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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Ldmond Rostand

Studiums, subjektive Einzelheiten aus literarischen Denkmälern zu fördern. Nun
finden sich aber in dieser ersten und bisher einzigen Prosaschrift Nostcmds in
scheinbarer Übertragung auf Henri de Bornier oder als spontane Äußerung
der Ansichten des rsoipisnäairö so viele Ideen, die an sein eignes Werk an¬
klingen, daß wir seine Rede als wertvolles Dokument für die Beurteilung seiner
dichterischen Persönlichkeit ansehen können.

Der blaue Himmel der Provence, die strahlende Sonne seiner Heimat
leuchtet über Nostcmds Werk. Das verträumte Wesen des Südländers, der
Charakter des alten Galliers mit seiner Vorliebe für witzige Rede, die echt
französische Waffenfreudigkeit brechen in allen führenden Gestalten der Nostandschen
Dramen durch.

Eine Überlieferung des sagenreichen Südens bildet denn auch den Ring,
der die Rede des Dichters zu Ehren seines Vorgängers und Landsmannes um¬
schließt. Nostand gedenkt eines Liedes I^on Zeus ac Iiuneä..., das von den
Leuten erzählt, die mit ihren Netzen ausziehen, um auf dem Grunde des klaren
Wassers das Spiegelbild des Mondes zu fischen. Uistvirs ä'un xöellcmi' as
illos schien Nostand der geeignete Titel für seine Lebensbeschreibung Henri
de Borniers, und damit charakterisiert er seine eigne dichterische Tätigkeit. Man
braucht gar nicht daran zu denken, daß der historische Cyrcmo die Geschichte
seiner Mondfahrten geschrieben hat, man kann auch über die groteske Dar¬
stellung der Mondreise des Helden in Rostands Li^raro hinwegsehen, die ganzen
Stoffe unsers Dichters erinnern an das weltenfremde, romantische Gebaren
der pöollöurs av kunst.

Die beiden Liebenden der Hoilikmescines, die mir in allen Formen roman¬
hafter Abenteuer miteinander vereinigt sein wollen, Jvffroy Nudel, der eine
Dame in Liedern verherrlicht, die er nie gesehen hat; Cyrano, der seinen Geist
dem schönen Christian leiht, damit dieser von den schwellenden Lippen Noxcmcns
den süßen Lohn einheimse, an dem er nun doch auch gewissen Anteil hat, der
Tollkopf Flambeau, der in der Uniform der AwMku-Zs der Alten Garde all¬
nächtlich in Schönbrunn seinen jungen kaiserlichen Herrn bewacht, der junge
Adler selbst in seinem Hamletwesen, sich verzehrend in dem Bemühen, einer
Aufgabe gerecht zu werden, für die es ihm an Kraft und Entschlossenheit fehlt:
Poeten, Phantasten, ilinsarcis wie Bornier und Nostand selbst, xvczllsnrs ac
kunst sind sie alle.

Schon die Verwertung dieses einen Motivs zeigt, wie Nostand seinem
Vorgänger nahe zu kommeu sucht. Hier hören wir nicht die hohlen Lobreden
einer auf Effekt berechneten Rhetorik, nein, Nostand fühlt sich seinem roman¬
tischen Landsmanne als Mensch und Dichter in mehr als einer Hinsicht ver¬
wandt. Deshalb der persönliche Ton, der durch die Rede klingt, deshalb ihre
Bedeutung als autobiographisches Dokument. Die vornehmste Betätigung des
dichterischen Genius sieht Nostand im Drama. Um dies verstehen zu können,
muß man wissen, welche hohe Auffassung unser Dichter vom Theater hat. Er


Ldmond Rostand

Studiums, subjektive Einzelheiten aus literarischen Denkmälern zu fördern. Nun
finden sich aber in dieser ersten und bisher einzigen Prosaschrift Nostcmds in
scheinbarer Übertragung auf Henri de Bornier oder als spontane Äußerung
der Ansichten des rsoipisnäairö so viele Ideen, die an sein eignes Werk an¬
klingen, daß wir seine Rede als wertvolles Dokument für die Beurteilung seiner
dichterischen Persönlichkeit ansehen können.

Der blaue Himmel der Provence, die strahlende Sonne seiner Heimat
leuchtet über Nostcmds Werk. Das verträumte Wesen des Südländers, der
Charakter des alten Galliers mit seiner Vorliebe für witzige Rede, die echt
französische Waffenfreudigkeit brechen in allen führenden Gestalten der Nostandschen
Dramen durch.

Eine Überlieferung des sagenreichen Südens bildet denn auch den Ring,
der die Rede des Dichters zu Ehren seines Vorgängers und Landsmannes um¬
schließt. Nostand gedenkt eines Liedes I^on Zeus ac Iiuneä..., das von den
Leuten erzählt, die mit ihren Netzen ausziehen, um auf dem Grunde des klaren
Wassers das Spiegelbild des Mondes zu fischen. Uistvirs ä'un xöellcmi' as
illos schien Nostand der geeignete Titel für seine Lebensbeschreibung Henri
de Borniers, und damit charakterisiert er seine eigne dichterische Tätigkeit. Man
braucht gar nicht daran zu denken, daß der historische Cyrcmo die Geschichte
seiner Mondfahrten geschrieben hat, man kann auch über die groteske Dar¬
stellung der Mondreise des Helden in Rostands Li^raro hinwegsehen, die ganzen
Stoffe unsers Dichters erinnern an das weltenfremde, romantische Gebaren
der pöollöurs av kunst.

Die beiden Liebenden der Hoilikmescines, die mir in allen Formen roman¬
hafter Abenteuer miteinander vereinigt sein wollen, Jvffroy Nudel, der eine
Dame in Liedern verherrlicht, die er nie gesehen hat; Cyrano, der seinen Geist
dem schönen Christian leiht, damit dieser von den schwellenden Lippen Noxcmcns
den süßen Lohn einheimse, an dem er nun doch auch gewissen Anteil hat, der
Tollkopf Flambeau, der in der Uniform der AwMku-Zs der Alten Garde all¬
nächtlich in Schönbrunn seinen jungen kaiserlichen Herrn bewacht, der junge
Adler selbst in seinem Hamletwesen, sich verzehrend in dem Bemühen, einer
Aufgabe gerecht zu werden, für die es ihm an Kraft und Entschlossenheit fehlt:
Poeten, Phantasten, ilinsarcis wie Bornier und Nostand selbst, xvczllsnrs ac
kunst sind sie alle.

Schon die Verwertung dieses einen Motivs zeigt, wie Nostand seinem
Vorgänger nahe zu kommeu sucht. Hier hören wir nicht die hohlen Lobreden
einer auf Effekt berechneten Rhetorik, nein, Nostand fühlt sich seinem roman¬
tischen Landsmanne als Mensch und Dichter in mehr als einer Hinsicht ver¬
wandt. Deshalb der persönliche Ton, der durch die Rede klingt, deshalb ihre
Bedeutung als autobiographisches Dokument. Die vornehmste Betätigung des
dichterischen Genius sieht Nostand im Drama. Um dies verstehen zu können,
muß man wissen, welche hohe Auffassung unser Dichter vom Theater hat. Er


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[0092] Ldmond Rostand Studiums, subjektive Einzelheiten aus literarischen Denkmälern zu fördern. Nun finden sich aber in dieser ersten und bisher einzigen Prosaschrift Nostcmds in scheinbarer Übertragung auf Henri de Bornier oder als spontane Äußerung der Ansichten des rsoipisnäairö so viele Ideen, die an sein eignes Werk an¬ klingen, daß wir seine Rede als wertvolles Dokument für die Beurteilung seiner dichterischen Persönlichkeit ansehen können. Der blaue Himmel der Provence, die strahlende Sonne seiner Heimat leuchtet über Nostcmds Werk. Das verträumte Wesen des Südländers, der Charakter des alten Galliers mit seiner Vorliebe für witzige Rede, die echt französische Waffenfreudigkeit brechen in allen führenden Gestalten der Nostandschen Dramen durch. Eine Überlieferung des sagenreichen Südens bildet denn auch den Ring, der die Rede des Dichters zu Ehren seines Vorgängers und Landsmannes um¬ schließt. Nostand gedenkt eines Liedes I^on Zeus ac Iiuneä..., das von den Leuten erzählt, die mit ihren Netzen ausziehen, um auf dem Grunde des klaren Wassers das Spiegelbild des Mondes zu fischen. Uistvirs ä'un xöellcmi' as illos schien Nostand der geeignete Titel für seine Lebensbeschreibung Henri de Borniers, und damit charakterisiert er seine eigne dichterische Tätigkeit. Man braucht gar nicht daran zu denken, daß der historische Cyrcmo die Geschichte seiner Mondfahrten geschrieben hat, man kann auch über die groteske Dar¬ stellung der Mondreise des Helden in Rostands Li^raro hinwegsehen, die ganzen Stoffe unsers Dichters erinnern an das weltenfremde, romantische Gebaren der pöollöurs av kunst. Die beiden Liebenden der Hoilikmescines, die mir in allen Formen roman¬ hafter Abenteuer miteinander vereinigt sein wollen, Jvffroy Nudel, der eine Dame in Liedern verherrlicht, die er nie gesehen hat; Cyrano, der seinen Geist dem schönen Christian leiht, damit dieser von den schwellenden Lippen Noxcmcns den süßen Lohn einheimse, an dem er nun doch auch gewissen Anteil hat, der Tollkopf Flambeau, der in der Uniform der AwMku-Zs der Alten Garde all¬ nächtlich in Schönbrunn seinen jungen kaiserlichen Herrn bewacht, der junge Adler selbst in seinem Hamletwesen, sich verzehrend in dem Bemühen, einer Aufgabe gerecht zu werden, für die es ihm an Kraft und Entschlossenheit fehlt: Poeten, Phantasten, ilinsarcis wie Bornier und Nostand selbst, xvczllsnrs ac kunst sind sie alle. Schon die Verwertung dieses einen Motivs zeigt, wie Nostand seinem Vorgänger nahe zu kommeu sucht. Hier hören wir nicht die hohlen Lobreden einer auf Effekt berechneten Rhetorik, nein, Nostand fühlt sich seinem roman¬ tischen Landsmanne als Mensch und Dichter in mehr als einer Hinsicht ver¬ wandt. Deshalb der persönliche Ton, der durch die Rede klingt, deshalb ihre Bedeutung als autobiographisches Dokument. Die vornehmste Betätigung des dichterischen Genius sieht Nostand im Drama. Um dies verstehen zu können, muß man wissen, welche hohe Auffassung unser Dichter vom Theater hat. Er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/92>, abgerufen am 26.06.2024.