Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig

hinaus zur bloßen Orchestermusik wird, wie der Gesang im andern Extrem
zur rhetorischen Deklamation. Die Kunstkritik, sollt' ich meinen, wird immer
ein schwankender Unfug bleiben, wenn sie nicht, wie die wahre Naturgeschichte
schon anfängt, ein ideelles Nachbilden der Kunstwelt wird, dann aber freilich
wird das Urteilen und Schreiben etwas unbequem."

Die Abneigung gegen die gewerbsmäßigen Kritiker und das wahre Ver¬
hältnis zwischen Künstler und Kritiker beschäftigen Apel auch sonst; am 6. De¬
zember 1814 schreibt er: "Der Künstler, das gestehn wir Alle ohne Widerrede
ein, bleibt gewöhnlich in seiner Produktion noch vom Ideal, das er dachte,
entfernt, der Kritiker allerdings auch, gleichwol erhält sich immer der Schein,
als stehe der Kritiker dem Ideal näher. Der beste und einzig kompetente Kritiker
ist der Verfasser selbst, und ein andrer nur in wiefern er sich auf den Stand¬
punkt des Verfassers stellen und selbst seine Vorliebe empfinden kann."

Ebenso deutlich wie den Theoretiker der schönen Künste enthüllen die
gehaltvollen Briefe Apels den Menschen, der noch eine besondre Würdigung
verdient.

Apels Gesichtszüge gibt uns ein vortreffliches, jetzt in der Bibliothek
zu Ermlitz aufbewahrtes Ölbild seines Freundes Moritz Retzsch wieder. Es
zeigt einen edelgeformten Kopf mit reichlichem, teilweise die Stirn bedeckenden
dunkelm Haar und einen feinen, fast durchsichtigen Teint; auffallend sind die
kühn geschwungnen Augenbrauen und der charaktervolle, etwas sarkastische Mund.
Sein Freund Friedrich Laun (Memoiren II, 6) berichtet, er habe in frühern
Jahren an einer gewissen Engbrüstigkeit gelitten, die ihn dann und wann im
Gespräche tief aufzuatmen zwang. Apel selbst deutet diese Schwäche seiner
äußern Erscheinung an, wenn er vor seinem Eintreffen auf Schloß Scharfen-
berg, dem Wohnsitze des Freiherrn von Miltitz, an diesen schreibt: "Nun grüßen
Sie alle Bewohner Ihres Hauses von mir, und tragen Sie besonders den Damen
meine Bitte vor, daß sie an dem Humor, dem die Natur sich bei meiner Bildung
hingegeben hat, kein Aergerniß nehmen. Ich bin deswegen doch eine ehrliche
Haut und von ganzer Seel' und Gemüth Ihr Apel."

Trotzdem beweisen seine Gedichte und andre Nachrichten, daß er bei den
Frauen sehr viel Glück hatte. Eine geistig und sittlich sehr hochstehende
Frau nennt in einer brieflichen Plauderei mit ihrem Gemahl als den einzigen
Mann, der ihrer Seelenruhe hätte gefährlich werden können, August Apel.
Das machte wohl sein zwischen sonnigster Heiterkeit und ahnungsvoller
Schwermut abwechselndes Wesen und der unwiderstehliche Zauber, der von
seiner geistvollen Unterhaltung auf alle Hörer überging. "Er war eins der
seltenen Universaltalente, bei denen es nur des Willens bedarf, sich in irgend
ein Fach des Wissens und der Kunst zu werfen, um auch des vollständigen
Erfolges darin sicher zu sein." (Laun a. a. O. 10.) In seinen Briefen zeigt
sich Apel als scharfen Beobachter der Menschen und als feinen Sprachmeister.
Fremdworte gebraucht er, wie zum Beispiel LoimaiL8öiir statt Kenner, um


Grenzboien IV 1907 61
August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig

hinaus zur bloßen Orchestermusik wird, wie der Gesang im andern Extrem
zur rhetorischen Deklamation. Die Kunstkritik, sollt' ich meinen, wird immer
ein schwankender Unfug bleiben, wenn sie nicht, wie die wahre Naturgeschichte
schon anfängt, ein ideelles Nachbilden der Kunstwelt wird, dann aber freilich
wird das Urteilen und Schreiben etwas unbequem."

Die Abneigung gegen die gewerbsmäßigen Kritiker und das wahre Ver¬
hältnis zwischen Künstler und Kritiker beschäftigen Apel auch sonst; am 6. De¬
zember 1814 schreibt er: „Der Künstler, das gestehn wir Alle ohne Widerrede
ein, bleibt gewöhnlich in seiner Produktion noch vom Ideal, das er dachte,
entfernt, der Kritiker allerdings auch, gleichwol erhält sich immer der Schein,
als stehe der Kritiker dem Ideal näher. Der beste und einzig kompetente Kritiker
ist der Verfasser selbst, und ein andrer nur in wiefern er sich auf den Stand¬
punkt des Verfassers stellen und selbst seine Vorliebe empfinden kann."

Ebenso deutlich wie den Theoretiker der schönen Künste enthüllen die
gehaltvollen Briefe Apels den Menschen, der noch eine besondre Würdigung
verdient.

Apels Gesichtszüge gibt uns ein vortreffliches, jetzt in der Bibliothek
zu Ermlitz aufbewahrtes Ölbild seines Freundes Moritz Retzsch wieder. Es
zeigt einen edelgeformten Kopf mit reichlichem, teilweise die Stirn bedeckenden
dunkelm Haar und einen feinen, fast durchsichtigen Teint; auffallend sind die
kühn geschwungnen Augenbrauen und der charaktervolle, etwas sarkastische Mund.
Sein Freund Friedrich Laun (Memoiren II, 6) berichtet, er habe in frühern
Jahren an einer gewissen Engbrüstigkeit gelitten, die ihn dann und wann im
Gespräche tief aufzuatmen zwang. Apel selbst deutet diese Schwäche seiner
äußern Erscheinung an, wenn er vor seinem Eintreffen auf Schloß Scharfen-
berg, dem Wohnsitze des Freiherrn von Miltitz, an diesen schreibt: „Nun grüßen
Sie alle Bewohner Ihres Hauses von mir, und tragen Sie besonders den Damen
meine Bitte vor, daß sie an dem Humor, dem die Natur sich bei meiner Bildung
hingegeben hat, kein Aergerniß nehmen. Ich bin deswegen doch eine ehrliche
Haut und von ganzer Seel' und Gemüth Ihr Apel."

Trotzdem beweisen seine Gedichte und andre Nachrichten, daß er bei den
Frauen sehr viel Glück hatte. Eine geistig und sittlich sehr hochstehende
Frau nennt in einer brieflichen Plauderei mit ihrem Gemahl als den einzigen
Mann, der ihrer Seelenruhe hätte gefährlich werden können, August Apel.
Das machte wohl sein zwischen sonnigster Heiterkeit und ahnungsvoller
Schwermut abwechselndes Wesen und der unwiderstehliche Zauber, der von
seiner geistvollen Unterhaltung auf alle Hörer überging. „Er war eins der
seltenen Universaltalente, bei denen es nur des Willens bedarf, sich in irgend
ein Fach des Wissens und der Kunst zu werfen, um auch des vollständigen
Erfolges darin sicher zu sein." (Laun a. a. O. 10.) In seinen Briefen zeigt
sich Apel als scharfen Beobachter der Menschen und als feinen Sprachmeister.
Fremdworte gebraucht er, wie zum Beispiel LoimaiL8öiir statt Kenner, um


Grenzboien IV 1907 61
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303893"/>
          <fw type="header" place="top"> August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2085" prev="#ID_2084"> hinaus zur bloßen Orchestermusik wird, wie der Gesang im andern Extrem<lb/>
zur rhetorischen Deklamation. Die Kunstkritik, sollt' ich meinen, wird immer<lb/>
ein schwankender Unfug bleiben, wenn sie nicht, wie die wahre Naturgeschichte<lb/>
schon anfängt, ein ideelles Nachbilden der Kunstwelt wird, dann aber freilich<lb/>
wird das Urteilen und Schreiben etwas unbequem."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2086"> Die Abneigung gegen die gewerbsmäßigen Kritiker und das wahre Ver¬<lb/>
hältnis zwischen Künstler und Kritiker beschäftigen Apel auch sonst; am 6. De¬<lb/>
zember 1814 schreibt er: &#x201E;Der Künstler, das gestehn wir Alle ohne Widerrede<lb/>
ein, bleibt gewöhnlich in seiner Produktion noch vom Ideal, das er dachte,<lb/>
entfernt, der Kritiker allerdings auch, gleichwol erhält sich immer der Schein,<lb/>
als stehe der Kritiker dem Ideal näher. Der beste und einzig kompetente Kritiker<lb/>
ist der Verfasser selbst, und ein andrer nur in wiefern er sich auf den Stand¬<lb/>
punkt des Verfassers stellen und selbst seine Vorliebe empfinden kann."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2087"> Ebenso deutlich wie den Theoretiker der schönen Künste enthüllen die<lb/>
gehaltvollen Briefe Apels den Menschen, der noch eine besondre Würdigung<lb/>
verdient.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2088"> Apels Gesichtszüge gibt uns ein vortreffliches, jetzt in der Bibliothek<lb/>
zu Ermlitz aufbewahrtes Ölbild seines Freundes Moritz Retzsch wieder. Es<lb/>
zeigt einen edelgeformten Kopf mit reichlichem, teilweise die Stirn bedeckenden<lb/>
dunkelm Haar und einen feinen, fast durchsichtigen Teint; auffallend sind die<lb/>
kühn geschwungnen Augenbrauen und der charaktervolle, etwas sarkastische Mund.<lb/>
Sein Freund Friedrich Laun (Memoiren II, 6) berichtet, er habe in frühern<lb/>
Jahren an einer gewissen Engbrüstigkeit gelitten, die ihn dann und wann im<lb/>
Gespräche tief aufzuatmen zwang. Apel selbst deutet diese Schwäche seiner<lb/>
äußern Erscheinung an, wenn er vor seinem Eintreffen auf Schloß Scharfen-<lb/>
berg, dem Wohnsitze des Freiherrn von Miltitz, an diesen schreibt: &#x201E;Nun grüßen<lb/>
Sie alle Bewohner Ihres Hauses von mir, und tragen Sie besonders den Damen<lb/>
meine Bitte vor, daß sie an dem Humor, dem die Natur sich bei meiner Bildung<lb/>
hingegeben hat, kein Aergerniß nehmen. Ich bin deswegen doch eine ehrliche<lb/>
Haut und von ganzer Seel' und Gemüth Ihr Apel."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2089" next="#ID_2090"> Trotzdem beweisen seine Gedichte und andre Nachrichten, daß er bei den<lb/>
Frauen sehr viel Glück hatte. Eine geistig und sittlich sehr hochstehende<lb/>
Frau nennt in einer brieflichen Plauderei mit ihrem Gemahl als den einzigen<lb/>
Mann, der ihrer Seelenruhe hätte gefährlich werden können, August Apel.<lb/>
Das machte wohl sein zwischen sonnigster Heiterkeit und ahnungsvoller<lb/>
Schwermut abwechselndes Wesen und der unwiderstehliche Zauber, der von<lb/>
seiner geistvollen Unterhaltung auf alle Hörer überging. &#x201E;Er war eins der<lb/>
seltenen Universaltalente, bei denen es nur des Willens bedarf, sich in irgend<lb/>
ein Fach des Wissens und der Kunst zu werfen, um auch des vollständigen<lb/>
Erfolges darin sicher zu sein." (Laun a. a. O. 10.) In seinen Briefen zeigt<lb/>
sich Apel als scharfen Beobachter der Menschen und als feinen Sprachmeister.<lb/>
Fremdworte gebraucht er, wie zum Beispiel LoimaiL8öiir statt Kenner, um</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboien IV 1907 61</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig hinaus zur bloßen Orchestermusik wird, wie der Gesang im andern Extrem zur rhetorischen Deklamation. Die Kunstkritik, sollt' ich meinen, wird immer ein schwankender Unfug bleiben, wenn sie nicht, wie die wahre Naturgeschichte schon anfängt, ein ideelles Nachbilden der Kunstwelt wird, dann aber freilich wird das Urteilen und Schreiben etwas unbequem." Die Abneigung gegen die gewerbsmäßigen Kritiker und das wahre Ver¬ hältnis zwischen Künstler und Kritiker beschäftigen Apel auch sonst; am 6. De¬ zember 1814 schreibt er: „Der Künstler, das gestehn wir Alle ohne Widerrede ein, bleibt gewöhnlich in seiner Produktion noch vom Ideal, das er dachte, entfernt, der Kritiker allerdings auch, gleichwol erhält sich immer der Schein, als stehe der Kritiker dem Ideal näher. Der beste und einzig kompetente Kritiker ist der Verfasser selbst, und ein andrer nur in wiefern er sich auf den Stand¬ punkt des Verfassers stellen und selbst seine Vorliebe empfinden kann." Ebenso deutlich wie den Theoretiker der schönen Künste enthüllen die gehaltvollen Briefe Apels den Menschen, der noch eine besondre Würdigung verdient. Apels Gesichtszüge gibt uns ein vortreffliches, jetzt in der Bibliothek zu Ermlitz aufbewahrtes Ölbild seines Freundes Moritz Retzsch wieder. Es zeigt einen edelgeformten Kopf mit reichlichem, teilweise die Stirn bedeckenden dunkelm Haar und einen feinen, fast durchsichtigen Teint; auffallend sind die kühn geschwungnen Augenbrauen und der charaktervolle, etwas sarkastische Mund. Sein Freund Friedrich Laun (Memoiren II, 6) berichtet, er habe in frühern Jahren an einer gewissen Engbrüstigkeit gelitten, die ihn dann und wann im Gespräche tief aufzuatmen zwang. Apel selbst deutet diese Schwäche seiner äußern Erscheinung an, wenn er vor seinem Eintreffen auf Schloß Scharfen- berg, dem Wohnsitze des Freiherrn von Miltitz, an diesen schreibt: „Nun grüßen Sie alle Bewohner Ihres Hauses von mir, und tragen Sie besonders den Damen meine Bitte vor, daß sie an dem Humor, dem die Natur sich bei meiner Bildung hingegeben hat, kein Aergerniß nehmen. Ich bin deswegen doch eine ehrliche Haut und von ganzer Seel' und Gemüth Ihr Apel." Trotzdem beweisen seine Gedichte und andre Nachrichten, daß er bei den Frauen sehr viel Glück hatte. Eine geistig und sittlich sehr hochstehende Frau nennt in einer brieflichen Plauderei mit ihrem Gemahl als den einzigen Mann, der ihrer Seelenruhe hätte gefährlich werden können, August Apel. Das machte wohl sein zwischen sonnigster Heiterkeit und ahnungsvoller Schwermut abwechselndes Wesen und der unwiderstehliche Zauber, der von seiner geistvollen Unterhaltung auf alle Hörer überging. „Er war eins der seltenen Universaltalente, bei denen es nur des Willens bedarf, sich in irgend ein Fach des Wissens und der Kunst zu werfen, um auch des vollständigen Erfolges darin sicher zu sein." (Laun a. a. O. 10.) In seinen Briefen zeigt sich Apel als scharfen Beobachter der Menschen und als feinen Sprachmeister. Fremdworte gebraucht er, wie zum Beispiel LoimaiL8öiir statt Kenner, um Grenzboien IV 1907 61

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/477>, abgerufen am 22.07.2024.