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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Militärbildungsroesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

braucht vor dem Eintritt keine Prüfung abgelegt zu werden, da ja, wie gesagt,
der Besuch der Schule für jeden Offizier obligatorisch ist. Das Schuljahr ist
in zwei Semester eingeteilt; das erste beginnt am 1. September und dauert
bis zum 31. Dezember, während das zweite am 4. Januar anfängt und am
30. Juni endigt. Das Lehrpersonal der Schule besteht aus einem Kommandeur,
der zugleich den Befehl über das Fort Leawenworth führt und auch die
Generalstabsschule unter sich hat, aus einem Stellvertreter des Kommandeurs
und einem Stab von Lehrern für die verschiednen Unterrichtsgegenstände. Die
Lehrer sind meist von auswärtigen Truppenteilen abkommandierte Offiziere,
doch ist der Kommandeur auch berechtigt, im Bedarfsfalle Hilfslehrer aus den
Truppenteilen der Fortbesatzung heranzuziehen.

Der Lehrgang umfaßt in der Hauptsache vier Unterrichtsgegenstände, und
zwar Taktik, Militärbaukunst, Militärgerichtsbarkeit und Militärsanitätswesen.
Der in diesen Abschnitten zusammengefaßte Studiengang begreift bei der Taktik:
kleinere Felddienstübungen, die Organisation fremder Armeen, Pferdedressur,
Tierarzueikunde, Gewehrexerzieren, Vorlesungen über die Grundzüge der
Strategie, Handhabung der verschiednen Waffen. Bei der Militürbaukunst:
militärische Geländeaufnahmen und Krokieren, Feldbefestigung und Genie¬
wesen. Militürrechtspflege und Verwaltung, Militärsanitätswesen und Gesund¬
heitslehre sind das übrige Arbeitsgebiet. Der Unterricht wird von den ältern
Sanitätsoffizieren des Militärpostens Fort Leawenworth abgehalten. Außer
für den theoretischen Unterricht stehn die Offiziere der Garnison Leawenworth
dem Kommandanten auch zur praktischen Ausbildung der kommandierten Offiziere
im Felddienst und Exerzieren zur Verfügung. Die Prüfungen werden jährlich
abgehalten, das heißt am Schluß einer jeden Studienperiode, und es wird
von jedem studierenden Offizier erwartet, daß er dabei 70 Prozent Punkte in
jedem Unterrichtsfach erhält. Ein Offizier, der diese Bedingungen nicht erfüllt,
darf nach dem Ermessen der Studienkommission viermal zur Wiederholung der
Prüfung zugelassen werden. Wenn er aber auch hierbei nicht genügt, dann
wird er mit dem Zeugnis "ungenügend" zu seinem Regiment zurückgeschickt
und vor ein Kriegsgericht gestellt. Im vorigen Jahre wurden nicht weniger als
acht Offiziere auf diese Weise bestraft und dann aus dem Dienst entlassen.

Die Aufgabe der Signalschule in Fort Leawenworth ist es, junge Offiziere
des Signalkorps in ihren Obliegenheiten auszubilden. Auch hier ist der
Kursus ein einjähriger, und es nehmen daran fünf Offiziere des Signalkorps,
vier Leutnants der Artillerie, der Infanterie oder der Kavallerie teil. Diese
müssen den Unterricht an der Infanterie- und der Kavallerieschule schon durch¬
gemacht haben. Die Schule ist erst vor wenigen Monaten eröffnet worden,
da es bisher an den notwendigen Lehrkräften gefehlt hat.

Von der größten Bedeutung für die Armee ist endlich noch die dritte
Schule, die in Leawenworth ihren Sitz hat: die Generalstabsschule (LtaS 0oIl6Zö).
Auch sie ist erst seit kurzer Zeit eröffnet, nachdem die im Jahre 1903 neugeschaffne


Das Militärbildungsroesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

braucht vor dem Eintritt keine Prüfung abgelegt zu werden, da ja, wie gesagt,
der Besuch der Schule für jeden Offizier obligatorisch ist. Das Schuljahr ist
in zwei Semester eingeteilt; das erste beginnt am 1. September und dauert
bis zum 31. Dezember, während das zweite am 4. Januar anfängt und am
30. Juni endigt. Das Lehrpersonal der Schule besteht aus einem Kommandeur,
der zugleich den Befehl über das Fort Leawenworth führt und auch die
Generalstabsschule unter sich hat, aus einem Stellvertreter des Kommandeurs
und einem Stab von Lehrern für die verschiednen Unterrichtsgegenstände. Die
Lehrer sind meist von auswärtigen Truppenteilen abkommandierte Offiziere,
doch ist der Kommandeur auch berechtigt, im Bedarfsfalle Hilfslehrer aus den
Truppenteilen der Fortbesatzung heranzuziehen.

Der Lehrgang umfaßt in der Hauptsache vier Unterrichtsgegenstände, und
zwar Taktik, Militärbaukunst, Militärgerichtsbarkeit und Militärsanitätswesen.
Der in diesen Abschnitten zusammengefaßte Studiengang begreift bei der Taktik:
kleinere Felddienstübungen, die Organisation fremder Armeen, Pferdedressur,
Tierarzueikunde, Gewehrexerzieren, Vorlesungen über die Grundzüge der
Strategie, Handhabung der verschiednen Waffen. Bei der Militürbaukunst:
militärische Geländeaufnahmen und Krokieren, Feldbefestigung und Genie¬
wesen. Militürrechtspflege und Verwaltung, Militärsanitätswesen und Gesund¬
heitslehre sind das übrige Arbeitsgebiet. Der Unterricht wird von den ältern
Sanitätsoffizieren des Militärpostens Fort Leawenworth abgehalten. Außer
für den theoretischen Unterricht stehn die Offiziere der Garnison Leawenworth
dem Kommandanten auch zur praktischen Ausbildung der kommandierten Offiziere
im Felddienst und Exerzieren zur Verfügung. Die Prüfungen werden jährlich
abgehalten, das heißt am Schluß einer jeden Studienperiode, und es wird
von jedem studierenden Offizier erwartet, daß er dabei 70 Prozent Punkte in
jedem Unterrichtsfach erhält. Ein Offizier, der diese Bedingungen nicht erfüllt,
darf nach dem Ermessen der Studienkommission viermal zur Wiederholung der
Prüfung zugelassen werden. Wenn er aber auch hierbei nicht genügt, dann
wird er mit dem Zeugnis „ungenügend" zu seinem Regiment zurückgeschickt
und vor ein Kriegsgericht gestellt. Im vorigen Jahre wurden nicht weniger als
acht Offiziere auf diese Weise bestraft und dann aus dem Dienst entlassen.

Die Aufgabe der Signalschule in Fort Leawenworth ist es, junge Offiziere
des Signalkorps in ihren Obliegenheiten auszubilden. Auch hier ist der
Kursus ein einjähriger, und es nehmen daran fünf Offiziere des Signalkorps,
vier Leutnants der Artillerie, der Infanterie oder der Kavallerie teil. Diese
müssen den Unterricht an der Infanterie- und der Kavallerieschule schon durch¬
gemacht haben. Die Schule ist erst vor wenigen Monaten eröffnet worden,
da es bisher an den notwendigen Lehrkräften gefehlt hat.

Von der größten Bedeutung für die Armee ist endlich noch die dritte
Schule, die in Leawenworth ihren Sitz hat: die Generalstabsschule (LtaS 0oIl6Zö).
Auch sie ist erst seit kurzer Zeit eröffnet, nachdem die im Jahre 1903 neugeschaffne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/183>, abgerufen am 22.07.2024.