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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

Nominalkapital von 230 Millionen Dollars (fast eine Milliarde Mark!)
von vornherein aus "Wasser" bestanden hat, wieviel von den papiernen.
fingierten Werten ans Publikum haben verkauft werden können, weiß man nicht.
Die "Macher" werden schon verstanden haben, sich rechtzeitig davonzumachen.
Jetzt ist die Gesellschaft völlig bankerott und unter obrigkeitliche Verwaltung
gestellt. Es wird keine Dividende mehr gezahlt, kaum können die äußern
Schulden gedeckt werden. Die Macher haben also das Wrack seinem Schicksal
überlassen.

Auf dem eigentlichen Gebiet des Bankwesens selbst sind die gröblichsten
Schwindeleien vorgekommen. Banken haben sich zu einem "Konzern" zusammen¬
getan, einen fingierten Kredit auf den andern gehäuft und damit das Publikum
angelockt, ihnen seine Ersparnisse zu bringen. Mit den Geldern sind dann ge¬
wagte Geschäfte gemacht worden. Wurde verdient, so gewann die kleine Gruppe
von Machern, die die beteiligten Banken "kontrollierten". Ging es schief, so
traf der ganze Schaden die Deponenden. Solange der "Boon" (der allgemeine
Aufschwung) dauert, brachten selbst die gewagten Geschäfte Gewinn; als nun
aber die Wendung kam, als die plötzliche Angst über die Deponenden kam, sodaß
sie sich an den Kassenschaltern drängten, vor allen Dingen, als ringsum die
Kurse stürzten und papierne Werte so wenig realisierbar waren, wie Schulden
eintreibbar, da waren schlechte Depositenbanken sofort insolvent. Und da die
Panik um sich griff, da überall die "Rums", das heißt der Ansturm auf die
Kassen, stattfanden, so konnten sogar gute Banken den Forderungen nicht so¬
gleich gerecht werden. Die Gouverneure der Staaten mußten helfen, indem sie
mehrere Tage zu gesetzlichen Feiertagen machten und so ein allgemeines Mora¬
torium schufen.

Seinen Ausgang hat der Krach von dem endlich gelingenden Vorgehn
Roosevelts gegen die'Eisenbahnen genommen. Die Trustherren verstärkten den
Eindruck, indem sie meinten, den Bundespräsidenten vor der ganzen Nation als
den Verantwortlicher Mann hinstellen zu können, der das Vermögen von
Millionen kleiner Leute vernichte. Längst hat sich das umgekehrt; sie selber
find die Angeklagten geworden. Unter ihren Fingern hat sich das oben in
einigen Beispielen geschilderte Getriebe ausgebildet. Die Notwendigkeit, fest in
das Wespennest hineinzugreifen, hat sich mit doppeltem Ernst gezeigt. Der
Zweite Stoß kam mit dem Zusammenbruch der Kupfersirma Hemtze und der mit
ihr liierten vinrsck eoxxsr Lompan?. Rockefeller und Genossen hatten durch
Erwürgung vieler kleinerer Kupferbergwerke einen allmächtigen Kupfertrust ge¬
bildet. Die Brüder Heintze sammelten nun alle geschädigten Interessenten,
bildeten einen oppositionellen Trust und kämpften gegen Rockefeller. Eine Zeit
lang wurden die Kupferpreise auf eine unsinnige Höhe getrieben. Dann mußte
wan zur Realisierung schreiten, und nun kamen überraschende Mengen verborgner
Vorräte zum Vorschein. Der Kupfermarkt brach vollständig zusammen, Heintzes
wurden bankerott. Ihrerseits waren sie stark liiert mit einem übel angeschriebnen


Grenzboten IV 1907 ^
Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

Nominalkapital von 230 Millionen Dollars (fast eine Milliarde Mark!)
von vornherein aus „Wasser" bestanden hat, wieviel von den papiernen.
fingierten Werten ans Publikum haben verkauft werden können, weiß man nicht.
Die „Macher" werden schon verstanden haben, sich rechtzeitig davonzumachen.
Jetzt ist die Gesellschaft völlig bankerott und unter obrigkeitliche Verwaltung
gestellt. Es wird keine Dividende mehr gezahlt, kaum können die äußern
Schulden gedeckt werden. Die Macher haben also das Wrack seinem Schicksal
überlassen.

Auf dem eigentlichen Gebiet des Bankwesens selbst sind die gröblichsten
Schwindeleien vorgekommen. Banken haben sich zu einem „Konzern" zusammen¬
getan, einen fingierten Kredit auf den andern gehäuft und damit das Publikum
angelockt, ihnen seine Ersparnisse zu bringen. Mit den Geldern sind dann ge¬
wagte Geschäfte gemacht worden. Wurde verdient, so gewann die kleine Gruppe
von Machern, die die beteiligten Banken „kontrollierten". Ging es schief, so
traf der ganze Schaden die Deponenden. Solange der „Boon" (der allgemeine
Aufschwung) dauert, brachten selbst die gewagten Geschäfte Gewinn; als nun
aber die Wendung kam, als die plötzliche Angst über die Deponenden kam, sodaß
sie sich an den Kassenschaltern drängten, vor allen Dingen, als ringsum die
Kurse stürzten und papierne Werte so wenig realisierbar waren, wie Schulden
eintreibbar, da waren schlechte Depositenbanken sofort insolvent. Und da die
Panik um sich griff, da überall die „Rums", das heißt der Ansturm auf die
Kassen, stattfanden, so konnten sogar gute Banken den Forderungen nicht so¬
gleich gerecht werden. Die Gouverneure der Staaten mußten helfen, indem sie
mehrere Tage zu gesetzlichen Feiertagen machten und so ein allgemeines Mora¬
torium schufen.

Seinen Ausgang hat der Krach von dem endlich gelingenden Vorgehn
Roosevelts gegen die'Eisenbahnen genommen. Die Trustherren verstärkten den
Eindruck, indem sie meinten, den Bundespräsidenten vor der ganzen Nation als
den Verantwortlicher Mann hinstellen zu können, der das Vermögen von
Millionen kleiner Leute vernichte. Längst hat sich das umgekehrt; sie selber
find die Angeklagten geworden. Unter ihren Fingern hat sich das oben in
einigen Beispielen geschilderte Getriebe ausgebildet. Die Notwendigkeit, fest in
das Wespennest hineinzugreifen, hat sich mit doppeltem Ernst gezeigt. Der
Zweite Stoß kam mit dem Zusammenbruch der Kupfersirma Hemtze und der mit
ihr liierten vinrsck eoxxsr Lompan?. Rockefeller und Genossen hatten durch
Erwürgung vieler kleinerer Kupferbergwerke einen allmächtigen Kupfertrust ge¬
bildet. Die Brüder Heintze sammelten nun alle geschädigten Interessenten,
bildeten einen oppositionellen Trust und kämpften gegen Rockefeller. Eine Zeit
lang wurden die Kupferpreise auf eine unsinnige Höhe getrieben. Dann mußte
wan zur Realisierung schreiten, und nun kamen überraschende Mengen verborgner
Vorräte zum Vorschein. Der Kupfermarkt brach vollständig zusammen, Heintzes
wurden bankerott. Ihrerseits waren sie stark liiert mit einem übel angeschriebnen


Grenzboten IV 1907 ^
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[0565] Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika Nominalkapital von 230 Millionen Dollars (fast eine Milliarde Mark!) von vornherein aus „Wasser" bestanden hat, wieviel von den papiernen. fingierten Werten ans Publikum haben verkauft werden können, weiß man nicht. Die „Macher" werden schon verstanden haben, sich rechtzeitig davonzumachen. Jetzt ist die Gesellschaft völlig bankerott und unter obrigkeitliche Verwaltung gestellt. Es wird keine Dividende mehr gezahlt, kaum können die äußern Schulden gedeckt werden. Die Macher haben also das Wrack seinem Schicksal überlassen. Auf dem eigentlichen Gebiet des Bankwesens selbst sind die gröblichsten Schwindeleien vorgekommen. Banken haben sich zu einem „Konzern" zusammen¬ getan, einen fingierten Kredit auf den andern gehäuft und damit das Publikum angelockt, ihnen seine Ersparnisse zu bringen. Mit den Geldern sind dann ge¬ wagte Geschäfte gemacht worden. Wurde verdient, so gewann die kleine Gruppe von Machern, die die beteiligten Banken „kontrollierten". Ging es schief, so traf der ganze Schaden die Deponenden. Solange der „Boon" (der allgemeine Aufschwung) dauert, brachten selbst die gewagten Geschäfte Gewinn; als nun aber die Wendung kam, als die plötzliche Angst über die Deponenden kam, sodaß sie sich an den Kassenschaltern drängten, vor allen Dingen, als ringsum die Kurse stürzten und papierne Werte so wenig realisierbar waren, wie Schulden eintreibbar, da waren schlechte Depositenbanken sofort insolvent. Und da die Panik um sich griff, da überall die „Rums", das heißt der Ansturm auf die Kassen, stattfanden, so konnten sogar gute Banken den Forderungen nicht so¬ gleich gerecht werden. Die Gouverneure der Staaten mußten helfen, indem sie mehrere Tage zu gesetzlichen Feiertagen machten und so ein allgemeines Mora¬ torium schufen. Seinen Ausgang hat der Krach von dem endlich gelingenden Vorgehn Roosevelts gegen die'Eisenbahnen genommen. Die Trustherren verstärkten den Eindruck, indem sie meinten, den Bundespräsidenten vor der ganzen Nation als den Verantwortlicher Mann hinstellen zu können, der das Vermögen von Millionen kleiner Leute vernichte. Längst hat sich das umgekehrt; sie selber find die Angeklagten geworden. Unter ihren Fingern hat sich das oben in einigen Beispielen geschilderte Getriebe ausgebildet. Die Notwendigkeit, fest in das Wespennest hineinzugreifen, hat sich mit doppeltem Ernst gezeigt. Der Zweite Stoß kam mit dem Zusammenbruch der Kupfersirma Hemtze und der mit ihr liierten vinrsck eoxxsr Lompan?. Rockefeller und Genossen hatten durch Erwürgung vieler kleinerer Kupferbergwerke einen allmächtigen Kupfertrust ge¬ bildet. Die Brüder Heintze sammelten nun alle geschädigten Interessenten, bildeten einen oppositionellen Trust und kämpften gegen Rockefeller. Eine Zeit lang wurden die Kupferpreise auf eine unsinnige Höhe getrieben. Dann mußte wan zur Realisierung schreiten, und nun kamen überraschende Mengen verborgner Vorräte zum Vorschein. Der Kupfermarkt brach vollständig zusammen, Heintzes wurden bankerott. Ihrerseits waren sie stark liiert mit einem übel angeschriebnen Grenzboten IV 1907 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/565>, abgerufen am 29.06.2024.