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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Oberlehrer Haut

Dann wurde es still.

Der Oberlehrer trocknete seine Stirn und setzte sich wieder auf den Stuhl.
Er strich mit der Hand über Frau Hauks Kopf und flüsterte ihr etwas zu.

Berry aber blieb auf dem Fußboden liegen. Sie zitterte und bebte konvul¬
sivisch, aber ohne Laut. Svend Bugge nahm nun die Lampe und setzte sie auf
den Toilettentisch, ein wenig vom Bett entfernt. Er suchte sich eine Zeitung und
machte einen Schirm daraus, den er über die Kuppel legte. Die Diakonisse dankte
ihm mit einem schwachen Lächeln. Aber dann zeigte sie auf Beuny. Svend Bugge
zeigte fragend auf die Tür, und die Diakonisse nickte.

Er ging hin und legte die Hand auf Beunys Schulter. Sie schien es nicht
zu bemerken. Da beugte er sich herab, hob sie in seinen Armen empor und trug
sie wie ein Kind aus dem Zimmer, durch die Bibliothek in die dunkle Wohnstube.
Er tastete sich an einen Lehnstuhl und ließ sie aus seinen Armen da hineingleiten.
Sie zitterte am ganzen Leibe. Er lief hinaus, holte die Lampe von der Diele und
trug sie auf den Tisch vor ihr.

Sie saß in dem Stuhl, wie vernichtet, nud starrte ihn an, abwesend, verwirrt.

Kommen Sie, sagte er, legen Sie sich aufs Sofa. Sie müssen ruhen! Kommen
Sie, ich werde Ihnen helfen!

Er faßte sie unter den Arm und half ihr aufzustehn. Sie gingen ein paar
Schritte bis an das Sofa in der Ecke. Da merkte er, daß sie kurz davor war
Zu fallen. Und er nahm ihre kleine Gestalt auf den einen Arm und trug sie
durch das Zimmer. Sie legte die Arme um seinen Hals. Er kniete vor dem
Sofa nieder und bettete sie hin. Aber sie nahm die Arme nicht von seinem Halse,
und er blieb vor ihr liegen. Sie jammerte laut, und er hob seine eine Hand in
^e Höhe und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. Dann strich er ihr über
Haar.

So, nun müssen Sie ruhen! Ruhen! Sie sind jetzt zu müde, wissen Sie.
So so ^_

Ach! stöhnte sie und preßte sich an ihn in heftiger Erregung. Und dann
brachen sich die Trä'nen Bahn.

Es ivährte lange. Sie weinte herzzerbrechend, und er strich ihr über das
Haar und sagte nichts. Endlich wurde sie ruhiger. Sie jammerte nnr noch
^ise, während die Tränen rannen. Er zog sein Taschentuch aus der Tasche, be¬
trachtete es einen Augenblick kritisch und fing dann an, ihre Wangen und Augen
^ trocknen.

Sie sah mit einem Auflug von einem Lächeln zu ihm auf.

Legen Sie sich jetzt hin und ruhen Sie ein wenig. So -- ja! Er half
'?r, sich auf dem Sofa auszustrecken, sah sich um, entdeckte eine Schlummerdecke
über einem Schaukelstuhl. Die holte er und breitete sie über sie. Dann schob er
"und noch ein paar Rückenkissen unter ihren Kopf.

Sie versau! in einen Schlummer. Er bewachte sie eine Weile und ging dann
""f den Zehen auf die Diele und in die Küche.

^Fortsetzung folgt)




Oberlehrer Haut

Dann wurde es still.

Der Oberlehrer trocknete seine Stirn und setzte sich wieder auf den Stuhl.
Er strich mit der Hand über Frau Hauks Kopf und flüsterte ihr etwas zu.

Berry aber blieb auf dem Fußboden liegen. Sie zitterte und bebte konvul¬
sivisch, aber ohne Laut. Svend Bugge nahm nun die Lampe und setzte sie auf
den Toilettentisch, ein wenig vom Bett entfernt. Er suchte sich eine Zeitung und
machte einen Schirm daraus, den er über die Kuppel legte. Die Diakonisse dankte
ihm mit einem schwachen Lächeln. Aber dann zeigte sie auf Beuny. Svend Bugge
zeigte fragend auf die Tür, und die Diakonisse nickte.

Er ging hin und legte die Hand auf Beunys Schulter. Sie schien es nicht
zu bemerken. Da beugte er sich herab, hob sie in seinen Armen empor und trug
sie wie ein Kind aus dem Zimmer, durch die Bibliothek in die dunkle Wohnstube.
Er tastete sich an einen Lehnstuhl und ließ sie aus seinen Armen da hineingleiten.
Sie zitterte am ganzen Leibe. Er lief hinaus, holte die Lampe von der Diele und
trug sie auf den Tisch vor ihr.

Sie saß in dem Stuhl, wie vernichtet, nud starrte ihn an, abwesend, verwirrt.

Kommen Sie, sagte er, legen Sie sich aufs Sofa. Sie müssen ruhen! Kommen
Sie, ich werde Ihnen helfen!

Er faßte sie unter den Arm und half ihr aufzustehn. Sie gingen ein paar
Schritte bis an das Sofa in der Ecke. Da merkte er, daß sie kurz davor war
Zu fallen. Und er nahm ihre kleine Gestalt auf den einen Arm und trug sie
durch das Zimmer. Sie legte die Arme um seinen Hals. Er kniete vor dem
Sofa nieder und bettete sie hin. Aber sie nahm die Arme nicht von seinem Halse,
und er blieb vor ihr liegen. Sie jammerte laut, und er hob seine eine Hand in
^e Höhe und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. Dann strich er ihr über
Haar.

So, nun müssen Sie ruhen! Ruhen! Sie sind jetzt zu müde, wissen Sie.
So so ^_

Ach! stöhnte sie und preßte sich an ihn in heftiger Erregung. Und dann
brachen sich die Trä'nen Bahn.

Es ivährte lange. Sie weinte herzzerbrechend, und er strich ihr über das
Haar und sagte nichts. Endlich wurde sie ruhiger. Sie jammerte nnr noch
^ise, während die Tränen rannen. Er zog sein Taschentuch aus der Tasche, be¬
trachtete es einen Augenblick kritisch und fing dann an, ihre Wangen und Augen
^ trocknen.

Sie sah mit einem Auflug von einem Lächeln zu ihm auf.

Legen Sie sich jetzt hin und ruhen Sie ein wenig. So — ja! Er half
'?r, sich auf dem Sofa auszustrecken, sah sich um, entdeckte eine Schlummerdecke
über einem Schaukelstuhl. Die holte er und breitete sie über sie. Dann schob er
"und noch ein paar Rückenkissen unter ihren Kopf.

Sie versau! in einen Schlummer. Er bewachte sie eine Weile und ging dann
""f den Zehen auf die Diele und in die Küche.

^Fortsetzung folgt)




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[0303] Oberlehrer Haut Dann wurde es still. Der Oberlehrer trocknete seine Stirn und setzte sich wieder auf den Stuhl. Er strich mit der Hand über Frau Hauks Kopf und flüsterte ihr etwas zu. Berry aber blieb auf dem Fußboden liegen. Sie zitterte und bebte konvul¬ sivisch, aber ohne Laut. Svend Bugge nahm nun die Lampe und setzte sie auf den Toilettentisch, ein wenig vom Bett entfernt. Er suchte sich eine Zeitung und machte einen Schirm daraus, den er über die Kuppel legte. Die Diakonisse dankte ihm mit einem schwachen Lächeln. Aber dann zeigte sie auf Beuny. Svend Bugge zeigte fragend auf die Tür, und die Diakonisse nickte. Er ging hin und legte die Hand auf Beunys Schulter. Sie schien es nicht zu bemerken. Da beugte er sich herab, hob sie in seinen Armen empor und trug sie wie ein Kind aus dem Zimmer, durch die Bibliothek in die dunkle Wohnstube. Er tastete sich an einen Lehnstuhl und ließ sie aus seinen Armen da hineingleiten. Sie zitterte am ganzen Leibe. Er lief hinaus, holte die Lampe von der Diele und trug sie auf den Tisch vor ihr. Sie saß in dem Stuhl, wie vernichtet, nud starrte ihn an, abwesend, verwirrt. Kommen Sie, sagte er, legen Sie sich aufs Sofa. Sie müssen ruhen! Kommen Sie, ich werde Ihnen helfen! Er faßte sie unter den Arm und half ihr aufzustehn. Sie gingen ein paar Schritte bis an das Sofa in der Ecke. Da merkte er, daß sie kurz davor war Zu fallen. Und er nahm ihre kleine Gestalt auf den einen Arm und trug sie durch das Zimmer. Sie legte die Arme um seinen Hals. Er kniete vor dem Sofa nieder und bettete sie hin. Aber sie nahm die Arme nicht von seinem Halse, und er blieb vor ihr liegen. Sie jammerte laut, und er hob seine eine Hand in ^e Höhe und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. Dann strich er ihr über Haar. So, nun müssen Sie ruhen! Ruhen! Sie sind jetzt zu müde, wissen Sie. So so ^_ Ach! stöhnte sie und preßte sich an ihn in heftiger Erregung. Und dann brachen sich die Trä'nen Bahn. Es ivährte lange. Sie weinte herzzerbrechend, und er strich ihr über das Haar und sagte nichts. Endlich wurde sie ruhiger. Sie jammerte nnr noch ^ise, während die Tränen rannen. Er zog sein Taschentuch aus der Tasche, be¬ trachtete es einen Augenblick kritisch und fing dann an, ihre Wangen und Augen ^ trocknen. Sie sah mit einem Auflug von einem Lächeln zu ihm auf. Legen Sie sich jetzt hin und ruhen Sie ein wenig. So — ja! Er half '?r, sich auf dem Sofa auszustrecken, sah sich um, entdeckte eine Schlummerdecke über einem Schaukelstuhl. Die holte er und breitete sie über sie. Dann schob er "und noch ein paar Rückenkissen unter ihren Kopf. Sie versau! in einen Schlummer. Er bewachte sie eine Weile und ging dann ""f den Zehen auf die Diele und in die Küche. ^Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/303>, abgerufen am 22.07.2024.