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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Großbritannien und Deutschland

fahren aus alter Gewohnheit noch fort, den König als "Onkel Eduard" zu
verspotten, obgleich sie sich bei ruhiger Überlegenheit doch sagen sollten, daß sie
damit weiter nichts erreichen als eine Störung der amtlichen auswärtigen Politik.
Die deutsche Presse hat jedoch bei ihrer geringen Verbreitung im Ausland
und bei dem Fehlen deutscher Weltpreßbureaus nicht entfernt den Einfluß auf
die öffentliche Meinung in allen Ländern des Erdenrundes wie die britische, und
deshalb ist es doppelt beklagenswert, daß diese ihre Hetzarbeit gegen uns trotz
allen Freundschaftsfesten fortsetzt.

Wird in Brasilien oder in Japan in irgendeinem Blatte eine völlig aus
der Luft gegriffne gemeine Lüge über Deutschland veröffentlicht, so kann man
fast immer sicher sein, diese Lüge bei einigem Nachforschen auf eine Londoner
Quelle zurückzuführen. So brachte vor einiger Zeit das in Rio de Janeiro
erscheinende ^ornal alö Liorninöroio einen langen Artikel über die "deutsche Ge¬
fahr", worin unter andern? behauptet wurde, auf den deutschen Schulatlanten
seien die drei brasilianischen Südstaaten schon als deutsche Kolonien bezeichnet.
Es konnte dann festgestellt werden, daß derselbe Unsinn einige Wochen vorher
im Nov? ?ort Hki'g.la und wiederum einige Wochen vorher im Londoner
Kv"zvtg.lor gestanden hatte, sodaß folglich der britische Ursprungsnachweis lückenlos
geführt war.

Bei Gelegenheit des brasilianischen Pantherzwischenfalls wurde nach
Newyork von London aus die böswillige Insinuation getadelt: die Aktion sei
von feiten des Kapitäns in der bestimmten Absicht in Szene gesetzt worden, die
Monroedoktrin und Präsident Noosevelts erweiterte Interpretation auf die Probe
zu stellen, denn wenn ein deutscher Marineoffizier eine solche noch dazu von
seiner Gesandtschaft als allgemein üblich bezeichnete Eigenmächtigkeit in Dover
versucht hätte, würde sofortiger Krieg die Folge gewesen sein, während sich das
Deutsche Reich Brasilien gegenüber derartiges ungestraft erlauben zu können
glaube und damit nur die Ansicht derer bestätige, die immer eine Okkupations¬
absicht Deutschlands ans Südamerika vorausgesagt hätten!

Während des russisch-japanischen Krieges tadelte man aus London nach
Tokio, daß die russische Flotte vou deutschen Kaufleuten mit Kohlen versorgt
würde. Hernach stellte es sich heraus, daß es englische Kohlen ans Cardiff
gewesen waren. Britische Depeschenbnreaus sind es, die Deutschland immer
wieder der versuchten Besitzergreifung einer Kohlenstation im Roten Meer, im
Indischen Ozean oder sonstwo beschuldigen und von den angeblich mit der
Bagdadbahn verfolgten politischen Plänen Deutschlands in Asien fabeln. Und
alle diese Lügen werden von den bekannten Londoner Konsortien ersonnen,
dessen gefährlichste Mitglieder Mr. Blenncrhasset, Lord Nvrthcliffe (früher Mr.
Harmsworth) und Mr. Pearson sind.

In dankenswerter Weise ist einer dieser Preßleute kürzlich durch den
britische" Kolvuialnuterstaatssekretär Mr. Winstvn-ChurchiU gemaßregelt worden,


Großbritannien und Deutschland

fahren aus alter Gewohnheit noch fort, den König als „Onkel Eduard" zu
verspotten, obgleich sie sich bei ruhiger Überlegenheit doch sagen sollten, daß sie
damit weiter nichts erreichen als eine Störung der amtlichen auswärtigen Politik.
Die deutsche Presse hat jedoch bei ihrer geringen Verbreitung im Ausland
und bei dem Fehlen deutscher Weltpreßbureaus nicht entfernt den Einfluß auf
die öffentliche Meinung in allen Ländern des Erdenrundes wie die britische, und
deshalb ist es doppelt beklagenswert, daß diese ihre Hetzarbeit gegen uns trotz
allen Freundschaftsfesten fortsetzt.

Wird in Brasilien oder in Japan in irgendeinem Blatte eine völlig aus
der Luft gegriffne gemeine Lüge über Deutschland veröffentlicht, so kann man
fast immer sicher sein, diese Lüge bei einigem Nachforschen auf eine Londoner
Quelle zurückzuführen. So brachte vor einiger Zeit das in Rio de Janeiro
erscheinende ^ornal alö Liorninöroio einen langen Artikel über die „deutsche Ge¬
fahr", worin unter andern? behauptet wurde, auf den deutschen Schulatlanten
seien die drei brasilianischen Südstaaten schon als deutsche Kolonien bezeichnet.
Es konnte dann festgestellt werden, daß derselbe Unsinn einige Wochen vorher
im Nov? ?ort Hki'g.la und wiederum einige Wochen vorher im Londoner
Kv«zvtg.lor gestanden hatte, sodaß folglich der britische Ursprungsnachweis lückenlos
geführt war.

Bei Gelegenheit des brasilianischen Pantherzwischenfalls wurde nach
Newyork von London aus die böswillige Insinuation getadelt: die Aktion sei
von feiten des Kapitäns in der bestimmten Absicht in Szene gesetzt worden, die
Monroedoktrin und Präsident Noosevelts erweiterte Interpretation auf die Probe
zu stellen, denn wenn ein deutscher Marineoffizier eine solche noch dazu von
seiner Gesandtschaft als allgemein üblich bezeichnete Eigenmächtigkeit in Dover
versucht hätte, würde sofortiger Krieg die Folge gewesen sein, während sich das
Deutsche Reich Brasilien gegenüber derartiges ungestraft erlauben zu können
glaube und damit nur die Ansicht derer bestätige, die immer eine Okkupations¬
absicht Deutschlands ans Südamerika vorausgesagt hätten!

Während des russisch-japanischen Krieges tadelte man aus London nach
Tokio, daß die russische Flotte vou deutschen Kaufleuten mit Kohlen versorgt
würde. Hernach stellte es sich heraus, daß es englische Kohlen ans Cardiff
gewesen waren. Britische Depeschenbnreaus sind es, die Deutschland immer
wieder der versuchten Besitzergreifung einer Kohlenstation im Roten Meer, im
Indischen Ozean oder sonstwo beschuldigen und von den angeblich mit der
Bagdadbahn verfolgten politischen Plänen Deutschlands in Asien fabeln. Und
alle diese Lügen werden von den bekannten Londoner Konsortien ersonnen,
dessen gefährlichste Mitglieder Mr. Blenncrhasset, Lord Nvrthcliffe (früher Mr.
Harmsworth) und Mr. Pearson sind.

In dankenswerter Weise ist einer dieser Preßleute kürzlich durch den
britische» Kolvuialnuterstaatssekretär Mr. Winstvn-ChurchiU gemaßregelt worden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/341>, abgerufen am 01.07.2024.