Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Bilder aus der Grafschaft Glotz haben. Es schien nicht unmöglich, Österreich herüberzuziehen, in Süddeutschland, Während seiner langen Abwesenheit waren seine Gesinnungsgenossen nicht Unter solchen Umständen ergriff Götzen mit fester Hand die Zügel. Er Bilder aus der Grafschaft Glotz haben. Es schien nicht unmöglich, Österreich herüberzuziehen, in Süddeutschland, Während seiner langen Abwesenheit waren seine Gesinnungsgenossen nicht Unter solchen Umständen ergriff Götzen mit fester Hand die Zügel. Er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0700" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/304116"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus der Grafschaft Glotz</fw><lb/> <p xml:id="ID_3020" prev="#ID_3019"> haben. Es schien nicht unmöglich, Österreich herüberzuziehen, in Süddeutschland,<lb/> namentlich in den fränkischen Fürstentümern, den Aufstand mit dem Fichtel¬<lb/> gebirge als Rückhalt zu organisieren. Aber bestimmte Zusicherungen hatte<lb/> Götzen doch nicht erlangt, als er am Abend des 18. März Wien verließ; mit<lb/> Mühe, in Gefahr noch, auf glatzischem Gebiete von den Franzosen abgefangen<lb/> zu werden, erreichte er erst am 23. zu Pferde Glatz. Wenige Tage später, am<lb/> 27. erhielt er die Kabinettsorder, die ihn zum Generalgouvemeur von Schlesien<lb/> ernannte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3021"> Während seiner langen Abwesenheit waren seine Gesinnungsgenossen nicht<lb/> müßig gewesen, begünstigt dadurch, daß die Feinde schon am 23. Februar Wartha<lb/> geräumt und damit die Grafschaft überhaupt verlassen hatten, und daß die<lb/> bayrische Division Wrede nach der Schlacht bei Eylau nach Warschau gezogen<lb/> worden war. So gelang es dem Freiherrn Ernst von Lüttwitz als Kriegs¬<lb/> kommissar, nachdem er sich von dem Fürsten Pleß getrennt hatte, im versteckten<lb/> Landeck, Versprengte zu dem schlesischen Nationalschützenbataillon zu formieren,<lb/> später in Glatz mit andern Offizieren andre Truppenteile aufzustellen. Kecke<lb/> Streifscharen, namentlich die des Leutnants Hirschfeld, schweiften bis tief nach<lb/> Schlesien hinein, brachten Pferde, Rekruten, Gewehre, Uniformen und Geld¬<lb/> beträge mit nach Hause. Auch gelang es, manche gefangnen Offiziere durch<lb/> Auswechslung zu befreien.</p><lb/> <p xml:id="ID_3022"> Unter solchen Umständen ergriff Götzen mit fester Hand die Zügel. Er<lb/> teilte zunächst den Kommandanten der Festungen, die er noch in der Hand hielt,<lb/> seine Ernennung mit und bildete sich einen tüchtigen Stab von Offizieren und<lb/> Beamten. Was er in Glatz an Truppen vorfand, das waren zunächst etwa<lb/> 5200 Mann Garnison, von denen aber nur 3000 Gewehre hatten, an Feld¬<lb/> truppen nur 350 Mann Infanterie und 190 mangelhaft berittne Reiter, alle<lb/> nur notdürftig ausgerüstet, die Infanterie teilweise in Bauernjacken, mit Jagd¬<lb/> flinten, Piken oder gar nur mit einem Knüppel bewaffnet, die Reiter mit Decken<lb/> statt der Sättel, Trensen ohne Kandare und Nägeln statt der Sporen. Dabei<lb/> war Glatz wie Silberberg noch ganz unzureichend armiert und verproviantiert.<lb/> Götzen sorgte für beides, hob fünfhundert Rekruten in den von ihm noch be¬<lb/> herrschten Bezirken aus, sammelte entkommne („ranzionierte") Kriegsgefangne<lb/> und Freiwillige: Gutsbesitzer, Juristen, Bergleute, Studenten und andre Leute<lb/> gebildeten Standes, und stellte so in wenigen Wochen im ganzen 7000 Mann<lb/> für den Felddienst auf. Eine so gebildete Truppe, die unter den schwierigsten<lb/> Umständen und den härtesten Entbehrungen Dienste tat, konnte er nicht mehr<lb/> mit dem Stocke regieren. Er schaffte die körperlichen Strafen ab, weckte den<lb/> Ehrgeiz durch freies Avancement in allen Graden, nur nach der vor dem Feinde<lb/> bewiesnen Tüchtigkeit ohne Rücksicht auf den Stand, beseitigte die alte verderb¬<lb/> liche Kvmpagniewirtschaft, die aus dem Hauptmann und dem Rittmeister eine<lb/> Art von spekulierendem Unternehmer gemacht hatte, stellte einen neuen Be¬<lb/> soldungsetat auf, kurz, er schuf hier mitten im Winter in dieser Gebirgs- und<lb/> Grenzlandschaft mit den knappsten Mitteln und ganz selbständig die Anfänge<lb/> eines modernen Heeres. Besondre Inspektionen überwachten den Dienst der<lb/> Kavallerie und der Infanterie, die im zerstreuten Gefecht geübt wurde, eine<lb/> Remontekommission sorgte für die Beschaffung von Pferden, eine Intendantur<lb/> für die Verpflegung. In Glatz wurde eine Gewehrfabrik eingerichtet, in Reinerz<lb/> eine Geschützgießerei, anderwärts Pulvermühlen, obwohl auch Pulver mit<lb/> schweren Mühen über die Grenze hereingebracht wurde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0700]
Bilder aus der Grafschaft Glotz
haben. Es schien nicht unmöglich, Österreich herüberzuziehen, in Süddeutschland,
namentlich in den fränkischen Fürstentümern, den Aufstand mit dem Fichtel¬
gebirge als Rückhalt zu organisieren. Aber bestimmte Zusicherungen hatte
Götzen doch nicht erlangt, als er am Abend des 18. März Wien verließ; mit
Mühe, in Gefahr noch, auf glatzischem Gebiete von den Franzosen abgefangen
zu werden, erreichte er erst am 23. zu Pferde Glatz. Wenige Tage später, am
27. erhielt er die Kabinettsorder, die ihn zum Generalgouvemeur von Schlesien
ernannte.
Während seiner langen Abwesenheit waren seine Gesinnungsgenossen nicht
müßig gewesen, begünstigt dadurch, daß die Feinde schon am 23. Februar Wartha
geräumt und damit die Grafschaft überhaupt verlassen hatten, und daß die
bayrische Division Wrede nach der Schlacht bei Eylau nach Warschau gezogen
worden war. So gelang es dem Freiherrn Ernst von Lüttwitz als Kriegs¬
kommissar, nachdem er sich von dem Fürsten Pleß getrennt hatte, im versteckten
Landeck, Versprengte zu dem schlesischen Nationalschützenbataillon zu formieren,
später in Glatz mit andern Offizieren andre Truppenteile aufzustellen. Kecke
Streifscharen, namentlich die des Leutnants Hirschfeld, schweiften bis tief nach
Schlesien hinein, brachten Pferde, Rekruten, Gewehre, Uniformen und Geld¬
beträge mit nach Hause. Auch gelang es, manche gefangnen Offiziere durch
Auswechslung zu befreien.
Unter solchen Umständen ergriff Götzen mit fester Hand die Zügel. Er
teilte zunächst den Kommandanten der Festungen, die er noch in der Hand hielt,
seine Ernennung mit und bildete sich einen tüchtigen Stab von Offizieren und
Beamten. Was er in Glatz an Truppen vorfand, das waren zunächst etwa
5200 Mann Garnison, von denen aber nur 3000 Gewehre hatten, an Feld¬
truppen nur 350 Mann Infanterie und 190 mangelhaft berittne Reiter, alle
nur notdürftig ausgerüstet, die Infanterie teilweise in Bauernjacken, mit Jagd¬
flinten, Piken oder gar nur mit einem Knüppel bewaffnet, die Reiter mit Decken
statt der Sättel, Trensen ohne Kandare und Nägeln statt der Sporen. Dabei
war Glatz wie Silberberg noch ganz unzureichend armiert und verproviantiert.
Götzen sorgte für beides, hob fünfhundert Rekruten in den von ihm noch be¬
herrschten Bezirken aus, sammelte entkommne („ranzionierte") Kriegsgefangne
und Freiwillige: Gutsbesitzer, Juristen, Bergleute, Studenten und andre Leute
gebildeten Standes, und stellte so in wenigen Wochen im ganzen 7000 Mann
für den Felddienst auf. Eine so gebildete Truppe, die unter den schwierigsten
Umständen und den härtesten Entbehrungen Dienste tat, konnte er nicht mehr
mit dem Stocke regieren. Er schaffte die körperlichen Strafen ab, weckte den
Ehrgeiz durch freies Avancement in allen Graden, nur nach der vor dem Feinde
bewiesnen Tüchtigkeit ohne Rücksicht auf den Stand, beseitigte die alte verderb¬
liche Kvmpagniewirtschaft, die aus dem Hauptmann und dem Rittmeister eine
Art von spekulierendem Unternehmer gemacht hatte, stellte einen neuen Be¬
soldungsetat auf, kurz, er schuf hier mitten im Winter in dieser Gebirgs- und
Grenzlandschaft mit den knappsten Mitteln und ganz selbständig die Anfänge
eines modernen Heeres. Besondre Inspektionen überwachten den Dienst der
Kavallerie und der Infanterie, die im zerstreuten Gefecht geübt wurde, eine
Remontekommission sorgte für die Beschaffung von Pferden, eine Intendantur
für die Verpflegung. In Glatz wurde eine Gewehrfabrik eingerichtet, in Reinerz
eine Geschützgießerei, anderwärts Pulvermühlen, obwohl auch Pulver mit
schweren Mühen über die Grenze hereingebracht wurde.
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