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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

Not den Menschen den Wert geistiger Güter verschleierte. So kam er in Ver¬
gessenheit. Aber die glücklichere Gegenwart, die das Andenken manches tüchtigen
Mannes der Vergangenheit erneuert hat, wird auch ihm gerecht werden-
Gelegentlich einer Arbeit über die ihm eng befreundeten Romantiker Fouque
und Miltitz habe ich soeben vierzehn Briefe Apels, die uns tiefe Einblicke in
seine Seele tun lassen, veröffentlicht*) und auch von seinen in Ermlitz ver¬
wahrten Tagebüchern und manchen andern ungedruckten Konzepten und Ent¬
würfen Kenntnis erhalten. So sollen diese Zeilen ein etwas deutlicheres Bild
August Apels skizzieren. Eine umfassendere Darstellung seines Lebens und
Wesens wird von seinem Urenkel Herrn Theodor Apel auf Ermlitz vorbereitet.

August Apel war zunächst ein nicht unbedeutender Dichter. Er nahm es
ernst mit der Kunst und legte großen Wert auch auf eine gesellte Form. Seine
ersten größern Arbeiten zeigen ihn als den Lehrling der Griechen. In dem
1805 erschienenen Drama "Polyidos" ist der Mythos von dem Seher dramatisiert,
der den in einem Honigfaß erstickten Glaukos, den Sohn des Minos, durch
geheimnisvolle Künste wieder zum Leben weckt, in der "Kalliroe" (1806) die
Erzählung von der sich hartnäckig der Liebe verschließenden Kalydonierin dieses
Namens, die dadurch sich und dem liebenden Koresos den Tod bereitet, und in den
"Aitoliern" (1806) die bekanntere Sage von Meleagros. Alle drei Dichtungen
zeichnen sich durch edle Sprache und Hoheit der Empfindungen aus, und Apel
wollte wohl mit ihnen den besonders geschätzten Euripides nachahmen, dessen
Bild das Titelblatt der Aitolier ziert, aber er hat ihn weder im Bau der
Handlung noch in der psychologischen Motivierung erreicht.

Dann hat Apel den vaterländischen Stoff "Kunz von Kauffung" zu einem
fünfaktigen Trauerspiel gestaltet (erschienen 1809 bei Weigel in Leipzig), das
mir bühnenfühiger zu sein scheint als die griechischen Stücke; Kunz ist darin
so weit idealisiert, daß wir seinen Untergang mit Teilnahme verfolgen. Endlich
enthält ein mir vorliegendes Konzeptenbuch einen "Plan zum Catilina", den
Apel als einen Vertreter der Volksrechte und Feind aller Tyrannen darstellen
wollte. Die Dichtung sollte durch Anspielungen auf die Erhebung des Herzogs
von Braunschweig (im Frühling 1809) und auf den Heldenkampf der Tiroler
gegen Napoleon gemünzt sein.

Das zweite Gebiet, das Apel mit Vorliebe anbaute, ist das der Novelle
und des Märchens. Seine ausgesprochne Vorliebe für Wunderbares und für
Geistererscheinungen, die nach seiner Ansicht belehrend und helfend oder warnend
und strafend in die Lebensführung der Menschen eingreifen, führt ihn weit
hinein in das Traumland der Romantik. Die erste größere mit Friedrich Laun
herausgegebne Sammlung von Erzählungen nannte er das "Gespensterbuch"
(Leipzig, Göschen. 1810 bis 1812), eine zweite, die er allerdings nicht beenden



*) In meinem in der Dürrschen Buchhandlung erschienenen Buche: Fouque, Apel,
Miltitz, Beiträge zur Geschichte der deutschen Romantik. (Leipzig, 1908, 220 S,)
August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

Not den Menschen den Wert geistiger Güter verschleierte. So kam er in Ver¬
gessenheit. Aber die glücklichere Gegenwart, die das Andenken manches tüchtigen
Mannes der Vergangenheit erneuert hat, wird auch ihm gerecht werden-
Gelegentlich einer Arbeit über die ihm eng befreundeten Romantiker Fouque
und Miltitz habe ich soeben vierzehn Briefe Apels, die uns tiefe Einblicke in
seine Seele tun lassen, veröffentlicht*) und auch von seinen in Ermlitz ver¬
wahrten Tagebüchern und manchen andern ungedruckten Konzepten und Ent¬
würfen Kenntnis erhalten. So sollen diese Zeilen ein etwas deutlicheres Bild
August Apels skizzieren. Eine umfassendere Darstellung seines Lebens und
Wesens wird von seinem Urenkel Herrn Theodor Apel auf Ermlitz vorbereitet.

August Apel war zunächst ein nicht unbedeutender Dichter. Er nahm es
ernst mit der Kunst und legte großen Wert auch auf eine gesellte Form. Seine
ersten größern Arbeiten zeigen ihn als den Lehrling der Griechen. In dem
1805 erschienenen Drama „Polyidos" ist der Mythos von dem Seher dramatisiert,
der den in einem Honigfaß erstickten Glaukos, den Sohn des Minos, durch
geheimnisvolle Künste wieder zum Leben weckt, in der „Kalliroe" (1806) die
Erzählung von der sich hartnäckig der Liebe verschließenden Kalydonierin dieses
Namens, die dadurch sich und dem liebenden Koresos den Tod bereitet, und in den
„Aitoliern" (1806) die bekanntere Sage von Meleagros. Alle drei Dichtungen
zeichnen sich durch edle Sprache und Hoheit der Empfindungen aus, und Apel
wollte wohl mit ihnen den besonders geschätzten Euripides nachahmen, dessen
Bild das Titelblatt der Aitolier ziert, aber er hat ihn weder im Bau der
Handlung noch in der psychologischen Motivierung erreicht.

Dann hat Apel den vaterländischen Stoff „Kunz von Kauffung" zu einem
fünfaktigen Trauerspiel gestaltet (erschienen 1809 bei Weigel in Leipzig), das
mir bühnenfühiger zu sein scheint als die griechischen Stücke; Kunz ist darin
so weit idealisiert, daß wir seinen Untergang mit Teilnahme verfolgen. Endlich
enthält ein mir vorliegendes Konzeptenbuch einen „Plan zum Catilina", den
Apel als einen Vertreter der Volksrechte und Feind aller Tyrannen darstellen
wollte. Die Dichtung sollte durch Anspielungen auf die Erhebung des Herzogs
von Braunschweig (im Frühling 1809) und auf den Heldenkampf der Tiroler
gegen Napoleon gemünzt sein.

Das zweite Gebiet, das Apel mit Vorliebe anbaute, ist das der Novelle
und des Märchens. Seine ausgesprochne Vorliebe für Wunderbares und für
Geistererscheinungen, die nach seiner Ansicht belehrend und helfend oder warnend
und strafend in die Lebensführung der Menschen eingreifen, führt ihn weit
hinein in das Traumland der Romantik. Die erste größere mit Friedrich Laun
herausgegebne Sammlung von Erzählungen nannte er das „Gespensterbuch"
(Leipzig, Göschen. 1810 bis 1812), eine zweite, die er allerdings nicht beenden



*) In meinem in der Dürrschen Buchhandlung erschienenen Buche: Fouque, Apel,
Miltitz, Beiträge zur Geschichte der deutschen Romantik. (Leipzig, 1908, 220 S,)
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[0418] August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig Not den Menschen den Wert geistiger Güter verschleierte. So kam er in Ver¬ gessenheit. Aber die glücklichere Gegenwart, die das Andenken manches tüchtigen Mannes der Vergangenheit erneuert hat, wird auch ihm gerecht werden- Gelegentlich einer Arbeit über die ihm eng befreundeten Romantiker Fouque und Miltitz habe ich soeben vierzehn Briefe Apels, die uns tiefe Einblicke in seine Seele tun lassen, veröffentlicht*) und auch von seinen in Ermlitz ver¬ wahrten Tagebüchern und manchen andern ungedruckten Konzepten und Ent¬ würfen Kenntnis erhalten. So sollen diese Zeilen ein etwas deutlicheres Bild August Apels skizzieren. Eine umfassendere Darstellung seines Lebens und Wesens wird von seinem Urenkel Herrn Theodor Apel auf Ermlitz vorbereitet. August Apel war zunächst ein nicht unbedeutender Dichter. Er nahm es ernst mit der Kunst und legte großen Wert auch auf eine gesellte Form. Seine ersten größern Arbeiten zeigen ihn als den Lehrling der Griechen. In dem 1805 erschienenen Drama „Polyidos" ist der Mythos von dem Seher dramatisiert, der den in einem Honigfaß erstickten Glaukos, den Sohn des Minos, durch geheimnisvolle Künste wieder zum Leben weckt, in der „Kalliroe" (1806) die Erzählung von der sich hartnäckig der Liebe verschließenden Kalydonierin dieses Namens, die dadurch sich und dem liebenden Koresos den Tod bereitet, und in den „Aitoliern" (1806) die bekanntere Sage von Meleagros. Alle drei Dichtungen zeichnen sich durch edle Sprache und Hoheit der Empfindungen aus, und Apel wollte wohl mit ihnen den besonders geschätzten Euripides nachahmen, dessen Bild das Titelblatt der Aitolier ziert, aber er hat ihn weder im Bau der Handlung noch in der psychologischen Motivierung erreicht. Dann hat Apel den vaterländischen Stoff „Kunz von Kauffung" zu einem fünfaktigen Trauerspiel gestaltet (erschienen 1809 bei Weigel in Leipzig), das mir bühnenfühiger zu sein scheint als die griechischen Stücke; Kunz ist darin so weit idealisiert, daß wir seinen Untergang mit Teilnahme verfolgen. Endlich enthält ein mir vorliegendes Konzeptenbuch einen „Plan zum Catilina", den Apel als einen Vertreter der Volksrechte und Feind aller Tyrannen darstellen wollte. Die Dichtung sollte durch Anspielungen auf die Erhebung des Herzogs von Braunschweig (im Frühling 1809) und auf den Heldenkampf der Tiroler gegen Napoleon gemünzt sein. Das zweite Gebiet, das Apel mit Vorliebe anbaute, ist das der Novelle und des Märchens. Seine ausgesprochne Vorliebe für Wunderbares und für Geistererscheinungen, die nach seiner Ansicht belehrend und helfend oder warnend und strafend in die Lebensführung der Menschen eingreifen, führt ihn weit hinein in das Traumland der Romantik. Die erste größere mit Friedrich Laun herausgegebne Sammlung von Erzählungen nannte er das „Gespensterbuch" (Leipzig, Göschen. 1810 bis 1812), eine zweite, die er allerdings nicht beenden *) In meinem in der Dürrschen Buchhandlung erschienenen Buche: Fouque, Apel, Miltitz, Beiträge zur Geschichte der deutschen Romantik. (Leipzig, 1908, 220 S,)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/418>, abgerufen am 01.07.2024.