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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

garder mit seinen gerade blühenden Rosen ... ging es häufig in den anstoßenden,
mit einem köstlichen Reichtums uralter Eichen versehenen Wald, ferner nach
einer Gegend, welche der Berg genannt wird ... und zuletzt gewöhnlich wieder
zurück in den Gartensaal ans Pianoforte.... Der Abend im Schloßgarten
zu Ermlitz brachte besondere Schauer mit. Zufolge alter Sagen waren in
vorigen Zeiten, wo das Hochgericht nicht weit davon gelegen gewesen, dort
manche UnHeimlichkeiten zur Zeit der Dämmerung und später vorgekommen."
Hier liegt wohl eine der Wurzeln von Apels Glauben an Gespenster, Ahnungen
und Vorzeichen, der in seinem Dichten und in seinem Leben eine so große
Rolle spielte.

August Apel blieb, obwohl er. wie seine zahlreichen erotischen Gedichte
zeigen, ein für Liebe leicht entzündbares Herz besaß, lange Zeit unvermählt.
Erst als hoher Dreißiger, am 8. Oktober 1808, verheiratete er sich mit Emilie
Hindenburg, der Tochter des berühmten Professors der Mathematik und Physik
an der Leipziger Universität. Diese Verbindung muß ihn anfangs sehr beglückt
haben. Laun a. a. O. S. 21 schreibt: "Noch erinnere ich mich des ganz eignen
Ausdrucks von Frohsinn in den gewöhnlich vom tiefsten Ernste zeugenden
Zügen der edeln Form seines Gesichts, einer in seinem vielsagenden braunen
Auge noch nie wahrgenommenen ganz eigentlichen Seligkeit bei der Ankündigung,
daß er auf seine Bewerbung um die Hand der Ersehnten das Ja erhalten. Es
war auch wirklich eine noch wahrhaft kindliche Frauengestalt im schönsten
Sinne des Worts, eine reizende Jungfrau von ohngefähr sechzehn Jahren,
deren glanzvolles, dunkles Auge an eine ihr im wesentlichen ganz unbekannte
Zukunft jene fromme Hingebung aussprach, die auf dem vollkommensten Ver¬
trauen in die Gesinnung und Liebe eines hochgeachteten Bräutigams beruht."
Die Gattin gebar ihm 1811 seinen Sohn Guido Theodor, den nachher be¬
kannten Lustspieldichter und Patrioten, der trotz seiner ihm im Alter von
38 Jahren überkommnen Blindheit ein großes Epos über die Leipziger
Schlacht plante und bei den Vorarbeiten dazu die 41 wichtigsten Punkte der
Schlachtfelder durch Denksteine bezeichnen ließ. Übrigens lebte Apel, sei es,
daß er frühere Verbindungen nicht aufgab, oder daß der Altersunterschied
der beiden Gatten zu groß war, mit seiner Frau nicht glücklich, und er er¬
lebte auch nicht das Heranwachsen seines hochbegabten Sohnes. Denn schon
am 9. August 1816 erlag der noch nicht fünfundvierzigjährige Mann einer
tückischen Halsbrüuue, die seine etwas schwache Brust nicht zu überwinden im¬
stande war.

Dieses ohne größere äußere Schicksale dahingegangne Leben würde kaum
eine besondre Darstellung verdienen, wenn ihm nicht eine außerordentliche innere
Bedeutung eigen gewesen wäre. August Apel war einer der interessantesten
und bedeutendsten Männer, die Leipzig hervorgebracht hat. Und wenn sein
Name bisher nicht unter diesen genannt wurde, so lag das wohl daran, daß
er in einer der unglücklichsten Epochen unsers Vaterlands starb, wo die materielle


Grenzboten IV 1907 53
August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig

garder mit seinen gerade blühenden Rosen ... ging es häufig in den anstoßenden,
mit einem köstlichen Reichtums uralter Eichen versehenen Wald, ferner nach
einer Gegend, welche der Berg genannt wird ... und zuletzt gewöhnlich wieder
zurück in den Gartensaal ans Pianoforte.... Der Abend im Schloßgarten
zu Ermlitz brachte besondere Schauer mit. Zufolge alter Sagen waren in
vorigen Zeiten, wo das Hochgericht nicht weit davon gelegen gewesen, dort
manche UnHeimlichkeiten zur Zeit der Dämmerung und später vorgekommen."
Hier liegt wohl eine der Wurzeln von Apels Glauben an Gespenster, Ahnungen
und Vorzeichen, der in seinem Dichten und in seinem Leben eine so große
Rolle spielte.

August Apel blieb, obwohl er. wie seine zahlreichen erotischen Gedichte
zeigen, ein für Liebe leicht entzündbares Herz besaß, lange Zeit unvermählt.
Erst als hoher Dreißiger, am 8. Oktober 1808, verheiratete er sich mit Emilie
Hindenburg, der Tochter des berühmten Professors der Mathematik und Physik
an der Leipziger Universität. Diese Verbindung muß ihn anfangs sehr beglückt
haben. Laun a. a. O. S. 21 schreibt: „Noch erinnere ich mich des ganz eignen
Ausdrucks von Frohsinn in den gewöhnlich vom tiefsten Ernste zeugenden
Zügen der edeln Form seines Gesichts, einer in seinem vielsagenden braunen
Auge noch nie wahrgenommenen ganz eigentlichen Seligkeit bei der Ankündigung,
daß er auf seine Bewerbung um die Hand der Ersehnten das Ja erhalten. Es
war auch wirklich eine noch wahrhaft kindliche Frauengestalt im schönsten
Sinne des Worts, eine reizende Jungfrau von ohngefähr sechzehn Jahren,
deren glanzvolles, dunkles Auge an eine ihr im wesentlichen ganz unbekannte
Zukunft jene fromme Hingebung aussprach, die auf dem vollkommensten Ver¬
trauen in die Gesinnung und Liebe eines hochgeachteten Bräutigams beruht."
Die Gattin gebar ihm 1811 seinen Sohn Guido Theodor, den nachher be¬
kannten Lustspieldichter und Patrioten, der trotz seiner ihm im Alter von
38 Jahren überkommnen Blindheit ein großes Epos über die Leipziger
Schlacht plante und bei den Vorarbeiten dazu die 41 wichtigsten Punkte der
Schlachtfelder durch Denksteine bezeichnen ließ. Übrigens lebte Apel, sei es,
daß er frühere Verbindungen nicht aufgab, oder daß der Altersunterschied
der beiden Gatten zu groß war, mit seiner Frau nicht glücklich, und er er¬
lebte auch nicht das Heranwachsen seines hochbegabten Sohnes. Denn schon
am 9. August 1816 erlag der noch nicht fünfundvierzigjährige Mann einer
tückischen Halsbrüuue, die seine etwas schwache Brust nicht zu überwinden im¬
stande war.

Dieses ohne größere äußere Schicksale dahingegangne Leben würde kaum
eine besondre Darstellung verdienen, wenn ihm nicht eine außerordentliche innere
Bedeutung eigen gewesen wäre. August Apel war einer der interessantesten
und bedeutendsten Männer, die Leipzig hervorgebracht hat. Und wenn sein
Name bisher nicht unter diesen genannt wurde, so lag das wohl daran, daß
er in einer der unglücklichsten Epochen unsers Vaterlands starb, wo die materielle


Grenzboten IV 1907 53
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[0417] August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig garder mit seinen gerade blühenden Rosen ... ging es häufig in den anstoßenden, mit einem köstlichen Reichtums uralter Eichen versehenen Wald, ferner nach einer Gegend, welche der Berg genannt wird ... und zuletzt gewöhnlich wieder zurück in den Gartensaal ans Pianoforte.... Der Abend im Schloßgarten zu Ermlitz brachte besondere Schauer mit. Zufolge alter Sagen waren in vorigen Zeiten, wo das Hochgericht nicht weit davon gelegen gewesen, dort manche UnHeimlichkeiten zur Zeit der Dämmerung und später vorgekommen." Hier liegt wohl eine der Wurzeln von Apels Glauben an Gespenster, Ahnungen und Vorzeichen, der in seinem Dichten und in seinem Leben eine so große Rolle spielte. August Apel blieb, obwohl er. wie seine zahlreichen erotischen Gedichte zeigen, ein für Liebe leicht entzündbares Herz besaß, lange Zeit unvermählt. Erst als hoher Dreißiger, am 8. Oktober 1808, verheiratete er sich mit Emilie Hindenburg, der Tochter des berühmten Professors der Mathematik und Physik an der Leipziger Universität. Diese Verbindung muß ihn anfangs sehr beglückt haben. Laun a. a. O. S. 21 schreibt: „Noch erinnere ich mich des ganz eignen Ausdrucks von Frohsinn in den gewöhnlich vom tiefsten Ernste zeugenden Zügen der edeln Form seines Gesichts, einer in seinem vielsagenden braunen Auge noch nie wahrgenommenen ganz eigentlichen Seligkeit bei der Ankündigung, daß er auf seine Bewerbung um die Hand der Ersehnten das Ja erhalten. Es war auch wirklich eine noch wahrhaft kindliche Frauengestalt im schönsten Sinne des Worts, eine reizende Jungfrau von ohngefähr sechzehn Jahren, deren glanzvolles, dunkles Auge an eine ihr im wesentlichen ganz unbekannte Zukunft jene fromme Hingebung aussprach, die auf dem vollkommensten Ver¬ trauen in die Gesinnung und Liebe eines hochgeachteten Bräutigams beruht." Die Gattin gebar ihm 1811 seinen Sohn Guido Theodor, den nachher be¬ kannten Lustspieldichter und Patrioten, der trotz seiner ihm im Alter von 38 Jahren überkommnen Blindheit ein großes Epos über die Leipziger Schlacht plante und bei den Vorarbeiten dazu die 41 wichtigsten Punkte der Schlachtfelder durch Denksteine bezeichnen ließ. Übrigens lebte Apel, sei es, daß er frühere Verbindungen nicht aufgab, oder daß der Altersunterschied der beiden Gatten zu groß war, mit seiner Frau nicht glücklich, und er er¬ lebte auch nicht das Heranwachsen seines hochbegabten Sohnes. Denn schon am 9. August 1816 erlag der noch nicht fünfundvierzigjährige Mann einer tückischen Halsbrüuue, die seine etwas schwache Brust nicht zu überwinden im¬ stande war. Dieses ohne größere äußere Schicksale dahingegangne Leben würde kaum eine besondre Darstellung verdienen, wenn ihm nicht eine außerordentliche innere Bedeutung eigen gewesen wäre. August Apel war einer der interessantesten und bedeutendsten Männer, die Leipzig hervorgebracht hat. Und wenn sein Name bisher nicht unter diesen genannt wurde, so lag das wohl daran, daß er in einer der unglücklichsten Epochen unsers Vaterlands starb, wo die materielle Grenzboten IV 1907 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/417>, abgerufen am 01.10.2024.