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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Burgenzauber

sondern sehr irdischen Zwecken der Selbsterhaltung dienende Nutzbauten auf
knappen Raum, mehr trotzig und fest als gefällig oder gar schön. Erst die
planvolle, gleichmäßige Erforschung der Kunstdenkmäler der deutschen Lande
und das Streben, sie womöglich in gesetzlichen Schutz zu stellen und so end-
giltig der Nachwelt zu erhalten, brachte Abhilfe und den Burgresten Gleich¬
berechtigung neben Domkirchen und Bauernhäusern.

In den Reihen der für tatkräftige Denkmalpflege eintretenden Männer
aber schloß sich, ein Kreis im Kreise, wiederum eine Anzahl solcher zusammen,
die besonders unter dem Banne des Burgenzaubers stehn und seiner Erhaltung
wie der Verbreitung des Verständnisses seiner Reize im Volke Förderung aller
Art angedeihen lassen wollen: die 1899 ins Leben getretne "Vereinigung zur
Erhaltung deutscher Burgen" mit ihrem, recht sinnig, der "Burgwart" genannten
Fachblatt und ihren burgenfrohen Festen auf der Marksburg am Ufer des
Rheins. Und es ist eine Schar, nicht hindämmernder Phantasten und Träumer,
sondern mit Feder und Spaten gleich vertrauter Gelehrter und Burgenfreunde
in die so lange verlassenen Hallen eingerückt; Nelken, was vor Verwitterung
und Verfall zu retten ist, heißt ihre Losung; es regt sich allenthalben frisch im
deutschen Land, und es steht zu hoffen, daß liebevolle Pflege der steinernen
Zeugen einer längst entschwundnen Zeit in der Gegenwart Erfolge erringen und
reiche Früchte in der Zukunft unsers Volkes ernten werde.

Das Ziel ist deutlich bezeichnet, nur über die Wege gehn die Meinungen
oft weit auseinander, besonders bei denen, die als Bauverständige die Frage der
Erhaltung als Ruine oder des Wiederaufbaues zu erwägen und zu beurteilen
haben.

Da hat sich denn eine mitunter gesunde, mitunter aber auch der Sache
schädliche Polemik entwickelt, und wir brauchen nur an den Wiederaufbau der
Hohtonigsburg zu denken, wenn wir erfahren wollen, daß die Feuerschlünde
im Kampf der Ansichten noch nicht verstummt sind. Eine Burg wieder erstehn
zu lassen, ist kein leichtes Geschäft; das hat zum Beispiel schon der Gießener
Professor Hugo von Ritgen an sich erfahren und andern bewiesen, als er die
jedem Deutschen geläufige Burg des Lichts, das hell von der hehren Gestalt
der heiligen Elisabeth und Martin Luthers markiger Persönlichkeit ausstrahlt,
die Wartburg, auf- und aufbaute. Wer hätte nicht die Für und Wider ver¬
folgt, die vorgebracht wurden, als Bodo Ebhardt für unsern Kaiser die Pläne
zum Wiederaufbau der schon erwähnten Hohkönigsburg fertigte; als vollends
in dem noch unendlich volkstümlichen Heidelberger Schloß der Ottheiurichs-
ban Gefahr lief, zu verfallen oder verschlimmbessert zu werden, da ging eine
die weitesten, nicht bloß badische oder speziell künstlerische Kreise ergreifende
Bewegung durch das deutsche Volk. Wer sich einen annähernden Begriff
machen will, wie weit die Wellen schlugen, der lese einmal im vierten Bande
der "Mitteilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses" nach, wo sich
der Niederschlag aller zu jener Angelegenheit getaner Äußerungen auf nicht


Burgenzauber

sondern sehr irdischen Zwecken der Selbsterhaltung dienende Nutzbauten auf
knappen Raum, mehr trotzig und fest als gefällig oder gar schön. Erst die
planvolle, gleichmäßige Erforschung der Kunstdenkmäler der deutschen Lande
und das Streben, sie womöglich in gesetzlichen Schutz zu stellen und so end-
giltig der Nachwelt zu erhalten, brachte Abhilfe und den Burgresten Gleich¬
berechtigung neben Domkirchen und Bauernhäusern.

In den Reihen der für tatkräftige Denkmalpflege eintretenden Männer
aber schloß sich, ein Kreis im Kreise, wiederum eine Anzahl solcher zusammen,
die besonders unter dem Banne des Burgenzaubers stehn und seiner Erhaltung
wie der Verbreitung des Verständnisses seiner Reize im Volke Förderung aller
Art angedeihen lassen wollen: die 1899 ins Leben getretne „Vereinigung zur
Erhaltung deutscher Burgen" mit ihrem, recht sinnig, der „Burgwart" genannten
Fachblatt und ihren burgenfrohen Festen auf der Marksburg am Ufer des
Rheins. Und es ist eine Schar, nicht hindämmernder Phantasten und Träumer,
sondern mit Feder und Spaten gleich vertrauter Gelehrter und Burgenfreunde
in die so lange verlassenen Hallen eingerückt; Nelken, was vor Verwitterung
und Verfall zu retten ist, heißt ihre Losung; es regt sich allenthalben frisch im
deutschen Land, und es steht zu hoffen, daß liebevolle Pflege der steinernen
Zeugen einer längst entschwundnen Zeit in der Gegenwart Erfolge erringen und
reiche Früchte in der Zukunft unsers Volkes ernten werde.

Das Ziel ist deutlich bezeichnet, nur über die Wege gehn die Meinungen
oft weit auseinander, besonders bei denen, die als Bauverständige die Frage der
Erhaltung als Ruine oder des Wiederaufbaues zu erwägen und zu beurteilen
haben.

Da hat sich denn eine mitunter gesunde, mitunter aber auch der Sache
schädliche Polemik entwickelt, und wir brauchen nur an den Wiederaufbau der
Hohtonigsburg zu denken, wenn wir erfahren wollen, daß die Feuerschlünde
im Kampf der Ansichten noch nicht verstummt sind. Eine Burg wieder erstehn
zu lassen, ist kein leichtes Geschäft; das hat zum Beispiel schon der Gießener
Professor Hugo von Ritgen an sich erfahren und andern bewiesen, als er die
jedem Deutschen geläufige Burg des Lichts, das hell von der hehren Gestalt
der heiligen Elisabeth und Martin Luthers markiger Persönlichkeit ausstrahlt,
die Wartburg, auf- und aufbaute. Wer hätte nicht die Für und Wider ver¬
folgt, die vorgebracht wurden, als Bodo Ebhardt für unsern Kaiser die Pläne
zum Wiederaufbau der schon erwähnten Hohkönigsburg fertigte; als vollends
in dem noch unendlich volkstümlichen Heidelberger Schloß der Ottheiurichs-
ban Gefahr lief, zu verfallen oder verschlimmbessert zu werden, da ging eine
die weitesten, nicht bloß badische oder speziell künstlerische Kreise ergreifende
Bewegung durch das deutsche Volk. Wer sich einen annähernden Begriff
machen will, wie weit die Wellen schlugen, der lese einmal im vierten Bande
der „Mitteilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses" nach, wo sich
der Niederschlag aller zu jener Angelegenheit getaner Äußerungen auf nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/410>, abgerufen am 01.09.2024.