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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

Großgeldmenschen, Charles W. Worse, der eine ganze Anzahl Banken "kon¬
trollierte". Worse konnte nicht zahlen, auf seinen Banken ging der "Nun" los.
und auch sie mußten "stoppen".

Das bringt mit all dem Elend, das es im Gefolge hat, das Maß zum
Überfließen. Die Rooseveltsche Politik muß jetzt zum Durchbruch kommen. Auch
das Geldwesen muß von großen Schäden geheilt werden. Die Vereinigten
Staaten haben noch 430 Millionen Dollar Staatspapiergeld im Umlauf, mit
Zwangskurs und Einlösungspflicht. Der Schatzsekretär muß dafür große
Summen in bar bereit halten. Daraus hat er jetzt 250 Millionen Dollar
dem Geldmarkt zur Verfügung stellen können, um die privaten Notenbanken zu
stützen. Diese "National-Banken" können nämlich gegen Hinterlegung von
Staatspapieren Banknoten ausgeben -- ein Zustand, wie er sonst nirgends
vorkommt. Eine zentrale Reichsnotenbank mit dem Banknotenmonopol gibt es
nämlich nicht. Statt dessen haben die Vereinigten Staaten -- allerdings unter
Gesetzgebung und Kontrolle des Bundesstaates, nicht der Einzelstaaten -- das
Banknotenwesen so geregelt, daß zurzeit 5505 Notenbanken existieren mit einem
Kapital von 776 Millionen Dollars. Das durchschnittliche Aktienkapital beträgt
nur 140000 Mark. Diese Kleinbauten sind über das ganze weite Bundes¬
gebiet verstreut. In Städten von 6000 Einwohnern können schon solche
Nationalbanken mit nur 20000 Dollars Grundkapital errichtet werden. Diese
Banken haben zurzeit das Recht, 900 Millionen Dollars Banknoten auszu¬
geben (nicht zu verwechseln mit den vielgenannten Greenbacks; diese sind das
schon erwähnte Staatspapiergeld). Aber es liegt auf der Hand, daß man in
Newyork oder Philadelphia nicht gern die Noten einer Bank nimmt, die in
Texas oder Oregon beheimatet ist, Noten, die natürlich nur dort einlösbar
sind. Aus diesem Grunde haben sich denn auch die Noten jeder Nationalbank
nur in ihrem eignen Bezirk einen ordentlichen Umlauf sichern können. Es ist
den Banken nicht gelungen, von jenen 900 Millionen mehr als 600 Millionen
unterzubringen. Selbst diese Banknoten sind jetzt aus dem Verkehr ver¬
schwunden und ersetzt durch Schenks der Clearinghäuser, die vorläufig nicht
bar eingelöst werden. Sie unterliegen daher im gewöhnlichen Verkehr einem
Abzug von mehrern Prozenten. Das Staatspapiergeld ist dagegen genau so
beliebt wie goldne Dollars. Niemand zweifelt an der unbedingten Sicherheit
der Einlösung; jeder Eigentümer kann ja auch an den Zahlstellen des Bundes¬
schatzamts bare Einlösung in Gold verlangen. Es hat auch Zeiten gegeben,
wo die Greenbacks dem größten Mißtrauen begegneten. Das war während
des Bürgerkrieges. Die nordstaatliche Negierung gab in Ermanglung andrer
Geldmittel enorme Summen dieses Staatspapiergeldes aus, begabte sie gesetzlich
mit Zwangskurs und machte sie vorläufig uneinlösbar. Das erzeugte ein
phantastisches Aufgeld auf Gold. Zuweilen, so nach den Schwankungen der
Kriegsereignisse, konnte man für 100 Dollars Gold 300 Dollars Papier¬
geld kaufen. Nach Beendigung des Bürgerkrieges verschwand das Goldaufgeld


Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

Großgeldmenschen, Charles W. Worse, der eine ganze Anzahl Banken „kon¬
trollierte". Worse konnte nicht zahlen, auf seinen Banken ging der „Nun" los.
und auch sie mußten „stoppen".

Das bringt mit all dem Elend, das es im Gefolge hat, das Maß zum
Überfließen. Die Rooseveltsche Politik muß jetzt zum Durchbruch kommen. Auch
das Geldwesen muß von großen Schäden geheilt werden. Die Vereinigten
Staaten haben noch 430 Millionen Dollar Staatspapiergeld im Umlauf, mit
Zwangskurs und Einlösungspflicht. Der Schatzsekretär muß dafür große
Summen in bar bereit halten. Daraus hat er jetzt 250 Millionen Dollar
dem Geldmarkt zur Verfügung stellen können, um die privaten Notenbanken zu
stützen. Diese „National-Banken" können nämlich gegen Hinterlegung von
Staatspapieren Banknoten ausgeben — ein Zustand, wie er sonst nirgends
vorkommt. Eine zentrale Reichsnotenbank mit dem Banknotenmonopol gibt es
nämlich nicht. Statt dessen haben die Vereinigten Staaten — allerdings unter
Gesetzgebung und Kontrolle des Bundesstaates, nicht der Einzelstaaten — das
Banknotenwesen so geregelt, daß zurzeit 5505 Notenbanken existieren mit einem
Kapital von 776 Millionen Dollars. Das durchschnittliche Aktienkapital beträgt
nur 140000 Mark. Diese Kleinbauten sind über das ganze weite Bundes¬
gebiet verstreut. In Städten von 6000 Einwohnern können schon solche
Nationalbanken mit nur 20000 Dollars Grundkapital errichtet werden. Diese
Banken haben zurzeit das Recht, 900 Millionen Dollars Banknoten auszu¬
geben (nicht zu verwechseln mit den vielgenannten Greenbacks; diese sind das
schon erwähnte Staatspapiergeld). Aber es liegt auf der Hand, daß man in
Newyork oder Philadelphia nicht gern die Noten einer Bank nimmt, die in
Texas oder Oregon beheimatet ist, Noten, die natürlich nur dort einlösbar
sind. Aus diesem Grunde haben sich denn auch die Noten jeder Nationalbank
nur in ihrem eignen Bezirk einen ordentlichen Umlauf sichern können. Es ist
den Banken nicht gelungen, von jenen 900 Millionen mehr als 600 Millionen
unterzubringen. Selbst diese Banknoten sind jetzt aus dem Verkehr ver¬
schwunden und ersetzt durch Schenks der Clearinghäuser, die vorläufig nicht
bar eingelöst werden. Sie unterliegen daher im gewöhnlichen Verkehr einem
Abzug von mehrern Prozenten. Das Staatspapiergeld ist dagegen genau so
beliebt wie goldne Dollars. Niemand zweifelt an der unbedingten Sicherheit
der Einlösung; jeder Eigentümer kann ja auch an den Zahlstellen des Bundes¬
schatzamts bare Einlösung in Gold verlangen. Es hat auch Zeiten gegeben,
wo die Greenbacks dem größten Mißtrauen begegneten. Das war während
des Bürgerkrieges. Die nordstaatliche Negierung gab in Ermanglung andrer
Geldmittel enorme Summen dieses Staatspapiergeldes aus, begabte sie gesetzlich
mit Zwangskurs und machte sie vorläufig uneinlösbar. Das erzeugte ein
phantastisches Aufgeld auf Gold. Zuweilen, so nach den Schwankungen der
Kriegsereignisse, konnte man für 100 Dollars Gold 300 Dollars Papier¬
geld kaufen. Nach Beendigung des Bürgerkrieges verschwand das Goldaufgeld


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/566>, abgerufen am 01.07.2024.