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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Amurbahn

Steuer aufbauen. Wichtige Steuervorteile würden verschwinden, die die Ver¬
bindung der Einkommen- und der Erbschaftssteuer -- die Schenkungssteuer in-
begriffen -- für die Kontrolle der Erfüllung der Steuerpflicht hat, gar nicht
zu sprechen von den bekannten Gründen gegen die Einführung einer einzigen
Steuer. Zu einem Zeitpunkt aber, wo im Deutschen Reiche der Plan erwogen
werden muß, der Durchführung einer Nachlaßsteuer näherzutreten, dürfen
die Tatsachen der englischen Erbschaftssteuer auch bei uns erhöhte Beachtung
beanspruchen. Denn wenn auch die Verhältnisse einigermaßen verschieden sind,
insbesondre die Unterschiede in der Verteilung des Besitzes bei uns auch noch
nicht annähernd so groß sind wie in England, so lassen sich doch aus den
englischen Methoden und Erfahrungen mutatis mutimäis auch für uns eine
Reihe lehrreicher Schlußfolgerungen ziehen.




T>le Amurbahn

8^> is die dritte Duma im Frühjahr der Vorlage über den Bau der
Amurbahn zugestimmt hatte, setzte sich mit ihrer Entscheidung in
Widerspruch eine nicht unbeträchtliche Minorität des Reichsrath,
der in diesem Falle seine Aufgabe als Oberhaus wirklich sehr
! ernst genommen und die Freunde der Vorlage und die Minister
zu bedeutsamen Äußerungen über die schwebende Frage, d. h. über die Weiter¬
führung der russische!? Kolonialpolitik veranlaßt hatte. Selbst Graf Witte hatte
sich zu dieser Minderheit geschlagen und machte seine auf allerdings sehr ge¬
nauer Kenntnis der wirtschaftlichen Kräfte des Reiches gegründeten Bedenken
vornehmlich finanzieller Natur geltend. Aus den sonstigen Einwendungen der
Minderheit verdienten die Bemerkungen besondre Beachtung, daß es nicht leicht
sein werde, die Vereinigungspunkte der neuen Bahnverbindung mit der bis¬
herigen durchgehenden Bahnlinie nach Wladiwostok, nämlich die Stationen
Karymskcija und Nikolsk-Ussuriisk und schließlich die ganze Eisenbahn aus¬
reichend militärisch zu schützen, ferner, daß der erwartete Zustrom von russischen
Auswandrern nach Amurland ausbleiben könne, dagegen Japaner, Chinesen
und Koreaner das Land überschwemmen würden, endlich daß der an sich schon
teure Bahnbau in weiterer Folge zu weitern Unsummen von Unkosten zwingen
werde, um das durch die große Kapitalanlage wertvoller gewordne Amurland
halten zu können.

Auch wenn man nicht von der Berechtigung der historischen Aufgabe
Rußlands, dem Streben nach dem Stillen Ozean und einem eisfreien Hafen
an seinen Gestaden überzeugt ist, wird mau zugeben müssen, daß es das Zaren¬
reich seiner stark erschütterten Großmachtstellung im fernen Osten unbedingt


Die Amurbahn

Steuer aufbauen. Wichtige Steuervorteile würden verschwinden, die die Ver¬
bindung der Einkommen- und der Erbschaftssteuer — die Schenkungssteuer in-
begriffen — für die Kontrolle der Erfüllung der Steuerpflicht hat, gar nicht
zu sprechen von den bekannten Gründen gegen die Einführung einer einzigen
Steuer. Zu einem Zeitpunkt aber, wo im Deutschen Reiche der Plan erwogen
werden muß, der Durchführung einer Nachlaßsteuer näherzutreten, dürfen
die Tatsachen der englischen Erbschaftssteuer auch bei uns erhöhte Beachtung
beanspruchen. Denn wenn auch die Verhältnisse einigermaßen verschieden sind,
insbesondre die Unterschiede in der Verteilung des Besitzes bei uns auch noch
nicht annähernd so groß sind wie in England, so lassen sich doch aus den
englischen Methoden und Erfahrungen mutatis mutimäis auch für uns eine
Reihe lehrreicher Schlußfolgerungen ziehen.




T>le Amurbahn

8^> is die dritte Duma im Frühjahr der Vorlage über den Bau der
Amurbahn zugestimmt hatte, setzte sich mit ihrer Entscheidung in
Widerspruch eine nicht unbeträchtliche Minorität des Reichsrath,
der in diesem Falle seine Aufgabe als Oberhaus wirklich sehr
! ernst genommen und die Freunde der Vorlage und die Minister
zu bedeutsamen Äußerungen über die schwebende Frage, d. h. über die Weiter¬
führung der russische!? Kolonialpolitik veranlaßt hatte. Selbst Graf Witte hatte
sich zu dieser Minderheit geschlagen und machte seine auf allerdings sehr ge¬
nauer Kenntnis der wirtschaftlichen Kräfte des Reiches gegründeten Bedenken
vornehmlich finanzieller Natur geltend. Aus den sonstigen Einwendungen der
Minderheit verdienten die Bemerkungen besondre Beachtung, daß es nicht leicht
sein werde, die Vereinigungspunkte der neuen Bahnverbindung mit der bis¬
herigen durchgehenden Bahnlinie nach Wladiwostok, nämlich die Stationen
Karymskcija und Nikolsk-Ussuriisk und schließlich die ganze Eisenbahn aus¬
reichend militärisch zu schützen, ferner, daß der erwartete Zustrom von russischen
Auswandrern nach Amurland ausbleiben könne, dagegen Japaner, Chinesen
und Koreaner das Land überschwemmen würden, endlich daß der an sich schon
teure Bahnbau in weiterer Folge zu weitern Unsummen von Unkosten zwingen
werde, um das durch die große Kapitalanlage wertvoller gewordne Amurland
halten zu können.

Auch wenn man nicht von der Berechtigung der historischen Aufgabe
Rußlands, dem Streben nach dem Stillen Ozean und einem eisfreien Hafen
an seinen Gestaden überzeugt ist, wird mau zugeben müssen, daß es das Zaren¬
reich seiner stark erschütterten Großmachtstellung im fernen Osten unbedingt


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[0222] Die Amurbahn Steuer aufbauen. Wichtige Steuervorteile würden verschwinden, die die Ver¬ bindung der Einkommen- und der Erbschaftssteuer — die Schenkungssteuer in- begriffen — für die Kontrolle der Erfüllung der Steuerpflicht hat, gar nicht zu sprechen von den bekannten Gründen gegen die Einführung einer einzigen Steuer. Zu einem Zeitpunkt aber, wo im Deutschen Reiche der Plan erwogen werden muß, der Durchführung einer Nachlaßsteuer näherzutreten, dürfen die Tatsachen der englischen Erbschaftssteuer auch bei uns erhöhte Beachtung beanspruchen. Denn wenn auch die Verhältnisse einigermaßen verschieden sind, insbesondre die Unterschiede in der Verteilung des Besitzes bei uns auch noch nicht annähernd so groß sind wie in England, so lassen sich doch aus den englischen Methoden und Erfahrungen mutatis mutimäis auch für uns eine Reihe lehrreicher Schlußfolgerungen ziehen. T>le Amurbahn 8^> is die dritte Duma im Frühjahr der Vorlage über den Bau der Amurbahn zugestimmt hatte, setzte sich mit ihrer Entscheidung in Widerspruch eine nicht unbeträchtliche Minorität des Reichsrath, der in diesem Falle seine Aufgabe als Oberhaus wirklich sehr ! ernst genommen und die Freunde der Vorlage und die Minister zu bedeutsamen Äußerungen über die schwebende Frage, d. h. über die Weiter¬ führung der russische!? Kolonialpolitik veranlaßt hatte. Selbst Graf Witte hatte sich zu dieser Minderheit geschlagen und machte seine auf allerdings sehr ge¬ nauer Kenntnis der wirtschaftlichen Kräfte des Reiches gegründeten Bedenken vornehmlich finanzieller Natur geltend. Aus den sonstigen Einwendungen der Minderheit verdienten die Bemerkungen besondre Beachtung, daß es nicht leicht sein werde, die Vereinigungspunkte der neuen Bahnverbindung mit der bis¬ herigen durchgehenden Bahnlinie nach Wladiwostok, nämlich die Stationen Karymskcija und Nikolsk-Ussuriisk und schließlich die ganze Eisenbahn aus¬ reichend militärisch zu schützen, ferner, daß der erwartete Zustrom von russischen Auswandrern nach Amurland ausbleiben könne, dagegen Japaner, Chinesen und Koreaner das Land überschwemmen würden, endlich daß der an sich schon teure Bahnbau in weiterer Folge zu weitern Unsummen von Unkosten zwingen werde, um das durch die große Kapitalanlage wertvoller gewordne Amurland halten zu können. Auch wenn man nicht von der Berechtigung der historischen Aufgabe Rußlands, dem Streben nach dem Stillen Ozean und einem eisfreien Hafen an seinen Gestaden überzeugt ist, wird mau zugeben müssen, daß es das Zaren¬ reich seiner stark erschütterten Großmachtstellung im fernen Osten unbedingt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/222>, abgerufen am 22.07.2024.