Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bei den Glasbläsern von Lauscha

und mit der die Blättchen an den Rändern umgebogen werden, ferner ein
Glasstab für die völlige Teilung der Blätter, der nachher wieder die Zusammen¬
setzung über der Flamme folgt. So viel Atem der Röhrenzieher zu seiner Arbeit
verbraucht, so wenig bedarf dessen der Glasbläser. Er hilft zugleich auch mit den
Händen durch Drehen, Dehnen, Biegen und Zusammendrücken. Blüten wie Ver¬
gißmeinnicht werden aus dem Stab gemacht, unter Zuhilfenahme der Zange, mit
der die kleinen, cmgeschmolznen Glasballen zu Blättchen breit gedrückt werden.

Und nun bin ich beim finstern Mai angelangt, bei dem ich das Figuren¬
blasen sehen wollte. Ich hatte viel schon von ihm gehört. Der Lauschaer Kirchen¬
chor hat seine Berühmtheit seit langer Zeit. Zu seinen besten Sängern hat ehedem
der "finstre Mai" gehört. Die Lauschaer haben den Ruf des Schelmenbluts, der
Übermuts- und Neckgelüste. Dem finstern Mai hat außerdem das Duckmäuserige
angehaftet. Er ist einer von denen gewesen, die ein ehrbares Gesicht machen,
wenn sie ihre Schelmenstücke aushecken.

Die Lauschaer sind ihrem Herzog gute Landeskinder. Sind es auch um
Anno 1843 gewesen. Aber doch war die Freiheitsluft ihnen damals ein wenig
zu Kopf gestiegen, sodaß sie ihren Schießprügel zu sich nahmen und wildern gingen.
Damals ist viel Rehwildbret "in der Lausche" gegessen worden. Den ungeheuer
gelichteten Wildbestand sollen die Lauschaer Glasbläser jener Zeit auf dem Gewissen
haben. Katastrophen haben sich, soviel ich hörte, nicht ereignet. Der Lauschaer
hat vielmehr immer mit Witz, Heiterkeit und flinken Beinen gewußt, sich aus der
Schlinge zu ziehen.

Ich trottete gemach die steil aufsteigende Straße des Oberlands hinauf und
stellte wieder einmal meine lustige Signatur Lauschas fest: schwarze Schieferhäuser --
spähend herausgebeugte Köpfe -- hier und da ein Pack prächtiger Betten in der
Zugluft der offnen Fenster -- und Vogelbauer, eins oder deren mehrere, außen
an den Häusern . . . dazu die sanfte surrende, an eine eifrige Spinnerin gemahnende
Musik der Gasflammen. Nun sah ich einen alten Mann daher kommen. Fünf-
undachtzigjcihrig, wie ich später erfahren habe. Haupthaar und Bartwuchs grau¬
weiß und von unerhörter Fülle. Er trug einen Packen Glasröhren im Arm und
ging unmittelbar vor einem Wagen dahin, der, mit unruhigen Pferden bespannt, vom
Oberland herabdrängte. Das war "der alt Mai". Stocktaub.

Und richtig sah ich am andern Tage bei ihm das Tierblasen. Er blies einen
Hirsch. Wer hat das nicht schon gelegentlich bei einem umherziehenden Glaskünstler
mit angesehen und ist mit Interesse dem durch Blasen bewirkten Modellieren des
Körpers gefolgt, der Biegung des Halses und des Kopfes, dem Ansetzen der Läufe
und des Geweihs! Aber wie ganz anders noch gestaltete sich mir das Interesse
dem Greise gegenüber, der mit den jungen, festen, glatten Händen eines kaum
Vierzigjährigen seine Milchglasröhre in der Flamme drehte und mit stillen Greiseu-
augen den Fortgang seiner Arbeit begutachtend verfolgte! In der Hose und dem
bunten Barchenthemd saß er da, der Bart hing ihm bis auf die halbe Brust hinab,
aus dem dicken, weißgrauen Haupthaar sah ein schmaler Streifen des Ohrs heraus.
Der Mund war eingezogen. Unter dichten Brauenbüschen lagen seine stillen Augen.
Ja, der finstre Mai ist ein alt Männle geworden, aber seine Händ sind jung
geblieben! Ich sah noch allerlei Getier seiner Kunstfertigkeit, Schwäne, Störche,
Schafe, Hunde. Auch menschliche Gestalten, Bürschte und Mädle. Von früh sieben
Uhr bis nachts um elf sitzt er vor seiner Gasflamme mit dem Fuß am Blasebalg.
Vielleicht tauchen dabei die Neckstreiche seiner jungen Jahre wie blasse, schon ein
wenig fremde Bilder in seiner Erinnerung auf, ergötzen und erstaunen ihn -- und
ziehen vorüber.


Bei den Glasbläsern von Lauscha

und mit der die Blättchen an den Rändern umgebogen werden, ferner ein
Glasstab für die völlige Teilung der Blätter, der nachher wieder die Zusammen¬
setzung über der Flamme folgt. So viel Atem der Röhrenzieher zu seiner Arbeit
verbraucht, so wenig bedarf dessen der Glasbläser. Er hilft zugleich auch mit den
Händen durch Drehen, Dehnen, Biegen und Zusammendrücken. Blüten wie Ver¬
gißmeinnicht werden aus dem Stab gemacht, unter Zuhilfenahme der Zange, mit
der die kleinen, cmgeschmolznen Glasballen zu Blättchen breit gedrückt werden.

Und nun bin ich beim finstern Mai angelangt, bei dem ich das Figuren¬
blasen sehen wollte. Ich hatte viel schon von ihm gehört. Der Lauschaer Kirchen¬
chor hat seine Berühmtheit seit langer Zeit. Zu seinen besten Sängern hat ehedem
der „finstre Mai" gehört. Die Lauschaer haben den Ruf des Schelmenbluts, der
Übermuts- und Neckgelüste. Dem finstern Mai hat außerdem das Duckmäuserige
angehaftet. Er ist einer von denen gewesen, die ein ehrbares Gesicht machen,
wenn sie ihre Schelmenstücke aushecken.

Die Lauschaer sind ihrem Herzog gute Landeskinder. Sind es auch um
Anno 1843 gewesen. Aber doch war die Freiheitsluft ihnen damals ein wenig
zu Kopf gestiegen, sodaß sie ihren Schießprügel zu sich nahmen und wildern gingen.
Damals ist viel Rehwildbret „in der Lausche" gegessen worden. Den ungeheuer
gelichteten Wildbestand sollen die Lauschaer Glasbläser jener Zeit auf dem Gewissen
haben. Katastrophen haben sich, soviel ich hörte, nicht ereignet. Der Lauschaer
hat vielmehr immer mit Witz, Heiterkeit und flinken Beinen gewußt, sich aus der
Schlinge zu ziehen.

Ich trottete gemach die steil aufsteigende Straße des Oberlands hinauf und
stellte wieder einmal meine lustige Signatur Lauschas fest: schwarze Schieferhäuser —
spähend herausgebeugte Köpfe — hier und da ein Pack prächtiger Betten in der
Zugluft der offnen Fenster — und Vogelbauer, eins oder deren mehrere, außen
an den Häusern . . . dazu die sanfte surrende, an eine eifrige Spinnerin gemahnende
Musik der Gasflammen. Nun sah ich einen alten Mann daher kommen. Fünf-
undachtzigjcihrig, wie ich später erfahren habe. Haupthaar und Bartwuchs grau¬
weiß und von unerhörter Fülle. Er trug einen Packen Glasröhren im Arm und
ging unmittelbar vor einem Wagen dahin, der, mit unruhigen Pferden bespannt, vom
Oberland herabdrängte. Das war „der alt Mai". Stocktaub.

Und richtig sah ich am andern Tage bei ihm das Tierblasen. Er blies einen
Hirsch. Wer hat das nicht schon gelegentlich bei einem umherziehenden Glaskünstler
mit angesehen und ist mit Interesse dem durch Blasen bewirkten Modellieren des
Körpers gefolgt, der Biegung des Halses und des Kopfes, dem Ansetzen der Läufe
und des Geweihs! Aber wie ganz anders noch gestaltete sich mir das Interesse
dem Greise gegenüber, der mit den jungen, festen, glatten Händen eines kaum
Vierzigjährigen seine Milchglasröhre in der Flamme drehte und mit stillen Greiseu-
augen den Fortgang seiner Arbeit begutachtend verfolgte! In der Hose und dem
bunten Barchenthemd saß er da, der Bart hing ihm bis auf die halbe Brust hinab,
aus dem dicken, weißgrauen Haupthaar sah ein schmaler Streifen des Ohrs heraus.
Der Mund war eingezogen. Unter dichten Brauenbüschen lagen seine stillen Augen.
Ja, der finstre Mai ist ein alt Männle geworden, aber seine Händ sind jung
geblieben! Ich sah noch allerlei Getier seiner Kunstfertigkeit, Schwäne, Störche,
Schafe, Hunde. Auch menschliche Gestalten, Bürschte und Mädle. Von früh sieben
Uhr bis nachts um elf sitzt er vor seiner Gasflamme mit dem Fuß am Blasebalg.
Vielleicht tauchen dabei die Neckstreiche seiner jungen Jahre wie blasse, schon ein
wenig fremde Bilder in seiner Erinnerung auf, ergötzen und erstaunen ihn — und
ziehen vorüber.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0586" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303288"/>
          <fw type="header" place="top"> Bei den Glasbläsern von Lauscha</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3008" prev="#ID_3007"> und mit der die Blättchen an den Rändern umgebogen werden, ferner ein<lb/>
Glasstab für die völlige Teilung der Blätter, der nachher wieder die Zusammen¬<lb/>
setzung über der Flamme folgt. So viel Atem der Röhrenzieher zu seiner Arbeit<lb/>
verbraucht, so wenig bedarf dessen der Glasbläser. Er hilft zugleich auch mit den<lb/>
Händen durch Drehen, Dehnen, Biegen und Zusammendrücken. Blüten wie Ver¬<lb/>
gißmeinnicht werden aus dem Stab gemacht, unter Zuhilfenahme der Zange, mit<lb/>
der die kleinen, cmgeschmolznen Glasballen zu Blättchen breit gedrückt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3009"> Und nun bin ich beim finstern Mai angelangt, bei dem ich das Figuren¬<lb/>
blasen sehen wollte. Ich hatte viel schon von ihm gehört. Der Lauschaer Kirchen¬<lb/>
chor hat seine Berühmtheit seit langer Zeit. Zu seinen besten Sängern hat ehedem<lb/>
der &#x201E;finstre Mai" gehört. Die Lauschaer haben den Ruf des Schelmenbluts, der<lb/>
Übermuts- und Neckgelüste. Dem finstern Mai hat außerdem das Duckmäuserige<lb/>
angehaftet. Er ist einer von denen gewesen, die ein ehrbares Gesicht machen,<lb/>
wenn sie ihre Schelmenstücke aushecken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3010"> Die Lauschaer sind ihrem Herzog gute Landeskinder. Sind es auch um<lb/>
Anno 1843 gewesen. Aber doch war die Freiheitsluft ihnen damals ein wenig<lb/>
zu Kopf gestiegen, sodaß sie ihren Schießprügel zu sich nahmen und wildern gingen.<lb/>
Damals ist viel Rehwildbret &#x201E;in der Lausche" gegessen worden. Den ungeheuer<lb/>
gelichteten Wildbestand sollen die Lauschaer Glasbläser jener Zeit auf dem Gewissen<lb/>
haben. Katastrophen haben sich, soviel ich hörte, nicht ereignet. Der Lauschaer<lb/>
hat vielmehr immer mit Witz, Heiterkeit und flinken Beinen gewußt, sich aus der<lb/>
Schlinge zu ziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3011"> Ich trottete gemach die steil aufsteigende Straße des Oberlands hinauf und<lb/>
stellte wieder einmal meine lustige Signatur Lauschas fest: schwarze Schieferhäuser &#x2014;<lb/>
spähend herausgebeugte Köpfe &#x2014; hier und da ein Pack prächtiger Betten in der<lb/>
Zugluft der offnen Fenster &#x2014; und Vogelbauer, eins oder deren mehrere, außen<lb/>
an den Häusern . . . dazu die sanfte surrende, an eine eifrige Spinnerin gemahnende<lb/>
Musik der Gasflammen. Nun sah ich einen alten Mann daher kommen. Fünf-<lb/>
undachtzigjcihrig, wie ich später erfahren habe. Haupthaar und Bartwuchs grau¬<lb/>
weiß und von unerhörter Fülle. Er trug einen Packen Glasröhren im Arm und<lb/>
ging unmittelbar vor einem Wagen dahin, der, mit unruhigen Pferden bespannt, vom<lb/>
Oberland herabdrängte.  Das war &#x201E;der alt Mai". Stocktaub.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3012"> Und richtig sah ich am andern Tage bei ihm das Tierblasen. Er blies einen<lb/>
Hirsch. Wer hat das nicht schon gelegentlich bei einem umherziehenden Glaskünstler<lb/>
mit angesehen und ist mit Interesse dem durch Blasen bewirkten Modellieren des<lb/>
Körpers gefolgt, der Biegung des Halses und des Kopfes, dem Ansetzen der Läufe<lb/>
und des Geweihs! Aber wie ganz anders noch gestaltete sich mir das Interesse<lb/>
dem Greise gegenüber, der mit den jungen, festen, glatten Händen eines kaum<lb/>
Vierzigjährigen seine Milchglasröhre in der Flamme drehte und mit stillen Greiseu-<lb/>
augen den Fortgang seiner Arbeit begutachtend verfolgte! In der Hose und dem<lb/>
bunten Barchenthemd saß er da, der Bart hing ihm bis auf die halbe Brust hinab,<lb/>
aus dem dicken, weißgrauen Haupthaar sah ein schmaler Streifen des Ohrs heraus.<lb/>
Der Mund war eingezogen. Unter dichten Brauenbüschen lagen seine stillen Augen.<lb/>
Ja, der finstre Mai ist ein alt Männle geworden, aber seine Händ sind jung<lb/>
geblieben! Ich sah noch allerlei Getier seiner Kunstfertigkeit, Schwäne, Störche,<lb/>
Schafe, Hunde. Auch menschliche Gestalten, Bürschte und Mädle. Von früh sieben<lb/>
Uhr bis nachts um elf sitzt er vor seiner Gasflamme mit dem Fuß am Blasebalg.<lb/>
Vielleicht tauchen dabei die Neckstreiche seiner jungen Jahre wie blasse, schon ein<lb/>
wenig fremde Bilder in seiner Erinnerung auf, ergötzen und erstaunen ihn &#x2014; und<lb/>
ziehen vorüber.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0586] Bei den Glasbläsern von Lauscha und mit der die Blättchen an den Rändern umgebogen werden, ferner ein Glasstab für die völlige Teilung der Blätter, der nachher wieder die Zusammen¬ setzung über der Flamme folgt. So viel Atem der Röhrenzieher zu seiner Arbeit verbraucht, so wenig bedarf dessen der Glasbläser. Er hilft zugleich auch mit den Händen durch Drehen, Dehnen, Biegen und Zusammendrücken. Blüten wie Ver¬ gißmeinnicht werden aus dem Stab gemacht, unter Zuhilfenahme der Zange, mit der die kleinen, cmgeschmolznen Glasballen zu Blättchen breit gedrückt werden. Und nun bin ich beim finstern Mai angelangt, bei dem ich das Figuren¬ blasen sehen wollte. Ich hatte viel schon von ihm gehört. Der Lauschaer Kirchen¬ chor hat seine Berühmtheit seit langer Zeit. Zu seinen besten Sängern hat ehedem der „finstre Mai" gehört. Die Lauschaer haben den Ruf des Schelmenbluts, der Übermuts- und Neckgelüste. Dem finstern Mai hat außerdem das Duckmäuserige angehaftet. Er ist einer von denen gewesen, die ein ehrbares Gesicht machen, wenn sie ihre Schelmenstücke aushecken. Die Lauschaer sind ihrem Herzog gute Landeskinder. Sind es auch um Anno 1843 gewesen. Aber doch war die Freiheitsluft ihnen damals ein wenig zu Kopf gestiegen, sodaß sie ihren Schießprügel zu sich nahmen und wildern gingen. Damals ist viel Rehwildbret „in der Lausche" gegessen worden. Den ungeheuer gelichteten Wildbestand sollen die Lauschaer Glasbläser jener Zeit auf dem Gewissen haben. Katastrophen haben sich, soviel ich hörte, nicht ereignet. Der Lauschaer hat vielmehr immer mit Witz, Heiterkeit und flinken Beinen gewußt, sich aus der Schlinge zu ziehen. Ich trottete gemach die steil aufsteigende Straße des Oberlands hinauf und stellte wieder einmal meine lustige Signatur Lauschas fest: schwarze Schieferhäuser — spähend herausgebeugte Köpfe — hier und da ein Pack prächtiger Betten in der Zugluft der offnen Fenster — und Vogelbauer, eins oder deren mehrere, außen an den Häusern . . . dazu die sanfte surrende, an eine eifrige Spinnerin gemahnende Musik der Gasflammen. Nun sah ich einen alten Mann daher kommen. Fünf- undachtzigjcihrig, wie ich später erfahren habe. Haupthaar und Bartwuchs grau¬ weiß und von unerhörter Fülle. Er trug einen Packen Glasröhren im Arm und ging unmittelbar vor einem Wagen dahin, der, mit unruhigen Pferden bespannt, vom Oberland herabdrängte. Das war „der alt Mai". Stocktaub. Und richtig sah ich am andern Tage bei ihm das Tierblasen. Er blies einen Hirsch. Wer hat das nicht schon gelegentlich bei einem umherziehenden Glaskünstler mit angesehen und ist mit Interesse dem durch Blasen bewirkten Modellieren des Körpers gefolgt, der Biegung des Halses und des Kopfes, dem Ansetzen der Läufe und des Geweihs! Aber wie ganz anders noch gestaltete sich mir das Interesse dem Greise gegenüber, der mit den jungen, festen, glatten Händen eines kaum Vierzigjährigen seine Milchglasröhre in der Flamme drehte und mit stillen Greiseu- augen den Fortgang seiner Arbeit begutachtend verfolgte! In der Hose und dem bunten Barchenthemd saß er da, der Bart hing ihm bis auf die halbe Brust hinab, aus dem dicken, weißgrauen Haupthaar sah ein schmaler Streifen des Ohrs heraus. Der Mund war eingezogen. Unter dichten Brauenbüschen lagen seine stillen Augen. Ja, der finstre Mai ist ein alt Männle geworden, aber seine Händ sind jung geblieben! Ich sah noch allerlei Getier seiner Kunstfertigkeit, Schwäne, Störche, Schafe, Hunde. Auch menschliche Gestalten, Bürschte und Mädle. Von früh sieben Uhr bis nachts um elf sitzt er vor seiner Gasflamme mit dem Fuß am Blasebalg. Vielleicht tauchen dabei die Neckstreiche seiner jungen Jahre wie blasse, schon ein wenig fremde Bilder in seiner Erinnerung auf, ergötzen und erstaunen ihn — und ziehen vorüber.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/586
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/586>, abgerufen am 01.09.2024.