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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

rumänischen Exarchats nach bulgarischen Muster führen werde, was man
in Bukarest allerdings für die zweckentsprechendste Lösung dieser Angelegen¬
heit hält.

Später unternahm der ehemalige rumänische Metropolitprimas Ghenadie
eine Reise nach Mazedonien, um sich durch Augenschein davon zu überzeugen,
ob der Boden für die Schaffung einer mazedvrumänischen Nationalkirche ge¬
ebnet sei. Zugleich wollte er den Mazedorumänen Gelegenheit geben, einmal
einen rumänischen Erzbischof zu sehen und sie in ihren schon zum Ausdruck
gebrachten Wünschen bestärken. Aber obgleich Ghenadie die Reise ohne Vor¬
wissen der rumänischen Regierung als einfacher Privatmann unternommen und
auch in Mazedonien alles vermieden hatte, was bei dem ökumenischen Patriarchen
Anstoß hätte erregen können -- er hatte deshalb auch die mehrfach an ihn er-
gangne Aufforderung, einen Gottesdienst abzuhalten, abgelehnt --, nahm das
Patriarchat diese Reise doch als einen ihm feindseligen Akt auf, und es richtete
deshalb an die Synode der rumänischen Landeskirche in Bukarest eine Be¬
schwerde. Die Synode antwortete, daß Ghenadie die Reise nach Mazedonien
aus eigner Initiative und ohne ihr Vorwissen ausgeführt habe; zugleich be¬
nutzte aber die Synode die Gelegenheit, die kirchlichen Wünschen der Mazedo¬
rumänen warm zu befürworten und der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß sie
durch das Patriarchat endlich erfüllt werden möchten.

Mit dieser Antwort unzufrieden, wandte sich das ökumenische Patriarchat
an die Hohe Pforte mit der Androhung, daß, wenn durch die türkische Re¬
gierung die kirchlichen Wünsche der Kntzowalachen erfüllt würden, sich das
Patriarchat genötigt sehen werde, zum Schutze seiner Privilegien zu derselben
Politik seine Zuflucht zu nehmen, die es im Jahre 1871 gegen die Bulgaren
angewandt habe, nämlich ein ökumenisches Konzil einzuberufen, das die Mazedo¬
rumänen als Schismatiker erklären werde.

So standen die Dinge, als zu Beginn des Jahres 1905 die Konservativen
in Rumänien wiederum ans Nuder gelangten. Energischer als zuvor suchte
man jetzt die Wünsche der Mazedorumänen zu erfüllen, und als der Vali von
Janina zwei mazedorumänische Schulinspektoren unberechtigterweise hatte ge¬
fangen nehmen lassen, nahm man dies zum Anlaß, bei der Hohen Pforte die
endliche Anerkennung der Mazedorumänen als Nationalrnmänen durchzusetzen.
Zugleich wandte sich die Bukarester Regierung an die ihr befreundeten Mächte
um Unterstützung dieses ihres Schrittes bei der Hohen Pforte, und sie hatte
die Genugtuung, daß sich insbesondre Deutschland mit Nachdruck für ihre
Forderung in Konstantinopel verwandte. Dank dieser Fürsprache Deutschlands
wurde denn nun auch das lange erstrebte Ziel erreicht. Am 19. Mai 1905
erschien ein Jrade des Sultans, worin die rumänische Nationalität der Kntzo¬
walachen ausdrücklich anerkannt wird. Mit dieser Anerkennung ist implicite
für die Kutzowalachen das Recht verbunden, eigne Kirchen und Schulen zu
unterhalten und das Rumänische als Kirchensprache einzuführen.


Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

rumänischen Exarchats nach bulgarischen Muster führen werde, was man
in Bukarest allerdings für die zweckentsprechendste Lösung dieser Angelegen¬
heit hält.

Später unternahm der ehemalige rumänische Metropolitprimas Ghenadie
eine Reise nach Mazedonien, um sich durch Augenschein davon zu überzeugen,
ob der Boden für die Schaffung einer mazedvrumänischen Nationalkirche ge¬
ebnet sei. Zugleich wollte er den Mazedorumänen Gelegenheit geben, einmal
einen rumänischen Erzbischof zu sehen und sie in ihren schon zum Ausdruck
gebrachten Wünschen bestärken. Aber obgleich Ghenadie die Reise ohne Vor¬
wissen der rumänischen Regierung als einfacher Privatmann unternommen und
auch in Mazedonien alles vermieden hatte, was bei dem ökumenischen Patriarchen
Anstoß hätte erregen können — er hatte deshalb auch die mehrfach an ihn er-
gangne Aufforderung, einen Gottesdienst abzuhalten, abgelehnt —, nahm das
Patriarchat diese Reise doch als einen ihm feindseligen Akt auf, und es richtete
deshalb an die Synode der rumänischen Landeskirche in Bukarest eine Be¬
schwerde. Die Synode antwortete, daß Ghenadie die Reise nach Mazedonien
aus eigner Initiative und ohne ihr Vorwissen ausgeführt habe; zugleich be¬
nutzte aber die Synode die Gelegenheit, die kirchlichen Wünschen der Mazedo¬
rumänen warm zu befürworten und der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß sie
durch das Patriarchat endlich erfüllt werden möchten.

Mit dieser Antwort unzufrieden, wandte sich das ökumenische Patriarchat
an die Hohe Pforte mit der Androhung, daß, wenn durch die türkische Re¬
gierung die kirchlichen Wünsche der Kntzowalachen erfüllt würden, sich das
Patriarchat genötigt sehen werde, zum Schutze seiner Privilegien zu derselben
Politik seine Zuflucht zu nehmen, die es im Jahre 1871 gegen die Bulgaren
angewandt habe, nämlich ein ökumenisches Konzil einzuberufen, das die Mazedo¬
rumänen als Schismatiker erklären werde.

So standen die Dinge, als zu Beginn des Jahres 1905 die Konservativen
in Rumänien wiederum ans Nuder gelangten. Energischer als zuvor suchte
man jetzt die Wünsche der Mazedorumänen zu erfüllen, und als der Vali von
Janina zwei mazedorumänische Schulinspektoren unberechtigterweise hatte ge¬
fangen nehmen lassen, nahm man dies zum Anlaß, bei der Hohen Pforte die
endliche Anerkennung der Mazedorumänen als Nationalrnmänen durchzusetzen.
Zugleich wandte sich die Bukarester Regierung an die ihr befreundeten Mächte
um Unterstützung dieses ihres Schrittes bei der Hohen Pforte, und sie hatte
die Genugtuung, daß sich insbesondre Deutschland mit Nachdruck für ihre
Forderung in Konstantinopel verwandte. Dank dieser Fürsprache Deutschlands
wurde denn nun auch das lange erstrebte Ziel erreicht. Am 19. Mai 1905
erschien ein Jrade des Sultans, worin die rumänische Nationalität der Kntzo¬
walachen ausdrücklich anerkannt wird. Mit dieser Anerkennung ist implicite
für die Kutzowalachen das Recht verbunden, eigne Kirchen und Schulen zu
unterhalten und das Rumänische als Kirchensprache einzuführen.


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[0389] Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland rumänischen Exarchats nach bulgarischen Muster führen werde, was man in Bukarest allerdings für die zweckentsprechendste Lösung dieser Angelegen¬ heit hält. Später unternahm der ehemalige rumänische Metropolitprimas Ghenadie eine Reise nach Mazedonien, um sich durch Augenschein davon zu überzeugen, ob der Boden für die Schaffung einer mazedvrumänischen Nationalkirche ge¬ ebnet sei. Zugleich wollte er den Mazedorumänen Gelegenheit geben, einmal einen rumänischen Erzbischof zu sehen und sie in ihren schon zum Ausdruck gebrachten Wünschen bestärken. Aber obgleich Ghenadie die Reise ohne Vor¬ wissen der rumänischen Regierung als einfacher Privatmann unternommen und auch in Mazedonien alles vermieden hatte, was bei dem ökumenischen Patriarchen Anstoß hätte erregen können — er hatte deshalb auch die mehrfach an ihn er- gangne Aufforderung, einen Gottesdienst abzuhalten, abgelehnt —, nahm das Patriarchat diese Reise doch als einen ihm feindseligen Akt auf, und es richtete deshalb an die Synode der rumänischen Landeskirche in Bukarest eine Be¬ schwerde. Die Synode antwortete, daß Ghenadie die Reise nach Mazedonien aus eigner Initiative und ohne ihr Vorwissen ausgeführt habe; zugleich be¬ nutzte aber die Synode die Gelegenheit, die kirchlichen Wünschen der Mazedo¬ rumänen warm zu befürworten und der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß sie durch das Patriarchat endlich erfüllt werden möchten. Mit dieser Antwort unzufrieden, wandte sich das ökumenische Patriarchat an die Hohe Pforte mit der Androhung, daß, wenn durch die türkische Re¬ gierung die kirchlichen Wünsche der Kntzowalachen erfüllt würden, sich das Patriarchat genötigt sehen werde, zum Schutze seiner Privilegien zu derselben Politik seine Zuflucht zu nehmen, die es im Jahre 1871 gegen die Bulgaren angewandt habe, nämlich ein ökumenisches Konzil einzuberufen, das die Mazedo¬ rumänen als Schismatiker erklären werde. So standen die Dinge, als zu Beginn des Jahres 1905 die Konservativen in Rumänien wiederum ans Nuder gelangten. Energischer als zuvor suchte man jetzt die Wünsche der Mazedorumänen zu erfüllen, und als der Vali von Janina zwei mazedorumänische Schulinspektoren unberechtigterweise hatte ge¬ fangen nehmen lassen, nahm man dies zum Anlaß, bei der Hohen Pforte die endliche Anerkennung der Mazedorumänen als Nationalrnmänen durchzusetzen. Zugleich wandte sich die Bukarester Regierung an die ihr befreundeten Mächte um Unterstützung dieses ihres Schrittes bei der Hohen Pforte, und sie hatte die Genugtuung, daß sich insbesondre Deutschland mit Nachdruck für ihre Forderung in Konstantinopel verwandte. Dank dieser Fürsprache Deutschlands wurde denn nun auch das lange erstrebte Ziel erreicht. Am 19. Mai 1905 erschien ein Jrade des Sultans, worin die rumänische Nationalität der Kntzo¬ walachen ausdrücklich anerkannt wird. Mit dieser Anerkennung ist implicite für die Kutzowalachen das Recht verbunden, eigne Kirchen und Schulen zu unterhalten und das Rumänische als Kirchensprache einzuführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/389>, abgerufen am 01.09.2024.