiegen dann wieder zu Pferde, für Alexander war ein Rappe da mit<lb/>
einer schwarzen Bärendecke unter dem Sattel, ganz so wie es Alexander in<lb/>
Petersburg gewohnt war. was ..als eine feine Attention bemerkt wurde". Bei<lb/>
ihrem Weiterritt nach Erfurt begegnete ihnen Karl August mit dem Geheimen<lb/>
Rat von Müller. Er hatte den russischen Kaiser noch in Weimar anzutreffen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0575] Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses l.803 fand statt, danach wurde auch Goethe dem Kaiser vorgestellt. Am Tage darauf machte dieser zu Pferde einen Ausflug nach Belvedere, von der Be¬ völkerung ehrerbietigst begrüßt. Das Theater, wo die Oper Camilla von Paer gegeben wurde, konnte er Geschäfte halber nicht besuchen. Am folgenden Morgen hörte man Kanonendonner von Erfurt her, der Napoleons Ankunft dort verkündete, Alexander reiste gegen Mittag dahin ab. Der Geheime Rat von Voigt hatte an Müller in Erfurt geschrieben: „Es war ein feierlicher Moment, wie der Kaiser Alexander beim Klang unsrer schönen Glocken unter so illustrer Versammlung die gehörig beleuchtete Treppe im Schloß hinaufstieg, eine in vielem Betracht rührende Szene. Was werden diese Tage der Welt bringen? Unser Herzog dauert mich, daß er so öde in dem gräßlichen Berta sich verweilen muß. Die Freude aber wird auch bei ihm desto größer sein, wenn der große Napoleon anlangt." Zu dem letzten Satz darf man wohl ein Fragezeichen machen, aber Karl August war allerdings in Berta an der Werra gewesen, um dort auf Napoleon zu warten. Er hatte sich in Wilhelmstal befunden, hatte von da Herrn von Müller nach Erfurt gesandt, der ihm Nachricht über Alexanders Ankunft geben sollte, er selbst aber wollte Napoleon an der Landesgrenze empfangen. Ein Brief des Obersten von Seebach vom 26. September gibt einen Blick in die Erwartung dieser Tage: „Serenissimus läßt sagen, daß aller Wahrscheinlich¬ keit nach der Kaiser heute nicht kommt, obwohl soeben zwei Fuder Komödianten gekommen sind, die aussagten, der Kaiser folge auf dem Fuß, allein alle An¬ stalten zeugen vom Gegenteil. Gestern war ich in Philippsthal, um dem König Jerome von Westfalen aufzuwarten. Der hat gemeint, der Kaiser käme heute, hat aber selbst nichts gewußt, er übt sich wie wir im Erraten." Von dem schließlichen Empfang in Eisenach schrieb Hofkammcrrat Kirms nach Dresden: „In Eisenach, wo die gothaische Linie sich Chapeau-bas ein- gefunden. sagte Napoleon zu diesem (dem Gothaer Herzog Emil August) Bonjour; mit unserm Herzog aber unterhielt er sich geraume Zeit und „witterte ihn nach Erfurt. Wenn dieses alles auch uns nichts hilft, so ist es doch besser, als wenn der alte Haß noch fortdauerte." Napoleon ist nun mit großem Gepränge in Erfurt eingezogen. Außerordent¬ lichen Aufwand hatte er sich übrigens verbeten, und so mußten die drei Triumph¬ bogen, die man bis Gambstädt gebaut hatte, mit großer Mühe wieder emgenssen werden. Napoleon ritt bald nach seiner Ankunft Alexander auf dem Wege nach Weimar entgegen, und die beiden Herrscher trafen sich zwischen Nohra und Ott- stedt - Goethe schreibt „bei Münchenholzen" -. der eine stieg vom Pferde, der andre aus dem Wagen, sie umarmten sich, gingen eine Strecke zu Fuß und stiegen dann wieder zu Pferde, für Alexander war ein Rappe da mit einer schwarzen Bärendecke unter dem Sattel, ganz so wie es Alexander in Petersburg gewohnt war. was ..als eine feine Attention bemerkt wurde". Bei ihrem Weiterritt nach Erfurt begegnete ihnen Karl August mit dem Geheimen Rat von Müller. Er hatte den russischen Kaiser noch in Weimar anzutreffen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/575
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/575>, abgerufen am 22.07.2024.