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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

einige Wachskerzen, auch ist der Schein vom Johanneskäfer und Sternen nicht un¬
erfreulich, wenn man auch eben dabei nicht essen, lesen und arbeiten kann." Und
am 26. April 1816: "Es geht die Rede, daß diese Messe eine ungewöhnliche
Menge von Gemäldesammlungen hierher zum Verkauf aufgebracht werden sollen,
noch weis ich aber nichts Näheres darüber, sonst schrieb ich es Ihnen. Die
Leipziger Kaufleute sind ganz versessen auf vortreffliche Gemälde, d. h. nicht
etwa auf eigentliche Kunstwerke sondern auf Farbentafeln mit berühmten
Namen, wahr oder unwahr, versehn. Ich kann es nicht verbergen, daß mir
diese Manier fast etwas lächerlich vorkommt und daß ich mich beinah scheue
ein Bild oder gar eine Sammlung in Gegenwart solcher Connaisseurs zu be¬
trachten. Das Interesse reicher Leute für und an Kunst und Kunstwerken ist
recht gut, aber diese Art Kunstkrämerei versteinert und tödtet auch manches
lebendige Gefül für eigentliche Kunst, und -- schelten Sie mich nicht -- unsre
jetzige Teutomanie halte ich um kein Haar besser, als die vorübergegangene
Gräcomanie und Gallomanie."

Derselbe Mann, dem alle Register des Spottes zur Verfügung standen,
war gegen seine Freunde hingebend treu und aufopfernd. Sein Stadthaus
wie sein Landhaus waren Tempel edelster Gastlichkeit; seinen berühmten Wein¬
keller hielt er eigentlich nur für die Freunde. War er in großer Gesellschaft
oft still und schweigsam, so erschloß er den Vertrauten sein innerstes Herz,
das trotz seines reichen Könnens voll Demut und Bescheidenheit war. Nament¬
lich der Übergang von einem Jahre zum andern, die Silvesternacht, weckte in
ihm die zartesten Empfindungen; da sammelte er die Seinen um sich und ge¬
dachte in inniger Liebe der Fernen. Auf einen Freundesbesuch, den er erhielt
oder abstattete, freute er sich wie ein Kind auf das Weihnachtsfest. Freilich
auch die Schatten fehlen nicht in dem Bilde des interessanten Mannes. Dem
Glauben an Gespenster und Vorzeichen war er bis zu einem Grade ergeben,
daß er sich und andern dadurch den Genuß des Daseins trübte. Als während
seines Besuches in Scharfenberg (Juni 1816) ein Teil der Ruinen des
Schlosses einstürzte und den Platz, wo er tags zuvor mit seinen Freunden
gesessen hatte, unter Trümmern begrub, deutete er dies auf seinen nahen Tod.
Wie erinnert das an den Traum der Königin Luise vor ihrer letzten Reise
nach Hohenzieritz: König Friedrich der Große erschien ihr in einem Kahne,
um sie allein abzuholen. Als sie bald darauf die Kammerfrau wegen des
Kleides fragte, das sie bei der Rückkehr tragen wollte, antwortete sie: "Dafür
brauchst du nicht zu sorgen, denn alsdann ist Trauer." Mit wie schmerzlichen
Ahnungen empfing auch Königin Luise in Hohenzieritz den Zypressenzweig
aus des Königs Hand, den der Gärtner versehentlich für sie gebracht hatte!
Jenes ganze Zeitalter der Romantik wurde durch den Glauben an Vorzeichen
geängstigt, aber natürlich die einzelnen in verschiednen Grade. Bei der edeln
Königin und auch bei Apel trat das Gefürchtet? ein: wenige Wochen nach
der Heimkehr aus Scharfenberg befiel ihn eine tückische Halsbräune, eine


August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

einige Wachskerzen, auch ist der Schein vom Johanneskäfer und Sternen nicht un¬
erfreulich, wenn man auch eben dabei nicht essen, lesen und arbeiten kann." Und
am 26. April 1816: „Es geht die Rede, daß diese Messe eine ungewöhnliche
Menge von Gemäldesammlungen hierher zum Verkauf aufgebracht werden sollen,
noch weis ich aber nichts Näheres darüber, sonst schrieb ich es Ihnen. Die
Leipziger Kaufleute sind ganz versessen auf vortreffliche Gemälde, d. h. nicht
etwa auf eigentliche Kunstwerke sondern auf Farbentafeln mit berühmten
Namen, wahr oder unwahr, versehn. Ich kann es nicht verbergen, daß mir
diese Manier fast etwas lächerlich vorkommt und daß ich mich beinah scheue
ein Bild oder gar eine Sammlung in Gegenwart solcher Connaisseurs zu be¬
trachten. Das Interesse reicher Leute für und an Kunst und Kunstwerken ist
recht gut, aber diese Art Kunstkrämerei versteinert und tödtet auch manches
lebendige Gefül für eigentliche Kunst, und — schelten Sie mich nicht — unsre
jetzige Teutomanie halte ich um kein Haar besser, als die vorübergegangene
Gräcomanie und Gallomanie."

Derselbe Mann, dem alle Register des Spottes zur Verfügung standen,
war gegen seine Freunde hingebend treu und aufopfernd. Sein Stadthaus
wie sein Landhaus waren Tempel edelster Gastlichkeit; seinen berühmten Wein¬
keller hielt er eigentlich nur für die Freunde. War er in großer Gesellschaft
oft still und schweigsam, so erschloß er den Vertrauten sein innerstes Herz,
das trotz seines reichen Könnens voll Demut und Bescheidenheit war. Nament¬
lich der Übergang von einem Jahre zum andern, die Silvesternacht, weckte in
ihm die zartesten Empfindungen; da sammelte er die Seinen um sich und ge¬
dachte in inniger Liebe der Fernen. Auf einen Freundesbesuch, den er erhielt
oder abstattete, freute er sich wie ein Kind auf das Weihnachtsfest. Freilich
auch die Schatten fehlen nicht in dem Bilde des interessanten Mannes. Dem
Glauben an Gespenster und Vorzeichen war er bis zu einem Grade ergeben,
daß er sich und andern dadurch den Genuß des Daseins trübte. Als während
seines Besuches in Scharfenberg (Juni 1816) ein Teil der Ruinen des
Schlosses einstürzte und den Platz, wo er tags zuvor mit seinen Freunden
gesessen hatte, unter Trümmern begrub, deutete er dies auf seinen nahen Tod.
Wie erinnert das an den Traum der Königin Luise vor ihrer letzten Reise
nach Hohenzieritz: König Friedrich der Große erschien ihr in einem Kahne,
um sie allein abzuholen. Als sie bald darauf die Kammerfrau wegen des
Kleides fragte, das sie bei der Rückkehr tragen wollte, antwortete sie: „Dafür
brauchst du nicht zu sorgen, denn alsdann ist Trauer." Mit wie schmerzlichen
Ahnungen empfing auch Königin Luise in Hohenzieritz den Zypressenzweig
aus des Königs Hand, den der Gärtner versehentlich für sie gebracht hatte!
Jenes ganze Zeitalter der Romantik wurde durch den Glauben an Vorzeichen
geängstigt, aber natürlich die einzelnen in verschiednen Grade. Bei der edeln
Königin und auch bei Apel trat das Gefürchtet? ein: wenige Wochen nach
der Heimkehr aus Scharfenberg befiel ihn eine tückische Halsbräune, eine


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[0479] August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig einige Wachskerzen, auch ist der Schein vom Johanneskäfer und Sternen nicht un¬ erfreulich, wenn man auch eben dabei nicht essen, lesen und arbeiten kann." Und am 26. April 1816: „Es geht die Rede, daß diese Messe eine ungewöhnliche Menge von Gemäldesammlungen hierher zum Verkauf aufgebracht werden sollen, noch weis ich aber nichts Näheres darüber, sonst schrieb ich es Ihnen. Die Leipziger Kaufleute sind ganz versessen auf vortreffliche Gemälde, d. h. nicht etwa auf eigentliche Kunstwerke sondern auf Farbentafeln mit berühmten Namen, wahr oder unwahr, versehn. Ich kann es nicht verbergen, daß mir diese Manier fast etwas lächerlich vorkommt und daß ich mich beinah scheue ein Bild oder gar eine Sammlung in Gegenwart solcher Connaisseurs zu be¬ trachten. Das Interesse reicher Leute für und an Kunst und Kunstwerken ist recht gut, aber diese Art Kunstkrämerei versteinert und tödtet auch manches lebendige Gefül für eigentliche Kunst, und — schelten Sie mich nicht — unsre jetzige Teutomanie halte ich um kein Haar besser, als die vorübergegangene Gräcomanie und Gallomanie." Derselbe Mann, dem alle Register des Spottes zur Verfügung standen, war gegen seine Freunde hingebend treu und aufopfernd. Sein Stadthaus wie sein Landhaus waren Tempel edelster Gastlichkeit; seinen berühmten Wein¬ keller hielt er eigentlich nur für die Freunde. War er in großer Gesellschaft oft still und schweigsam, so erschloß er den Vertrauten sein innerstes Herz, das trotz seines reichen Könnens voll Demut und Bescheidenheit war. Nament¬ lich der Übergang von einem Jahre zum andern, die Silvesternacht, weckte in ihm die zartesten Empfindungen; da sammelte er die Seinen um sich und ge¬ dachte in inniger Liebe der Fernen. Auf einen Freundesbesuch, den er erhielt oder abstattete, freute er sich wie ein Kind auf das Weihnachtsfest. Freilich auch die Schatten fehlen nicht in dem Bilde des interessanten Mannes. Dem Glauben an Gespenster und Vorzeichen war er bis zu einem Grade ergeben, daß er sich und andern dadurch den Genuß des Daseins trübte. Als während seines Besuches in Scharfenberg (Juni 1816) ein Teil der Ruinen des Schlosses einstürzte und den Platz, wo er tags zuvor mit seinen Freunden gesessen hatte, unter Trümmern begrub, deutete er dies auf seinen nahen Tod. Wie erinnert das an den Traum der Königin Luise vor ihrer letzten Reise nach Hohenzieritz: König Friedrich der Große erschien ihr in einem Kahne, um sie allein abzuholen. Als sie bald darauf die Kammerfrau wegen des Kleides fragte, das sie bei der Rückkehr tragen wollte, antwortete sie: „Dafür brauchst du nicht zu sorgen, denn alsdann ist Trauer." Mit wie schmerzlichen Ahnungen empfing auch Königin Luise in Hohenzieritz den Zypressenzweig aus des Königs Hand, den der Gärtner versehentlich für sie gebracht hatte! Jenes ganze Zeitalter der Romantik wurde durch den Glauben an Vorzeichen geängstigt, aber natürlich die einzelnen in verschiednen Grade. Bei der edeln Königin und auch bei Apel trat das Gefürchtet? ein: wenige Wochen nach der Heimkehr aus Scharfenberg befiel ihn eine tückische Halsbräune, eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/479>, abgerufen am 03.07.2024.