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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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"Das deutsche Zentrum" das erste. Dieser wird für den Anfang, jener für
einzelne spätere Perioden des Kampfes recht haben. An eine der vielen
Lehren, die uns jene Zeit hinterlassen hat, soll wenigstens kurz erinnert
werden. Solche evangelische Christen, deren vorherrschende Leidenschaft der
Haß gegen den Papst ist, haben wenig Ursache, Bismarck dankbar zu sein.
Nicht allein hat er schon durch die bloße Einleitung des Kulturkampfes den
unvermeidlichen Ausgang verschuldet, dessen natürliche Folge die Stärkung
des Katholizismus, also auch des Papsttums, in Deutschland war, er hat
auch direkt zur Erhöhung des päpstlichen Ansehens beigetragen. Im acht¬
zehnten Jahrhundert pflegten die Staatsmänner den ohnmächtig gewordnen
Papst unhöflich, Kirchensucheu überhaupt on W^WUe- zu behandeln. Nach
der Restauration fürchteten sich alle Potentaten vor der Revolution und
schätzten den Papst als den vermeintlich stärksten Hort der Autorität uach
dem russischen Kaiser. Auch nichtkatholische Regierungen umschmeichelten ihn
und suchten durch ihn auf ihre Untertanen einzuwirken. Niemand nun ist
darin weiter gegangen als Bismarck. In seinen Gedanken und Erinnerungen
spricht er wiederholt ganz unbefangen davon und bedauert nur, daß des
Papstes Einfluß auf die Politik der deutschen Katholiken zu schwach sei. (Man
lese besonders II, 153.) Wenn man nun bedenkt, wie das Verhalten der
Großen auf die Volksphantasie wirkt, so wird man zugeben müssen, daß ihr
Verhalten dein Papste gegenüber im neunzehnten Jahrhundert die übertriebne
Vorstellung, die der gläubige Katholik vom Papste hegt, außerordentlich zu
stärken geeignet war. Nach dem verunglückten Einmischungsversuch der Kurie
im Septennatsstreit rechtfertigte Windthorst die "Rebellion" des Zentrums
(sonst, sagte er bei einer andern Gelegenheit, pflegt man uns Kadavergehorsam
vorzuwerfen) vor einer großen Versammlung im Gürzenich zu Köln und
sprach n. a.: "Es gab im Kulturkampf Leute, die ihre Seligkeit in Gefahr
wähnten gegenüber den Äußerungen des Heiligen Vaters. Wir hatten Ge¬
setze, die die Kompetenz des Heiligen Vaters in deutschen Landen absolut
bestritten, die durch Paragraphen die deutschen Katholiken vom römischen
Stuhle trennen wollten. Das sind die kuriosen Gesetzmacher in Berlin! Und
heute rufen alle nach dem Heiligen Vater. Er ist der alleinige Retter in der
Not. Man will sogar von liberaler Seite den Herrn Erzbischof als Kandi¬
daten für den Reichstag aufstellen. 0 M-um, M'um, M-um, c> Huas wutatio
rerum! (Stürmische Heiterkeit.) Das ist ein großes Resultat. Ich behaupte,
es hat in diesem Jahrhundert noch keinen Zeitpunkt gegeben, wo die Autorität
des Heiligen Vaters von aller Welt, von allem Volk, von klein und groß so
Carl Ientsch anerkannt worden ist wie heute."




windthorst

„Das deutsche Zentrum" das erste. Dieser wird für den Anfang, jener für
einzelne spätere Perioden des Kampfes recht haben. An eine der vielen
Lehren, die uns jene Zeit hinterlassen hat, soll wenigstens kurz erinnert
werden. Solche evangelische Christen, deren vorherrschende Leidenschaft der
Haß gegen den Papst ist, haben wenig Ursache, Bismarck dankbar zu sein.
Nicht allein hat er schon durch die bloße Einleitung des Kulturkampfes den
unvermeidlichen Ausgang verschuldet, dessen natürliche Folge die Stärkung
des Katholizismus, also auch des Papsttums, in Deutschland war, er hat
auch direkt zur Erhöhung des päpstlichen Ansehens beigetragen. Im acht¬
zehnten Jahrhundert pflegten die Staatsmänner den ohnmächtig gewordnen
Papst unhöflich, Kirchensucheu überhaupt on W^WUe- zu behandeln. Nach
der Restauration fürchteten sich alle Potentaten vor der Revolution und
schätzten den Papst als den vermeintlich stärksten Hort der Autorität uach
dem russischen Kaiser. Auch nichtkatholische Regierungen umschmeichelten ihn
und suchten durch ihn auf ihre Untertanen einzuwirken. Niemand nun ist
darin weiter gegangen als Bismarck. In seinen Gedanken und Erinnerungen
spricht er wiederholt ganz unbefangen davon und bedauert nur, daß des
Papstes Einfluß auf die Politik der deutschen Katholiken zu schwach sei. (Man
lese besonders II, 153.) Wenn man nun bedenkt, wie das Verhalten der
Großen auf die Volksphantasie wirkt, so wird man zugeben müssen, daß ihr
Verhalten dein Papste gegenüber im neunzehnten Jahrhundert die übertriebne
Vorstellung, die der gläubige Katholik vom Papste hegt, außerordentlich zu
stärken geeignet war. Nach dem verunglückten Einmischungsversuch der Kurie
im Septennatsstreit rechtfertigte Windthorst die „Rebellion" des Zentrums
(sonst, sagte er bei einer andern Gelegenheit, pflegt man uns Kadavergehorsam
vorzuwerfen) vor einer großen Versammlung im Gürzenich zu Köln und
sprach n. a.: „Es gab im Kulturkampf Leute, die ihre Seligkeit in Gefahr
wähnten gegenüber den Äußerungen des Heiligen Vaters. Wir hatten Ge¬
setze, die die Kompetenz des Heiligen Vaters in deutschen Landen absolut
bestritten, die durch Paragraphen die deutschen Katholiken vom römischen
Stuhle trennen wollten. Das sind die kuriosen Gesetzmacher in Berlin! Und
heute rufen alle nach dem Heiligen Vater. Er ist der alleinige Retter in der
Not. Man will sogar von liberaler Seite den Herrn Erzbischof als Kandi¬
daten für den Reichstag aufstellen. 0 M-um, M'um, M-um, c> Huas wutatio
rerum! (Stürmische Heiterkeit.) Das ist ein großes Resultat. Ich behaupte,
es hat in diesem Jahrhundert noch keinen Zeitpunkt gegeben, wo die Autorität
des Heiligen Vaters von aller Welt, von allem Volk, von klein und groß so
Carl Ientsch anerkannt worden ist wie heute."




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[0359] windthorst „Das deutsche Zentrum" das erste. Dieser wird für den Anfang, jener für einzelne spätere Perioden des Kampfes recht haben. An eine der vielen Lehren, die uns jene Zeit hinterlassen hat, soll wenigstens kurz erinnert werden. Solche evangelische Christen, deren vorherrschende Leidenschaft der Haß gegen den Papst ist, haben wenig Ursache, Bismarck dankbar zu sein. Nicht allein hat er schon durch die bloße Einleitung des Kulturkampfes den unvermeidlichen Ausgang verschuldet, dessen natürliche Folge die Stärkung des Katholizismus, also auch des Papsttums, in Deutschland war, er hat auch direkt zur Erhöhung des päpstlichen Ansehens beigetragen. Im acht¬ zehnten Jahrhundert pflegten die Staatsmänner den ohnmächtig gewordnen Papst unhöflich, Kirchensucheu überhaupt on W^WUe- zu behandeln. Nach der Restauration fürchteten sich alle Potentaten vor der Revolution und schätzten den Papst als den vermeintlich stärksten Hort der Autorität uach dem russischen Kaiser. Auch nichtkatholische Regierungen umschmeichelten ihn und suchten durch ihn auf ihre Untertanen einzuwirken. Niemand nun ist darin weiter gegangen als Bismarck. In seinen Gedanken und Erinnerungen spricht er wiederholt ganz unbefangen davon und bedauert nur, daß des Papstes Einfluß auf die Politik der deutschen Katholiken zu schwach sei. (Man lese besonders II, 153.) Wenn man nun bedenkt, wie das Verhalten der Großen auf die Volksphantasie wirkt, so wird man zugeben müssen, daß ihr Verhalten dein Papste gegenüber im neunzehnten Jahrhundert die übertriebne Vorstellung, die der gläubige Katholik vom Papste hegt, außerordentlich zu stärken geeignet war. Nach dem verunglückten Einmischungsversuch der Kurie im Septennatsstreit rechtfertigte Windthorst die „Rebellion" des Zentrums (sonst, sagte er bei einer andern Gelegenheit, pflegt man uns Kadavergehorsam vorzuwerfen) vor einer großen Versammlung im Gürzenich zu Köln und sprach n. a.: „Es gab im Kulturkampf Leute, die ihre Seligkeit in Gefahr wähnten gegenüber den Äußerungen des Heiligen Vaters. Wir hatten Ge¬ setze, die die Kompetenz des Heiligen Vaters in deutschen Landen absolut bestritten, die durch Paragraphen die deutschen Katholiken vom römischen Stuhle trennen wollten. Das sind die kuriosen Gesetzmacher in Berlin! Und heute rufen alle nach dem Heiligen Vater. Er ist der alleinige Retter in der Not. Man will sogar von liberaler Seite den Herrn Erzbischof als Kandi¬ daten für den Reichstag aufstellen. 0 M-um, M'um, M-um, c> Huas wutatio rerum! (Stürmische Heiterkeit.) Das ist ein großes Resultat. Ich behaupte, es hat in diesem Jahrhundert noch keinen Zeitpunkt gegeben, wo die Autorität des Heiligen Vaters von aller Welt, von allem Volk, von klein und groß so Carl Ientsch anerkannt worden ist wie heute."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/359>, abgerufen am 22.07.2024.