Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.ZVasmann und seine Berliner Opponenten beweise ist. wie gesagt, keine Rede; die Abstammungslehre bleibt Hypothese, Die Gründe Wasmanns werden von den Opponenten kaum berührt; es ZVasmann und seine Berliner Opponenten beweise ist. wie gesagt, keine Rede; die Abstammungslehre bleibt Hypothese, Die Gründe Wasmanns werden von den Opponenten kaum berührt; es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303667"/> <fw type="header" place="top"> ZVasmann und seine Berliner Opponenten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1041" prev="#ID_1040"> beweise ist. wie gesagt, keine Rede; die Abstammungslehre bleibt Hypothese,<lb/> allerdings eine sehr wahrscheinliche und nützliche.) Nun lassen sich für die Arten<lb/> derselben Gattung Übergänge nachweisen, die zu der Annahme einer genetischen<lb/> Verwandtschaft berechtigen, nicht aber für die großen Tierklassen, zum Beispiel<lb/> Insekten und Säugetiere; das ist Wasmanns Beweis.</p><lb/> <p xml:id="ID_1042" next="#ID_1043"> Die Gründe Wasmanns werden von den Opponenten kaum berührt; es<lb/> werden nur Behauptungen entgegengestellt; die wenigen versuchten Gegenbeweise<lb/> sind äußerst oberflächlich. (Von einem tiefern Eingehn auf die Sache konnte<lb/> freilich bei der Kürze der jedem der zwölf Redner zugemessenen Zeit keine Rede<lb/> sein. Darin liegt das Bedenkliche einer solchen öffentlichen Disputation; sie<lb/> verwirrt das Laienpublikum mehr, als daß sie es belehrte.) So wird die Ur¬<lb/> zeugung ohne Erwähnung der entgegenstehenden Schwierigkeiten einfach behauptet<lb/> (nämlich die Urzeugung bloß durch physikalische Kräfte; daß Urzeugung einmal<lb/> stattgefunden haben muß, steht fest, auch nach Wasmann, aber es war, um es<lb/> in Hartmanns Sprache auszudrücken, ein neuer Impuls „des Unbewußten"<lb/> dazu erforderlich). Vom Leben und von der Menschenseele wird behauptet, daß<lb/> sie Energieformen seien. Aber nicht einmal die Lebenskraft ist eine Energienrt,<lb/> wie Hartmann nachgewiesen hat, viel weniger der Menschengeist (siehe die vor¬<lb/> jährigen Grenzboten IV S. 404). Sehr wenig Scharfsinn verrät ein Beweis,<lb/> mit dem Plate aufwartet. „Die psychischen Erscheinungen spielen sich in völliger<lb/> Abhängigkeit von materiellen Prozessen ab, daher müssen sie wie diese als eine<lb/> Form der allgemeinen Energie angesehen werden." Die im Kopfe des Komponisten<lb/> entsprungne Melodie ist nur mit Hilfe von Darmsaiten zu verwirklichen, daher<lb/> muß sie als eine Art von Darmsaitenschwingungcn angesehen werden. Plate<lb/> erwähnt die Umsetzung der Energieformen ineinander; daß sich jede solche Um¬<lb/> setzung durch eine Gleichung ausdrücken läßt, und daß die Umsetzung bald im<lb/> Sinne der Gleichung von rechts nach links, bald von links nach rechts verläuft.<lb/> „Also diese Umkehrung der Energieformen ist uns eine geläufige Erscheinung<lb/> in der Natur, und daraus schließen wir: wenn der Leib beim Tode auf natür¬<lb/> lichem Wege in Staub zerfallen kann, so mußte es auch Bedingungen geben,<lb/> wo aus dem Staube auf natürlichem Wege der Leib werden konnte." Ein<lb/> Fehlschluß! Beim Zerfall eines Leibes gelten zwei Gleichungen. Einmal bleibt<lb/> die Stoffmasse nach dein Zerfall dieselbe wie vorher, und zum andern auch die<lb/> Summe der kalorischen, chemischen, elektrischen Energiemengen. Aber der Wille,<lb/> mit dem der Elefant — um nur die auffälligste, nicht die wunderbarste der<lb/> Äußerungen der Lebenskraft zu erwähnen — seine Muskelenergie so lenkt, daß<lb/> sie zum Beispiel ein Bäumchen entwurzelt, der kommt in keiner der beiden<lb/> Gleichungen vor. Er ist einfach verschwunden; er fällt nicht unter das Gesetz der<lb/> Erhaltung der Energie. Er erzeugt sich aufs neue, ohne sonstigen Zusammenhang<lb/> mit dem verstorbnen Elefanten, in seinen Nachkommen und würde bei Ausrottung<lb/> der Elefanten vollständig aus dem Weltall verschwinden. Dasselbe gilt noch offen¬<lb/> barer vom menschlichen Geistesleben. Bei allen Vorgängen im Gehirn: Gehirn-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
ZVasmann und seine Berliner Opponenten
beweise ist. wie gesagt, keine Rede; die Abstammungslehre bleibt Hypothese,
allerdings eine sehr wahrscheinliche und nützliche.) Nun lassen sich für die Arten
derselben Gattung Übergänge nachweisen, die zu der Annahme einer genetischen
Verwandtschaft berechtigen, nicht aber für die großen Tierklassen, zum Beispiel
Insekten und Säugetiere; das ist Wasmanns Beweis.
Die Gründe Wasmanns werden von den Opponenten kaum berührt; es
werden nur Behauptungen entgegengestellt; die wenigen versuchten Gegenbeweise
sind äußerst oberflächlich. (Von einem tiefern Eingehn auf die Sache konnte
freilich bei der Kürze der jedem der zwölf Redner zugemessenen Zeit keine Rede
sein. Darin liegt das Bedenkliche einer solchen öffentlichen Disputation; sie
verwirrt das Laienpublikum mehr, als daß sie es belehrte.) So wird die Ur¬
zeugung ohne Erwähnung der entgegenstehenden Schwierigkeiten einfach behauptet
(nämlich die Urzeugung bloß durch physikalische Kräfte; daß Urzeugung einmal
stattgefunden haben muß, steht fest, auch nach Wasmann, aber es war, um es
in Hartmanns Sprache auszudrücken, ein neuer Impuls „des Unbewußten"
dazu erforderlich). Vom Leben und von der Menschenseele wird behauptet, daß
sie Energieformen seien. Aber nicht einmal die Lebenskraft ist eine Energienrt,
wie Hartmann nachgewiesen hat, viel weniger der Menschengeist (siehe die vor¬
jährigen Grenzboten IV S. 404). Sehr wenig Scharfsinn verrät ein Beweis,
mit dem Plate aufwartet. „Die psychischen Erscheinungen spielen sich in völliger
Abhängigkeit von materiellen Prozessen ab, daher müssen sie wie diese als eine
Form der allgemeinen Energie angesehen werden." Die im Kopfe des Komponisten
entsprungne Melodie ist nur mit Hilfe von Darmsaiten zu verwirklichen, daher
muß sie als eine Art von Darmsaitenschwingungcn angesehen werden. Plate
erwähnt die Umsetzung der Energieformen ineinander; daß sich jede solche Um¬
setzung durch eine Gleichung ausdrücken läßt, und daß die Umsetzung bald im
Sinne der Gleichung von rechts nach links, bald von links nach rechts verläuft.
„Also diese Umkehrung der Energieformen ist uns eine geläufige Erscheinung
in der Natur, und daraus schließen wir: wenn der Leib beim Tode auf natür¬
lichem Wege in Staub zerfallen kann, so mußte es auch Bedingungen geben,
wo aus dem Staube auf natürlichem Wege der Leib werden konnte." Ein
Fehlschluß! Beim Zerfall eines Leibes gelten zwei Gleichungen. Einmal bleibt
die Stoffmasse nach dein Zerfall dieselbe wie vorher, und zum andern auch die
Summe der kalorischen, chemischen, elektrischen Energiemengen. Aber der Wille,
mit dem der Elefant — um nur die auffälligste, nicht die wunderbarste der
Äußerungen der Lebenskraft zu erwähnen — seine Muskelenergie so lenkt, daß
sie zum Beispiel ein Bäumchen entwurzelt, der kommt in keiner der beiden
Gleichungen vor. Er ist einfach verschwunden; er fällt nicht unter das Gesetz der
Erhaltung der Energie. Er erzeugt sich aufs neue, ohne sonstigen Zusammenhang
mit dem verstorbnen Elefanten, in seinen Nachkommen und würde bei Ausrottung
der Elefanten vollständig aus dem Weltall verschwinden. Dasselbe gilt noch offen¬
barer vom menschlichen Geistesleben. Bei allen Vorgängen im Gehirn: Gehirn-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |