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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Julius Oolfs exakte Sationalökonoiiiie

einem jeden ein jedes Gut wert ist, so gibt es, weil dieser Wert ganz subjektiv
ist (dem Kinde ist seine Puppe mehr wert als ein Rittergut, als ein König¬
reich), für ihn überhaupt keinen Maßstab. Versteht man jedoch unter Wert
weiter nichts, als was jede Ware auf dem Markte gilt, so muß es natürlich
dafür einen Maßstab geben, und dieser ist eben das Geld. Es hat keinen
Zweck, für den leichtverständlichen und allgemein üblichen Ausdruck "Wert¬
messer" einen neuen, etwa "Bezogenheit" einzuführen. "Für die Funktion
des Geldes ist innerer Wert des Geldstoffes (oder stete, gesetzlich festgelegte
Austauschbarkeit gegen solchen, Einlösbarkeit) nicht, notwendig, vielmehr kann
Autoritäts- oder Kouventions-(Fiduziär-) Geld völlig die Rolle des Geldes
mit Stoffwert übernehmen." Gewiß, aber auf wie lange, und fehlende Deckung
vorausgesetzt, mit welchen Nachteilen? Man erinnere sich der letzten Geld¬
klemme und daran, daß der Goldschatz der Russen ihre militärischen Nieder¬
lagen im japanischen Kriege aufgewogen hat. Hier wirken wohl bei Wolf die
Eindrücke der in Österreich verlebten Jngend nach. Unter den mancherlei Ein-
tommenartcu würdigt Wolf auch das "Beuteeinkommen" (das aus der, mit¬
unter für diesen Zweck erst geschaffnen, Zwangslage des Ausgebeuteten sowie
aus Übervorteilung und Betrug gewonnen wird), das Spicleinkommen, das
Glücks-, das Konjunkturaleinkommen (den Charakter eines solchen trägt auch
zu einem großen Teil der Unternehmergewinn, obgleich er an sich ehrlich ver¬
dienter Arbeitslohn ist) und das Passiveinkommen: ein Einkommenzuwachs,
der bei Verbilligung von Waren jedem Käufer ohne sein Zutun zufließt. In
der "Theorie des Honorars" wird gesagt: "Das Honorar des Schauspielers,
Sängers vor einer großen Theater- oder Konzertversammlung ist von sehr
viel größerer Ausdehnungsfähigkeit als das des Urwalds, des Arztes, wo
Behandlung des Einzelfalls notwendig, summarische Behandlung Hunderter
und Tausender unmöglich; über das Honorar des Sängers geht aber das des
Schriftstellers, des Zeichners, Stechers usw. (nicht in gleicher Weise des Malers,
da hier das Original die Leistung darstellt) hinaus, insofern deren Leistungen
unbeschränkte Reproduktionsfühigkeit besitzen." Die Fähigkeit ist freilich bei
allen literarischen Werken vorhanden, aktuell aber wird sie bloß, wenn man
ein Zola oder ein Scharfrichter Krauts ist. Deren Zahl ist aber so gering,
daß die Opernsänger und Schauspieler, von denen viele Ministereinkommen
haben, den Schriftstellern in Beziehung ans Honorarhöhe wohl den Rang ab¬
laufen mögen. In neuerer Zeit hat freilich die Tantiemenordnung auch den
erfolgreichen Theaterdichtern (und den Opercttenkomponisten) sehr hohe Ein¬
nahmen gesichert. Daß sich Kupferstecher und Zeichner besser stehn sollen als
die Lenbach, Adolf Menzel, Millet ist mir neu.

Sehr oft habe ich gezeigt, wie in allen menschlichen Dingen, auch in den
volkswirtschaftlichen, dafür gesorgt ist, daß die Bäume nicht in den Himmel
wachsen. Es freut mich darum, daß Wolf diese Wahrheit sehr kräftig hervor¬
hebt und lehrt, es gebe überall ein Maximum, über das hinaus Fortschritt


Julius Oolfs exakte Sationalökonoiiiie

einem jeden ein jedes Gut wert ist, so gibt es, weil dieser Wert ganz subjektiv
ist (dem Kinde ist seine Puppe mehr wert als ein Rittergut, als ein König¬
reich), für ihn überhaupt keinen Maßstab. Versteht man jedoch unter Wert
weiter nichts, als was jede Ware auf dem Markte gilt, so muß es natürlich
dafür einen Maßstab geben, und dieser ist eben das Geld. Es hat keinen
Zweck, für den leichtverständlichen und allgemein üblichen Ausdruck „Wert¬
messer" einen neuen, etwa „Bezogenheit" einzuführen. „Für die Funktion
des Geldes ist innerer Wert des Geldstoffes (oder stete, gesetzlich festgelegte
Austauschbarkeit gegen solchen, Einlösbarkeit) nicht, notwendig, vielmehr kann
Autoritäts- oder Kouventions-(Fiduziär-) Geld völlig die Rolle des Geldes
mit Stoffwert übernehmen." Gewiß, aber auf wie lange, und fehlende Deckung
vorausgesetzt, mit welchen Nachteilen? Man erinnere sich der letzten Geld¬
klemme und daran, daß der Goldschatz der Russen ihre militärischen Nieder¬
lagen im japanischen Kriege aufgewogen hat. Hier wirken wohl bei Wolf die
Eindrücke der in Österreich verlebten Jngend nach. Unter den mancherlei Ein-
tommenartcu würdigt Wolf auch das „Beuteeinkommen" (das aus der, mit¬
unter für diesen Zweck erst geschaffnen, Zwangslage des Ausgebeuteten sowie
aus Übervorteilung und Betrug gewonnen wird), das Spicleinkommen, das
Glücks-, das Konjunkturaleinkommen (den Charakter eines solchen trägt auch
zu einem großen Teil der Unternehmergewinn, obgleich er an sich ehrlich ver¬
dienter Arbeitslohn ist) und das Passiveinkommen: ein Einkommenzuwachs,
der bei Verbilligung von Waren jedem Käufer ohne sein Zutun zufließt. In
der „Theorie des Honorars" wird gesagt: „Das Honorar des Schauspielers,
Sängers vor einer großen Theater- oder Konzertversammlung ist von sehr
viel größerer Ausdehnungsfähigkeit als das des Urwalds, des Arztes, wo
Behandlung des Einzelfalls notwendig, summarische Behandlung Hunderter
und Tausender unmöglich; über das Honorar des Sängers geht aber das des
Schriftstellers, des Zeichners, Stechers usw. (nicht in gleicher Weise des Malers,
da hier das Original die Leistung darstellt) hinaus, insofern deren Leistungen
unbeschränkte Reproduktionsfühigkeit besitzen." Die Fähigkeit ist freilich bei
allen literarischen Werken vorhanden, aktuell aber wird sie bloß, wenn man
ein Zola oder ein Scharfrichter Krauts ist. Deren Zahl ist aber so gering,
daß die Opernsänger und Schauspieler, von denen viele Ministereinkommen
haben, den Schriftstellern in Beziehung ans Honorarhöhe wohl den Rang ab¬
laufen mögen. In neuerer Zeit hat freilich die Tantiemenordnung auch den
erfolgreichen Theaterdichtern (und den Opercttenkomponisten) sehr hohe Ein¬
nahmen gesichert. Daß sich Kupferstecher und Zeichner besser stehn sollen als
die Lenbach, Adolf Menzel, Millet ist mir neu.

Sehr oft habe ich gezeigt, wie in allen menschlichen Dingen, auch in den
volkswirtschaftlichen, dafür gesorgt ist, daß die Bäume nicht in den Himmel
wachsen. Es freut mich darum, daß Wolf diese Wahrheit sehr kräftig hervor¬
hebt und lehrt, es gebe überall ein Maximum, über das hinaus Fortschritt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/234>, abgerufen am 22.07.2024.