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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Organisation eines Generalstabes festen Fuß gefaßt und sich gut entwickelt
hat. Der Generalstab des amerikanischen Heeres weicht in seinen Einrichtungen
und seinem Arbeitsfelde vielfach von der Organisation europäischer Armeen ab.
Er entstand aus dem Bedürfnis, mit dem Ausscheiden des Höchstkommandierenden
des amerikanischen Heeres, des Generals Miles im Mai 1903, diesen Posten
eingehn zu lassen und den Oberbefehl über die Armee im Frieden und im
Kriege zu teilen. Während die letzte Stelle dem rangältesten General mit
dem Titel "Generalleutnant" übertragen werden sollte, wurde der neu ernannte
Chef des Generalstabs der Armee dazu ausersehen, die Oberaufsicht über das
Heer im Frieden zu übernehmen. Er hat als obersten Vorgesetzten nur den
Präsidenten der Republik, kann aber auf dessen Anordnung auch dem Kriegs¬
minister zur Verfügung gestellt werden. Der Leitung des Generalstabschefs
unterstehn auch die Departements des Generaladjutanten, des General¬
inspekteurs und des Generaladvokaten, des Quartiermeisters, des Verpslegungs-,
Medizinal-, Nechnungs- und Waffenwesens sowie auch des Ingenieur- und
Signalkorps. Das Bureau des Generalstabs hat alle strategischen Fragen zu
bearbeiten, den Mobilmachungsplan aufzustellen, die Organisation der fremden
Armeen eingehend zu studieren, das Transportwesen militärisch zu organi¬
sieren usw. Zu diesem Zwecke wird das Generalstabskorps gebildet aus
2 Generalen, 4 Obersten, 6 Oberstleutnants, 12 Majors und 20 Hauptleuten
und Leutnants. Wer vier Jahre im Generalstab gearbeitet hat, muß diese
Tätigkeit durch zweijährigen Frontdienst unterbrechen, worauf er wieder in den
Generalstab zurückversetzt wird.

Der Chef des Generalstabs hat eine schwierige Position, und zur erfolg¬
reichen Ausübung seines Amtes gehören nicht nur gute militärische Kenntnisse,
sondern auch viel Takt. Das hat darin seinen Grund, daß es jetzt im Gegensatz
zu früher, wo nur der Kriegsminister und der Höchstkommandierende vorhanden
waren, drei, eigentlich sogar vier höchste Persönlichkeiten in der Armee gibt,
die jeder für sich das Recht in Anspruch nehmen können, in militärischen
Dingen das entscheidende Wort zu sprechen, nämlich den Kriegsminister, den
Generalleutnant, den Generalstabschef und als vierten den Chef der Artillerie,
der auch im Generalsrange steht und der einzige Offizier ist, der ex oMoio
Mitglied des Generalstnbskorps ist.

Aber trotz mancher entgegenstehenden Schwierigkeiten hat sich der General-
stab, wie schon kurz betont worden ist, bis jetzt gut entwickelt. Dazu hat in
nicht geringem Maße die Generalstabsschule in Fort Leawenworth beigetragen.
Sie bildet Offiziere aller Waffen für den Generalstab im Frieden und auch
im Kriege aus. Kommandiert werden als Schüler neun bis fünfzehn Offiziere,
die den Unterricht an der dortigen Infanterie- und Kavallerieschule durch¬
gemacht haben, drei bis fünf Artillerieoffiziere, und zwar vorzugsweise solche,
die die Schule in Fort Monroe absolviert haben, und zwei Genieoffiziere, die
vom Inspekteur dieser Waffe ausgesucht werden. Sämtliche Offiziere müssen


Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Organisation eines Generalstabes festen Fuß gefaßt und sich gut entwickelt
hat. Der Generalstab des amerikanischen Heeres weicht in seinen Einrichtungen
und seinem Arbeitsfelde vielfach von der Organisation europäischer Armeen ab.
Er entstand aus dem Bedürfnis, mit dem Ausscheiden des Höchstkommandierenden
des amerikanischen Heeres, des Generals Miles im Mai 1903, diesen Posten
eingehn zu lassen und den Oberbefehl über die Armee im Frieden und im
Kriege zu teilen. Während die letzte Stelle dem rangältesten General mit
dem Titel „Generalleutnant" übertragen werden sollte, wurde der neu ernannte
Chef des Generalstabs der Armee dazu ausersehen, die Oberaufsicht über das
Heer im Frieden zu übernehmen. Er hat als obersten Vorgesetzten nur den
Präsidenten der Republik, kann aber auf dessen Anordnung auch dem Kriegs¬
minister zur Verfügung gestellt werden. Der Leitung des Generalstabschefs
unterstehn auch die Departements des Generaladjutanten, des General¬
inspekteurs und des Generaladvokaten, des Quartiermeisters, des Verpslegungs-,
Medizinal-, Nechnungs- und Waffenwesens sowie auch des Ingenieur- und
Signalkorps. Das Bureau des Generalstabs hat alle strategischen Fragen zu
bearbeiten, den Mobilmachungsplan aufzustellen, die Organisation der fremden
Armeen eingehend zu studieren, das Transportwesen militärisch zu organi¬
sieren usw. Zu diesem Zwecke wird das Generalstabskorps gebildet aus
2 Generalen, 4 Obersten, 6 Oberstleutnants, 12 Majors und 20 Hauptleuten
und Leutnants. Wer vier Jahre im Generalstab gearbeitet hat, muß diese
Tätigkeit durch zweijährigen Frontdienst unterbrechen, worauf er wieder in den
Generalstab zurückversetzt wird.

Der Chef des Generalstabs hat eine schwierige Position, und zur erfolg¬
reichen Ausübung seines Amtes gehören nicht nur gute militärische Kenntnisse,
sondern auch viel Takt. Das hat darin seinen Grund, daß es jetzt im Gegensatz
zu früher, wo nur der Kriegsminister und der Höchstkommandierende vorhanden
waren, drei, eigentlich sogar vier höchste Persönlichkeiten in der Armee gibt,
die jeder für sich das Recht in Anspruch nehmen können, in militärischen
Dingen das entscheidende Wort zu sprechen, nämlich den Kriegsminister, den
Generalleutnant, den Generalstabschef und als vierten den Chef der Artillerie,
der auch im Generalsrange steht und der einzige Offizier ist, der ex oMoio
Mitglied des Generalstnbskorps ist.

Aber trotz mancher entgegenstehenden Schwierigkeiten hat sich der General-
stab, wie schon kurz betont worden ist, bis jetzt gut entwickelt. Dazu hat in
nicht geringem Maße die Generalstabsschule in Fort Leawenworth beigetragen.
Sie bildet Offiziere aller Waffen für den Generalstab im Frieden und auch
im Kriege aus. Kommandiert werden als Schüler neun bis fünfzehn Offiziere,
die den Unterricht an der dortigen Infanterie- und Kavallerieschule durch¬
gemacht haben, drei bis fünf Artillerieoffiziere, und zwar vorzugsweise solche,
die die Schule in Fort Monroe absolviert haben, und zwei Genieoffiziere, die
vom Inspekteur dieser Waffe ausgesucht werden. Sämtliche Offiziere müssen


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[0184] Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika Organisation eines Generalstabes festen Fuß gefaßt und sich gut entwickelt hat. Der Generalstab des amerikanischen Heeres weicht in seinen Einrichtungen und seinem Arbeitsfelde vielfach von der Organisation europäischer Armeen ab. Er entstand aus dem Bedürfnis, mit dem Ausscheiden des Höchstkommandierenden des amerikanischen Heeres, des Generals Miles im Mai 1903, diesen Posten eingehn zu lassen und den Oberbefehl über die Armee im Frieden und im Kriege zu teilen. Während die letzte Stelle dem rangältesten General mit dem Titel „Generalleutnant" übertragen werden sollte, wurde der neu ernannte Chef des Generalstabs der Armee dazu ausersehen, die Oberaufsicht über das Heer im Frieden zu übernehmen. Er hat als obersten Vorgesetzten nur den Präsidenten der Republik, kann aber auf dessen Anordnung auch dem Kriegs¬ minister zur Verfügung gestellt werden. Der Leitung des Generalstabschefs unterstehn auch die Departements des Generaladjutanten, des General¬ inspekteurs und des Generaladvokaten, des Quartiermeisters, des Verpslegungs-, Medizinal-, Nechnungs- und Waffenwesens sowie auch des Ingenieur- und Signalkorps. Das Bureau des Generalstabs hat alle strategischen Fragen zu bearbeiten, den Mobilmachungsplan aufzustellen, die Organisation der fremden Armeen eingehend zu studieren, das Transportwesen militärisch zu organi¬ sieren usw. Zu diesem Zwecke wird das Generalstabskorps gebildet aus 2 Generalen, 4 Obersten, 6 Oberstleutnants, 12 Majors und 20 Hauptleuten und Leutnants. Wer vier Jahre im Generalstab gearbeitet hat, muß diese Tätigkeit durch zweijährigen Frontdienst unterbrechen, worauf er wieder in den Generalstab zurückversetzt wird. Der Chef des Generalstabs hat eine schwierige Position, und zur erfolg¬ reichen Ausübung seines Amtes gehören nicht nur gute militärische Kenntnisse, sondern auch viel Takt. Das hat darin seinen Grund, daß es jetzt im Gegensatz zu früher, wo nur der Kriegsminister und der Höchstkommandierende vorhanden waren, drei, eigentlich sogar vier höchste Persönlichkeiten in der Armee gibt, die jeder für sich das Recht in Anspruch nehmen können, in militärischen Dingen das entscheidende Wort zu sprechen, nämlich den Kriegsminister, den Generalleutnant, den Generalstabschef und als vierten den Chef der Artillerie, der auch im Generalsrange steht und der einzige Offizier ist, der ex oMoio Mitglied des Generalstnbskorps ist. Aber trotz mancher entgegenstehenden Schwierigkeiten hat sich der General- stab, wie schon kurz betont worden ist, bis jetzt gut entwickelt. Dazu hat in nicht geringem Maße die Generalstabsschule in Fort Leawenworth beigetragen. Sie bildet Offiziere aller Waffen für den Generalstab im Frieden und auch im Kriege aus. Kommandiert werden als Schüler neun bis fünfzehn Offiziere, die den Unterricht an der dortigen Infanterie- und Kavallerieschule durch¬ gemacht haben, drei bis fünf Artillerieoffiziere, und zwar vorzugsweise solche, die die Schule in Fort Monroe absolviert haben, und zwei Genieoffiziere, die vom Inspekteur dieser Waffe ausgesucht werden. Sämtliche Offiziere müssen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/184>, abgerufen am 23.07.2024.