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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Die Polenfrage in Preußen

Schlachta, die nach ihren Mißerfolgen von der Demokratie zur Seite gedrängt
wurde, und die in den wirtschaftlichen Vereinigungen keinen Rang hat, möchte
den neuen Strazverband benutzen, um wieder mitzuarbeiten und zu herrschen.
Da jedoch die Schlachtn weder in Oberschlesien noch sonstwo in Deutschland
mit Ausnahme Posens zu Einfluß gelangen kann, wurde bei Begründung der
Straz die statutarische Bestimmung getroffen, daß die Majorität des Vor¬
standes in Posen leben müsse. Diese sorgte dafür, daß die Starosten nach
Möglichkeit dem adlichen Grundbesitz und verwandten Elementen entnommen
wurden.

Infolgedessen bietet eine Strazversammlung in Sabrina oder in Kosten
ein ganz andres Bild, als man es in den übrigen polnischen Versammlungen
sieht. Am Vorstandstische sitzen die adlichen Grundbesitzer der Umgegend und
ihre Freunde, und wenn sich das nun einmal wach gewordne Volk auch den
Mund nicht mehr verbieten läßt, geben doch die "Herren" der Versammlung
das Gepräge.

Innere Kämpfe aber beweisen, daß sich die Bevölkerung diese reaktionären
Formen nicht gefallen lassen wird. Der erste, der den Strazmännern entgegen¬
trat, war der Führer der rheinisch-westfälischen Polen. Er suchte der Straz
den Eintritt in das rheinisch-westfälische Gebiet zu verlegen, bekämpfte sie in
Versammlungen und in der Presse (^iarus ?o1Ski in Bochum und l)^ses.
?vrnri8tea in Thorn*) und motivierte seine Feindschaft damit, daß eine Institution
der Schlachta bei der rheinisch-westfälischen Arbeiterschaft nicht das geringste
zu suchen habe.

Bald darauf begannen auch die Volksführer in Posen die Strazleitung
zu kritisieren, beschuldigten sie aristokratischer Allüren und deckten allerlei Mi߬
bräuche auf, um den politischen Kredit der aristokratischen Führer zu schmälern.
Auch warnte die radikale Presse in Galizien die demokratische Bewegung in
Posen, sie möge sich von der Straz nicht einschläfern lassen." (S. 195
bis 197.)

Am wenigsten gut zusammengefügt erscheint dem Verfasser die parla¬
mentarische Wahlorganisation, doch sollen (S. 207) von den Polen schon Ma߬
nahmen getroffen worden sein, die Mängel zu beheben.

Alle diese Organe der polnischen Bauernrepublik sind einer Zentralgewalt
unterworfen: "der Negierung" (S. 211). Sie setzt sich in Posen aus folgenden
Männern zusammen:

"1. Patron der Genossenschaften, 2. Direktorder Verbandsbank. 3. Direktor
der Gewerbebank. 4. Patron der Bauernvereine, 5. und 6. einige besonders ver¬
diente Vizepatrone, 7. Präsident des Zentralvereins der Großgrundbesitzer,
8. und 9. Präsident oder Generalsekretär des Arbeiterverbandes, 10. Präsident
des Soloth. 11. Präsident der Straz.



*) Die va-ista lorunsks, steht in enger Beziehung zu den rheinisch-westfälischen Polenführern.
Die Polenfrage in Preußen

Schlachta, die nach ihren Mißerfolgen von der Demokratie zur Seite gedrängt
wurde, und die in den wirtschaftlichen Vereinigungen keinen Rang hat, möchte
den neuen Strazverband benutzen, um wieder mitzuarbeiten und zu herrschen.
Da jedoch die Schlachtn weder in Oberschlesien noch sonstwo in Deutschland
mit Ausnahme Posens zu Einfluß gelangen kann, wurde bei Begründung der
Straz die statutarische Bestimmung getroffen, daß die Majorität des Vor¬
standes in Posen leben müsse. Diese sorgte dafür, daß die Starosten nach
Möglichkeit dem adlichen Grundbesitz und verwandten Elementen entnommen
wurden.

Infolgedessen bietet eine Strazversammlung in Sabrina oder in Kosten
ein ganz andres Bild, als man es in den übrigen polnischen Versammlungen
sieht. Am Vorstandstische sitzen die adlichen Grundbesitzer der Umgegend und
ihre Freunde, und wenn sich das nun einmal wach gewordne Volk auch den
Mund nicht mehr verbieten läßt, geben doch die »Herren« der Versammlung
das Gepräge.

Innere Kämpfe aber beweisen, daß sich die Bevölkerung diese reaktionären
Formen nicht gefallen lassen wird. Der erste, der den Strazmännern entgegen¬
trat, war der Führer der rheinisch-westfälischen Polen. Er suchte der Straz
den Eintritt in das rheinisch-westfälische Gebiet zu verlegen, bekämpfte sie in
Versammlungen und in der Presse (^iarus ?o1Ski in Bochum und l)^ses.
?vrnri8tea in Thorn*) und motivierte seine Feindschaft damit, daß eine Institution
der Schlachta bei der rheinisch-westfälischen Arbeiterschaft nicht das geringste
zu suchen habe.

Bald darauf begannen auch die Volksführer in Posen die Strazleitung
zu kritisieren, beschuldigten sie aristokratischer Allüren und deckten allerlei Mi߬
bräuche auf, um den politischen Kredit der aristokratischen Führer zu schmälern.
Auch warnte die radikale Presse in Galizien die demokratische Bewegung in
Posen, sie möge sich von der Straz nicht einschläfern lassen." (S. 195
bis 197.)

Am wenigsten gut zusammengefügt erscheint dem Verfasser die parla¬
mentarische Wahlorganisation, doch sollen (S. 207) von den Polen schon Ma߬
nahmen getroffen worden sein, die Mängel zu beheben.

Alle diese Organe der polnischen Bauernrepublik sind einer Zentralgewalt
unterworfen: „der Negierung" (S. 211). Sie setzt sich in Posen aus folgenden
Männern zusammen:

„1. Patron der Genossenschaften, 2. Direktorder Verbandsbank. 3. Direktor
der Gewerbebank. 4. Patron der Bauernvereine, 5. und 6. einige besonders ver¬
diente Vizepatrone, 7. Präsident des Zentralvereins der Großgrundbesitzer,
8. und 9. Präsident oder Generalsekretär des Arbeiterverbandes, 10. Präsident
des Soloth. 11. Präsident der Straz.



*) Die va-ista lorunsks, steht in enger Beziehung zu den rheinisch-westfälischen Polenführern.
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[0559] Die Polenfrage in Preußen Schlachta, die nach ihren Mißerfolgen von der Demokratie zur Seite gedrängt wurde, und die in den wirtschaftlichen Vereinigungen keinen Rang hat, möchte den neuen Strazverband benutzen, um wieder mitzuarbeiten und zu herrschen. Da jedoch die Schlachtn weder in Oberschlesien noch sonstwo in Deutschland mit Ausnahme Posens zu Einfluß gelangen kann, wurde bei Begründung der Straz die statutarische Bestimmung getroffen, daß die Majorität des Vor¬ standes in Posen leben müsse. Diese sorgte dafür, daß die Starosten nach Möglichkeit dem adlichen Grundbesitz und verwandten Elementen entnommen wurden. Infolgedessen bietet eine Strazversammlung in Sabrina oder in Kosten ein ganz andres Bild, als man es in den übrigen polnischen Versammlungen sieht. Am Vorstandstische sitzen die adlichen Grundbesitzer der Umgegend und ihre Freunde, und wenn sich das nun einmal wach gewordne Volk auch den Mund nicht mehr verbieten läßt, geben doch die »Herren« der Versammlung das Gepräge. Innere Kämpfe aber beweisen, daß sich die Bevölkerung diese reaktionären Formen nicht gefallen lassen wird. Der erste, der den Strazmännern entgegen¬ trat, war der Führer der rheinisch-westfälischen Polen. Er suchte der Straz den Eintritt in das rheinisch-westfälische Gebiet zu verlegen, bekämpfte sie in Versammlungen und in der Presse (^iarus ?o1Ski in Bochum und l)^ses. ?vrnri8tea in Thorn*) und motivierte seine Feindschaft damit, daß eine Institution der Schlachta bei der rheinisch-westfälischen Arbeiterschaft nicht das geringste zu suchen habe. Bald darauf begannen auch die Volksführer in Posen die Strazleitung zu kritisieren, beschuldigten sie aristokratischer Allüren und deckten allerlei Mi߬ bräuche auf, um den politischen Kredit der aristokratischen Führer zu schmälern. Auch warnte die radikale Presse in Galizien die demokratische Bewegung in Posen, sie möge sich von der Straz nicht einschläfern lassen." (S. 195 bis 197.) Am wenigsten gut zusammengefügt erscheint dem Verfasser die parla¬ mentarische Wahlorganisation, doch sollen (S. 207) von den Polen schon Ma߬ nahmen getroffen worden sein, die Mängel zu beheben. Alle diese Organe der polnischen Bauernrepublik sind einer Zentralgewalt unterworfen: „der Negierung" (S. 211). Sie setzt sich in Posen aus folgenden Männern zusammen: „1. Patron der Genossenschaften, 2. Direktorder Verbandsbank. 3. Direktor der Gewerbebank. 4. Patron der Bauernvereine, 5. und 6. einige besonders ver¬ diente Vizepatrone, 7. Präsident des Zentralvereins der Großgrundbesitzer, 8. und 9. Präsident oder Generalsekretär des Arbeiterverbandes, 10. Präsident des Soloth. 11. Präsident der Straz. *) Die va-ista lorunsks, steht in enger Beziehung zu den rheinisch-westfälischen Polenführern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/559>, abgerufen am 29.06.2024.