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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Deutsch - amerikanische Angelegenheiten

noch ziemlich unbekannt, hatte er sich in kurzer Zeit zu der viel beneideten
Stellung eines "Leiters des materiellen Fortschritts unsrer Zeit" aufgeschwungen.
Der Spätsommer 1883 brachte ihm den Triumph der Eröffnungsfeier seiner
Northern Pacific-Bahn, die auf seine Einladung hin unter internationaler
Beteiligung erfolgte, aber schon am 17. Dezember führte die im Herbst aus-
gebrochne allgemeine Finanzkrise seinen Sturz herbei. Nach mehrjährigem
Aufenthalt in Deutschland kehrte er Ende 1886 als Vertreter deutscher Banken
nach Newyork zurück und nahm schon nach einem Jahre wieder an der Börse
die frühere Stellung als Eisenbahnkönig ein. Die Finanzkrise des Jahres 1893,
die Villard selbst als Folge der Shermanbill ansieht, brachte einen abermaligen
Zusammenbruch seiner Eisenbahnunternehmungen (Northern Pacific), von denen
er sich allerdings kurz vorher zurückgezogen hatte. Villard erklärt freilich, daß
das Resultat der Reorganisation der Gesellschaft nach dem Zusammenbruch
derartig gewesen sei, "daß niemand von denen, die im Besitze von Wertpapieren
der Gesellschaft waren, schließlich etwas einbüßte". Das mag sein, wie viele
aber vorher an den zuerst hinaufgetriebnen und dann wieder gefallnen Papieren
ihr Vermögen verloren haben, ist niemals festgestellt worden. Die "großen
Hände" verlieren ja bei Zusammenbrüchen niemals, wenn sie schließlich als Retter
in der Not auftreten und die gesunknen Effekten zu oder unter dem Werte
wieder aufnehmen, der einst bar für sie ausgegeben worden ist. Villard hatte
auch, obgleich er zurückgetreten war, öffentliche und gerichtliche Anfechtungen
auszuhalten, die aber sämtlich günstig für ihn ausgingen. Er zog sich ins
Privatleben zurück und beschäftigte sich mit der Ausarbeitung seiner Erinnerungen
und einer unvollendet gebliebner ausführlichen Geschichte des Sezessionskrieges.
Er ist am 12. November 1900 gestorben.

Eine ganz andre amerikanische Persönlichkeit als der Politiker Schurz ist
Hilgard-Villard nicht so ausschließlich Nordamerikaner geworden wie jener.
Er hängt noch sehr an der alten Heimat, in der er öfter verweilt. Auch seine
Vaterstadt, die Pfalz und sogar München bedenkt er mit reichen Schenkungen
und Stiftungen. Dabei ist er aber doch zu sehr Amerikaner geworden, als daß
er von der Größe des neuen Deutschen Reichs besonders ergriffen würde. Als
amerikanische Börsengröße in Deutschland anwesend, wurde er Ende 1890 vom
Reichskanzler Grafen Caprivi zu einer Besprechung eingeladen und hatte auch
im Sommer vorher eine Begegnung mit dem Fürsten Bismarck, den er in
Friedrichsruh aufsuchte, wo er zwei Tage verweilte. Als Freihändler und
Freund Bambergers stand er dem Altreichskanzler unzweifelhaft nicht unbefangen
gegenüber, trotzdem ist das, was Hilgard über Bismarcks Äußerungen so kurze
Zeit nach seinem Ausscheiden aus dem Amte mitteilt, höchst bemerkenswert. Der
Grundzug seiner Auffassung drückt sich am deutlichsten in folgenden Worten
über die Augen Bismarcks aus: "Diese Augen schienen unfähig, Zärtlichkeit
auszudrücken, und deren stahlühnliche Härte flößten ein gewisses Schaudern
vor dem großen Geiste, dem unbeugsamen Willen, dem herausfordernden Mut


Deutsch - amerikanische Angelegenheiten

noch ziemlich unbekannt, hatte er sich in kurzer Zeit zu der viel beneideten
Stellung eines „Leiters des materiellen Fortschritts unsrer Zeit" aufgeschwungen.
Der Spätsommer 1883 brachte ihm den Triumph der Eröffnungsfeier seiner
Northern Pacific-Bahn, die auf seine Einladung hin unter internationaler
Beteiligung erfolgte, aber schon am 17. Dezember führte die im Herbst aus-
gebrochne allgemeine Finanzkrise seinen Sturz herbei. Nach mehrjährigem
Aufenthalt in Deutschland kehrte er Ende 1886 als Vertreter deutscher Banken
nach Newyork zurück und nahm schon nach einem Jahre wieder an der Börse
die frühere Stellung als Eisenbahnkönig ein. Die Finanzkrise des Jahres 1893,
die Villard selbst als Folge der Shermanbill ansieht, brachte einen abermaligen
Zusammenbruch seiner Eisenbahnunternehmungen (Northern Pacific), von denen
er sich allerdings kurz vorher zurückgezogen hatte. Villard erklärt freilich, daß
das Resultat der Reorganisation der Gesellschaft nach dem Zusammenbruch
derartig gewesen sei, „daß niemand von denen, die im Besitze von Wertpapieren
der Gesellschaft waren, schließlich etwas einbüßte". Das mag sein, wie viele
aber vorher an den zuerst hinaufgetriebnen und dann wieder gefallnen Papieren
ihr Vermögen verloren haben, ist niemals festgestellt worden. Die „großen
Hände" verlieren ja bei Zusammenbrüchen niemals, wenn sie schließlich als Retter
in der Not auftreten und die gesunknen Effekten zu oder unter dem Werte
wieder aufnehmen, der einst bar für sie ausgegeben worden ist. Villard hatte
auch, obgleich er zurückgetreten war, öffentliche und gerichtliche Anfechtungen
auszuhalten, die aber sämtlich günstig für ihn ausgingen. Er zog sich ins
Privatleben zurück und beschäftigte sich mit der Ausarbeitung seiner Erinnerungen
und einer unvollendet gebliebner ausführlichen Geschichte des Sezessionskrieges.
Er ist am 12. November 1900 gestorben.

Eine ganz andre amerikanische Persönlichkeit als der Politiker Schurz ist
Hilgard-Villard nicht so ausschließlich Nordamerikaner geworden wie jener.
Er hängt noch sehr an der alten Heimat, in der er öfter verweilt. Auch seine
Vaterstadt, die Pfalz und sogar München bedenkt er mit reichen Schenkungen
und Stiftungen. Dabei ist er aber doch zu sehr Amerikaner geworden, als daß
er von der Größe des neuen Deutschen Reichs besonders ergriffen würde. Als
amerikanische Börsengröße in Deutschland anwesend, wurde er Ende 1890 vom
Reichskanzler Grafen Caprivi zu einer Besprechung eingeladen und hatte auch
im Sommer vorher eine Begegnung mit dem Fürsten Bismarck, den er in
Friedrichsruh aufsuchte, wo er zwei Tage verweilte. Als Freihändler und
Freund Bambergers stand er dem Altreichskanzler unzweifelhaft nicht unbefangen
gegenüber, trotzdem ist das, was Hilgard über Bismarcks Äußerungen so kurze
Zeit nach seinem Ausscheiden aus dem Amte mitteilt, höchst bemerkenswert. Der
Grundzug seiner Auffassung drückt sich am deutlichsten in folgenden Worten
über die Augen Bismarcks aus: „Diese Augen schienen unfähig, Zärtlichkeit
auszudrücken, und deren stahlühnliche Härte flößten ein gewisses Schaudern
vor dem großen Geiste, dem unbeugsamen Willen, dem herausfordernden Mut


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/623>, abgerufen am 23.07.2024.