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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Konservativen die Negierung übernahmen, warfen diese von neuem bedeutende
Summen für die Errichtung von rumänischen Volksschulen und einiger rumänischer
Lyzeen in Mazedonien aus.

Dies änderte sich wiederum, als im Jahre 1901 die Liberalen wieder zur
Regierung berufen wurden. Die für die rumänischen Schulen in Mazedonien
im Etat stehenden Summen wurden um mehr als die Hälfte ermäßigt, die
namentlich nach der griechischen Grenze zu liegenden Primärschulen zu einem
großen Teil wieder aufgehoben und von den vorhandnen sechs Sekundärschulen
drei ausgelassen. Damit wurde eine große Anzahl von Lehrern brotlos ge¬
macht, und die Mazedorumänen wurden aufs neue an ihren Stammesbrüdern
nördlich von der Donau irre. Es wurde damals viel von einer rumänisch¬
griechischen Allianz gesprochen, König Karol traf in Abbazia mit dem König
Georg zusammen, und die rumänischen und die griechischen Studenten tauschten
gegenseitige Besuche in Athen und Bukarest aus. Der Preis einer solchen
Allianz konnte aber, wie weiterschauende sogleich richtig vermuteten, für Rumänien
nur in der Preisgabe der Mazedorumänen und in der Auslieferung dieser an
das Hellenentum bestehn. Bald wurden denn auch von Griechenland aus¬
gehende dahinzielende Aspirationen bemerkbar, und die Rumänen, die vor kurzem
noch eine Allianz mit den Griechen laut gepriesen hatten, fingen an einzusehen,
daß um diesen Preis, um den Verrat an ihrem verlassenen Bruderstamm, eine
solche Allianz zu teuer erkauft sei.

Unter dem Drucke dieser täglich mehr erstarkenden öffentlichen Meinung
sah sich auch das damalige Kabinett Sturdza zum Wiedereinlenken veranlaßt.
Man fing an, die Freundschaft mit Griechenland lauer zu behandeln, dagegen
erneute Summen für die Wiedereröffnung der geschlossenen rumänischen Schulen
in Mazedonien auszuwerfen, den dortigen notleidenden Lehrern und Geistlichen
ihre Gehalte nachzuzählen und sie, sofern sie nach Rumänien oder anderswohin
ausgewandert waren, wieder an die Stätte ihrer frühern Tätigkeit zu deren
Wiederaufnahme zurückzuführen. Auch wurde neben dem alten rumänischen
Konsulat in Bitolia noch ein neues Konsulat in Janina errichtet.

Auf den Rat des russischen Geschäftsträgers in Konstantinopel suchte
ferner die russische Regierung den ökumenischen Patriarchen für die Wünsche der
Mazedorumänen zu gewinnen. Auf rumänischer Seite gab man sich dabei der
Hoffnung hin, daß sich der Patriarch, dessen Wahl seinerzeit nur unter dem
Einflüsse Rußlands zustande gekommen war, schon mit Rücksicht auf Rußland
entgegenkommend zeigen werde. Sehr wider Erwarten fiel aber die Antwort
verneinend aus. Es zeigte sich, daß das ökumenische Patriarchat noch immer
dem Griechentum zuneigte, daß es in seiner Zusammensetzung -- Synode und
Laienrat -- die historisch-griechische Tradition nicht aufzugeben gewillt sei.
Daneben mag wohl auch die Besorgnis von Einfluß gewesen sein, daß die Ge¬
währung des Gebrauchs der rumänischen Sprache beim Gottesdienst und die
Bildung rumänischer Kirchengemeinden schließlich zur Aufrichtung eines mazedo-


Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Konservativen die Negierung übernahmen, warfen diese von neuem bedeutende
Summen für die Errichtung von rumänischen Volksschulen und einiger rumänischer
Lyzeen in Mazedonien aus.

Dies änderte sich wiederum, als im Jahre 1901 die Liberalen wieder zur
Regierung berufen wurden. Die für die rumänischen Schulen in Mazedonien
im Etat stehenden Summen wurden um mehr als die Hälfte ermäßigt, die
namentlich nach der griechischen Grenze zu liegenden Primärschulen zu einem
großen Teil wieder aufgehoben und von den vorhandnen sechs Sekundärschulen
drei ausgelassen. Damit wurde eine große Anzahl von Lehrern brotlos ge¬
macht, und die Mazedorumänen wurden aufs neue an ihren Stammesbrüdern
nördlich von der Donau irre. Es wurde damals viel von einer rumänisch¬
griechischen Allianz gesprochen, König Karol traf in Abbazia mit dem König
Georg zusammen, und die rumänischen und die griechischen Studenten tauschten
gegenseitige Besuche in Athen und Bukarest aus. Der Preis einer solchen
Allianz konnte aber, wie weiterschauende sogleich richtig vermuteten, für Rumänien
nur in der Preisgabe der Mazedorumänen und in der Auslieferung dieser an
das Hellenentum bestehn. Bald wurden denn auch von Griechenland aus¬
gehende dahinzielende Aspirationen bemerkbar, und die Rumänen, die vor kurzem
noch eine Allianz mit den Griechen laut gepriesen hatten, fingen an einzusehen,
daß um diesen Preis, um den Verrat an ihrem verlassenen Bruderstamm, eine
solche Allianz zu teuer erkauft sei.

Unter dem Drucke dieser täglich mehr erstarkenden öffentlichen Meinung
sah sich auch das damalige Kabinett Sturdza zum Wiedereinlenken veranlaßt.
Man fing an, die Freundschaft mit Griechenland lauer zu behandeln, dagegen
erneute Summen für die Wiedereröffnung der geschlossenen rumänischen Schulen
in Mazedonien auszuwerfen, den dortigen notleidenden Lehrern und Geistlichen
ihre Gehalte nachzuzählen und sie, sofern sie nach Rumänien oder anderswohin
ausgewandert waren, wieder an die Stätte ihrer frühern Tätigkeit zu deren
Wiederaufnahme zurückzuführen. Auch wurde neben dem alten rumänischen
Konsulat in Bitolia noch ein neues Konsulat in Janina errichtet.

Auf den Rat des russischen Geschäftsträgers in Konstantinopel suchte
ferner die russische Regierung den ökumenischen Patriarchen für die Wünsche der
Mazedorumänen zu gewinnen. Auf rumänischer Seite gab man sich dabei der
Hoffnung hin, daß sich der Patriarch, dessen Wahl seinerzeit nur unter dem
Einflüsse Rußlands zustande gekommen war, schon mit Rücksicht auf Rußland
entgegenkommend zeigen werde. Sehr wider Erwarten fiel aber die Antwort
verneinend aus. Es zeigte sich, daß das ökumenische Patriarchat noch immer
dem Griechentum zuneigte, daß es in seiner Zusammensetzung — Synode und
Laienrat — die historisch-griechische Tradition nicht aufzugeben gewillt sei.
Daneben mag wohl auch die Besorgnis von Einfluß gewesen sein, daß die Ge¬
währung des Gebrauchs der rumänischen Sprache beim Gottesdienst und die
Bildung rumänischer Kirchengemeinden schließlich zur Aufrichtung eines mazedo-


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[0388] Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland Konservativen die Negierung übernahmen, warfen diese von neuem bedeutende Summen für die Errichtung von rumänischen Volksschulen und einiger rumänischer Lyzeen in Mazedonien aus. Dies änderte sich wiederum, als im Jahre 1901 die Liberalen wieder zur Regierung berufen wurden. Die für die rumänischen Schulen in Mazedonien im Etat stehenden Summen wurden um mehr als die Hälfte ermäßigt, die namentlich nach der griechischen Grenze zu liegenden Primärschulen zu einem großen Teil wieder aufgehoben und von den vorhandnen sechs Sekundärschulen drei ausgelassen. Damit wurde eine große Anzahl von Lehrern brotlos ge¬ macht, und die Mazedorumänen wurden aufs neue an ihren Stammesbrüdern nördlich von der Donau irre. Es wurde damals viel von einer rumänisch¬ griechischen Allianz gesprochen, König Karol traf in Abbazia mit dem König Georg zusammen, und die rumänischen und die griechischen Studenten tauschten gegenseitige Besuche in Athen und Bukarest aus. Der Preis einer solchen Allianz konnte aber, wie weiterschauende sogleich richtig vermuteten, für Rumänien nur in der Preisgabe der Mazedorumänen und in der Auslieferung dieser an das Hellenentum bestehn. Bald wurden denn auch von Griechenland aus¬ gehende dahinzielende Aspirationen bemerkbar, und die Rumänen, die vor kurzem noch eine Allianz mit den Griechen laut gepriesen hatten, fingen an einzusehen, daß um diesen Preis, um den Verrat an ihrem verlassenen Bruderstamm, eine solche Allianz zu teuer erkauft sei. Unter dem Drucke dieser täglich mehr erstarkenden öffentlichen Meinung sah sich auch das damalige Kabinett Sturdza zum Wiedereinlenken veranlaßt. Man fing an, die Freundschaft mit Griechenland lauer zu behandeln, dagegen erneute Summen für die Wiedereröffnung der geschlossenen rumänischen Schulen in Mazedonien auszuwerfen, den dortigen notleidenden Lehrern und Geistlichen ihre Gehalte nachzuzählen und sie, sofern sie nach Rumänien oder anderswohin ausgewandert waren, wieder an die Stätte ihrer frühern Tätigkeit zu deren Wiederaufnahme zurückzuführen. Auch wurde neben dem alten rumänischen Konsulat in Bitolia noch ein neues Konsulat in Janina errichtet. Auf den Rat des russischen Geschäftsträgers in Konstantinopel suchte ferner die russische Regierung den ökumenischen Patriarchen für die Wünsche der Mazedorumänen zu gewinnen. Auf rumänischer Seite gab man sich dabei der Hoffnung hin, daß sich der Patriarch, dessen Wahl seinerzeit nur unter dem Einflüsse Rußlands zustande gekommen war, schon mit Rücksicht auf Rußland entgegenkommend zeigen werde. Sehr wider Erwarten fiel aber die Antwort verneinend aus. Es zeigte sich, daß das ökumenische Patriarchat noch immer dem Griechentum zuneigte, daß es in seiner Zusammensetzung — Synode und Laienrat — die historisch-griechische Tradition nicht aufzugeben gewillt sei. Daneben mag wohl auch die Besorgnis von Einfluß gewesen sein, daß die Ge¬ währung des Gebrauchs der rumänischen Sprache beim Gottesdienst und die Bildung rumänischer Kirchengemeinden schließlich zur Aufrichtung eines mazedo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/388>, abgerufen am 01.09.2024.