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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Die Polenfrage in Preußen

Zu diesen kommen noch einige hohe geistliche Würdenträger und einige
Mitglieder des Adels, die sich durch großen Reichtum und nationale Arbeit
eine starke Stellung errungen haben. Zu den erstem sind besonders die pol¬
nischen Weihbischöfe und selbstverständlich der Erzbischof, falls er Pole ist,
zu rechnen, zu den letztem gehören seit anderthalb Jahrhunderten einige Mit¬
glieder der reichbegüterten Familien Zoltowski, die sich um die nationalpolnische
Arbeit sehr verdient gemacht und besonders in den aristokratischen Parzellierungs¬
banken (Larck sisinski, LxoUlÄ ?isinsk in Posen) viel geleistet haben.

Insgesamt können daher etwa fünfzehn bis zwanzig Männer genannt
werden, die gestützt auf Organisation oder auf geistliche Macht oder auf große
Reichtümer prominente Stellungen einnehmen, sodaß man von ihnen sagen
kann: Diese Männer müssen in allen entscheidenden Dingen gefragt werden.
Sie sind stark genug, um sich Geltung zu verschaffen, und ihre Mitwirkung
kann kaum entbehrt werden." (S. 213 bis 214.)

Doch ein Staat muß auch ein Finanzwesen haben, und die polnische
Bauernrepublik hat es mit einem Finanzminister an der Spitze in dem pol¬
nischen Genossenschaftsverbande. Sein Leiter ist der päpstliche Kammerherr
und Propst zu Mogilno, Prälat Wawrzyniak (S. 219). Dieser Mann hat
erreicht, daß "das polnische Genossenschaftswesen eine politische Macht geworden
ist, die heute den Kern des polnischen Gemeinwesens bildet" <S. 222).

Hiermit beginnt der interessanteste Teil der ganzen Arbeit. Die polnische
Verbandsleitung wird in ihrer außerordentlichen Geschicklichkeit geschildert. Es
wird gezeigt, wie wenig die preußische Beamtenschaft, gebunden durch Gesetz
und viele büreaukratische Vorschriften, dem frei arbeitenden Leiter der polnischen
Verbände geschäftlich gewachsen ist. Im Sommer 1892 wurde dem polnischen
Verbände durch Verfügung des preußischen Handelsministers das Recht verliehen,
eigne Revisoren zu bestellen. Auf diesem Recht aber ruht die Macht der
polnischen Verbandsleitung (S. 224). Der Verband tritt mit der Preußenbank
in geschäftliche Beziehungen, und die Bank eröffnet ihm einen Kredit von
200000 Mark. Nachdem das Veto des preußischen Landtags diese Verbindung
zerstört hatte, wandte sich eine große Berliner Effektenbank an den Verband
in polnischer Sprache und wird zum finanziellen Rückgrat des polnischen
Finanzwesens. Es ist dieselbe Großbank, der später der Herr Finanzminister
den Auftrag erteilt hat, die deutsche Ostbank (Filiale der Seehandlung) zu
unterstützen.

Doch es würde zu weit führen, einen auch nur gedrängten Inhalt des
Buchs geben zu wollen. Jeder gebildete Deutsche, der es für seine Pflicht
hält, in der Polenfrage Stellung zu nehmen, ist ohnehin genötigt, das Buch
zu lesen. Niemand darf es übergehn!

Darum sei es erlaubt, einige Punkte herauszugreifen, in denen der Ver¬
fasser nach meiner Auffassung seine Aufgabe zu eng begrenzt hat. Zunächst
interessiert die Frage, woher die Polen ihr Geld haben (S. 386 bis 389).


Die Polenfrage in Preußen

Zu diesen kommen noch einige hohe geistliche Würdenträger und einige
Mitglieder des Adels, die sich durch großen Reichtum und nationale Arbeit
eine starke Stellung errungen haben. Zu den erstem sind besonders die pol¬
nischen Weihbischöfe und selbstverständlich der Erzbischof, falls er Pole ist,
zu rechnen, zu den letztem gehören seit anderthalb Jahrhunderten einige Mit¬
glieder der reichbegüterten Familien Zoltowski, die sich um die nationalpolnische
Arbeit sehr verdient gemacht und besonders in den aristokratischen Parzellierungs¬
banken (Larck sisinski, LxoUlÄ ?isinsk in Posen) viel geleistet haben.

Insgesamt können daher etwa fünfzehn bis zwanzig Männer genannt
werden, die gestützt auf Organisation oder auf geistliche Macht oder auf große
Reichtümer prominente Stellungen einnehmen, sodaß man von ihnen sagen
kann: Diese Männer müssen in allen entscheidenden Dingen gefragt werden.
Sie sind stark genug, um sich Geltung zu verschaffen, und ihre Mitwirkung
kann kaum entbehrt werden." (S. 213 bis 214.)

Doch ein Staat muß auch ein Finanzwesen haben, und die polnische
Bauernrepublik hat es mit einem Finanzminister an der Spitze in dem pol¬
nischen Genossenschaftsverbande. Sein Leiter ist der päpstliche Kammerherr
und Propst zu Mogilno, Prälat Wawrzyniak (S. 219). Dieser Mann hat
erreicht, daß „das polnische Genossenschaftswesen eine politische Macht geworden
ist, die heute den Kern des polnischen Gemeinwesens bildet" <S. 222).

Hiermit beginnt der interessanteste Teil der ganzen Arbeit. Die polnische
Verbandsleitung wird in ihrer außerordentlichen Geschicklichkeit geschildert. Es
wird gezeigt, wie wenig die preußische Beamtenschaft, gebunden durch Gesetz
und viele büreaukratische Vorschriften, dem frei arbeitenden Leiter der polnischen
Verbände geschäftlich gewachsen ist. Im Sommer 1892 wurde dem polnischen
Verbände durch Verfügung des preußischen Handelsministers das Recht verliehen,
eigne Revisoren zu bestellen. Auf diesem Recht aber ruht die Macht der
polnischen Verbandsleitung (S. 224). Der Verband tritt mit der Preußenbank
in geschäftliche Beziehungen, und die Bank eröffnet ihm einen Kredit von
200000 Mark. Nachdem das Veto des preußischen Landtags diese Verbindung
zerstört hatte, wandte sich eine große Berliner Effektenbank an den Verband
in polnischer Sprache und wird zum finanziellen Rückgrat des polnischen
Finanzwesens. Es ist dieselbe Großbank, der später der Herr Finanzminister
den Auftrag erteilt hat, die deutsche Ostbank (Filiale der Seehandlung) zu
unterstützen.

Doch es würde zu weit führen, einen auch nur gedrängten Inhalt des
Buchs geben zu wollen. Jeder gebildete Deutsche, der es für seine Pflicht
hält, in der Polenfrage Stellung zu nehmen, ist ohnehin genötigt, das Buch
zu lesen. Niemand darf es übergehn!

Darum sei es erlaubt, einige Punkte herauszugreifen, in denen der Ver¬
fasser nach meiner Auffassung seine Aufgabe zu eng begrenzt hat. Zunächst
interessiert die Frage, woher die Polen ihr Geld haben (S. 386 bis 389).


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[0560] Die Polenfrage in Preußen Zu diesen kommen noch einige hohe geistliche Würdenträger und einige Mitglieder des Adels, die sich durch großen Reichtum und nationale Arbeit eine starke Stellung errungen haben. Zu den erstem sind besonders die pol¬ nischen Weihbischöfe und selbstverständlich der Erzbischof, falls er Pole ist, zu rechnen, zu den letztem gehören seit anderthalb Jahrhunderten einige Mit¬ glieder der reichbegüterten Familien Zoltowski, die sich um die nationalpolnische Arbeit sehr verdient gemacht und besonders in den aristokratischen Parzellierungs¬ banken (Larck sisinski, LxoUlÄ ?isinsk in Posen) viel geleistet haben. Insgesamt können daher etwa fünfzehn bis zwanzig Männer genannt werden, die gestützt auf Organisation oder auf geistliche Macht oder auf große Reichtümer prominente Stellungen einnehmen, sodaß man von ihnen sagen kann: Diese Männer müssen in allen entscheidenden Dingen gefragt werden. Sie sind stark genug, um sich Geltung zu verschaffen, und ihre Mitwirkung kann kaum entbehrt werden." (S. 213 bis 214.) Doch ein Staat muß auch ein Finanzwesen haben, und die polnische Bauernrepublik hat es mit einem Finanzminister an der Spitze in dem pol¬ nischen Genossenschaftsverbande. Sein Leiter ist der päpstliche Kammerherr und Propst zu Mogilno, Prälat Wawrzyniak (S. 219). Dieser Mann hat erreicht, daß „das polnische Genossenschaftswesen eine politische Macht geworden ist, die heute den Kern des polnischen Gemeinwesens bildet" <S. 222). Hiermit beginnt der interessanteste Teil der ganzen Arbeit. Die polnische Verbandsleitung wird in ihrer außerordentlichen Geschicklichkeit geschildert. Es wird gezeigt, wie wenig die preußische Beamtenschaft, gebunden durch Gesetz und viele büreaukratische Vorschriften, dem frei arbeitenden Leiter der polnischen Verbände geschäftlich gewachsen ist. Im Sommer 1892 wurde dem polnischen Verbände durch Verfügung des preußischen Handelsministers das Recht verliehen, eigne Revisoren zu bestellen. Auf diesem Recht aber ruht die Macht der polnischen Verbandsleitung (S. 224). Der Verband tritt mit der Preußenbank in geschäftliche Beziehungen, und die Bank eröffnet ihm einen Kredit von 200000 Mark. Nachdem das Veto des preußischen Landtags diese Verbindung zerstört hatte, wandte sich eine große Berliner Effektenbank an den Verband in polnischer Sprache und wird zum finanziellen Rückgrat des polnischen Finanzwesens. Es ist dieselbe Großbank, der später der Herr Finanzminister den Auftrag erteilt hat, die deutsche Ostbank (Filiale der Seehandlung) zu unterstützen. Doch es würde zu weit führen, einen auch nur gedrängten Inhalt des Buchs geben zu wollen. Jeder gebildete Deutsche, der es für seine Pflicht hält, in der Polenfrage Stellung zu nehmen, ist ohnehin genötigt, das Buch zu lesen. Niemand darf es übergehn! Darum sei es erlaubt, einige Punkte herauszugreifen, in denen der Ver¬ fasser nach meiner Auffassung seine Aufgabe zu eng begrenzt hat. Zunächst interessiert die Frage, woher die Polen ihr Geld haben (S. 386 bis 389).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/560>, abgerufen am 26.06.2024.