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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Darob natürlich große Unzufriedenheit bei dem ökumenischen Patriarchen
und der Heiligen Synode, insbesondre aber bei den Griechen, denen durch die
Anerkennung der Mazedorumänen als Nationalrumänen eine Einbuße ihres
Einflusses in Mazedonien drohte. Um sich diesen Einfluß zu erhalten, rüsteten
sie unter Anführung aktiver Offiziere Banden aus, die die Aufgabe hatten,
unter Mord und Brand eine wahre Schreckensherrschaft unter den Mazedo¬
rumänen auszuüben und die mit dem Tode zu bedrohen, die rumänische Kirchen
besuchen und sich der rumänischen Sprache bedienen würden.

Die rumänische Regierung richtete deshalb wiederholt Beschwerden an das
Kabinett zu Athen, und sie wurde hierbei unterstützt durch die Stimmung des
rumänischen Volkes, das sich auf das höchste über den Terrorismus empörte,
den die Griechen in den mazedorumänischen Gemeinden ausübten. Die griechische
Regierung verlegte sich auf das Ableugnen, obgleich das Bestehen einer maze¬
donischen Gesellschaft in Athen, die auf griechischem Territorium Banden or¬
ganisiert, mit Waffen versieht und sie dann unter Führung beurlaubter
griechischer Frontoffiziere unter den Augen der griechischen Behörden über die
mazedonische Grenze schickt, aller Welt bekannt ist, und obgleich durch aufge¬
fangne oder vorgefundne Briefe die Verbindung griechischer Konsuln in Maze¬
donien mit den Banden -- auch der griechische Konsul in Saloniki ist durch
solche Briefe stark kompromittiert worden -- völlig ausreichende Beweise in
Bukarest vorliegen. Die griechische Negierung kehrte aber den Spieß um,
indem sie behauptete, daß griechische Geschäftsläden in Rumänien zerstört und
deren Inhaber mißhandelt worden seien, daß auch die rumänischen Behörden
eine in Giurgiu vorgefallene Beleidigung der griechischen Flagge geduldet hätten,
und sie forderte schließlich noch die sofortige Rücknahme der Ausweisung der
Herausgeber des in Bukarest erschienenen griechischen Blattes Patris. Die
rumänische Negierung konnte hierauf antworten, daß der Vorwurf der Zer¬
störung griechischer Geschäftsläden und der Mißhandlung der Inhaber völlig
aus der Luft gegriffen sei, indem sich der Vorgang, auf den sich der Vorwurf
stütze, auf eine Prügelei beschränke, die zwischen Mazedogriechen und Mazedo¬
rumänen, die übrigens sämtlich türkische Untertanen gewesen seien, in einem
mazedonischen Kaffeehause stattgefunden habe, eine Ausschreitung, wegen der sich
die Beteiligten vor Gericht zu verantworten hätten, daß es sich ferner bei der
angeblichen Beleidigung der griechischen Flagge in Giurgiu nur um einen
zusammengeflickten Lappen gehandelt habe, den ein Teilnehmer an einer Mani¬
festation aus der Tasche gezogen und zerrissen habe, daß übrigens auch die
bei diesem Vorgange anwesend gewesnen Polizisten gegenüber der großen
Menge der Manifestanten an Zahl nicht ausreichend gewesen wären, um die
Tat zu verhindern, und daß, was schließlich die Ausweisung der Herausgeber
des Blattes Patris betreffe, jedes freie Volk das Recht habe, ihm lustig
fallende Ausländer auszuweisen, und die Herren von der Patris hätten das
ihnen in Rumänien eingeräumte Gastrecht sehr gröblich mißbraucht, indem sie


Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Darob natürlich große Unzufriedenheit bei dem ökumenischen Patriarchen
und der Heiligen Synode, insbesondre aber bei den Griechen, denen durch die
Anerkennung der Mazedorumänen als Nationalrumänen eine Einbuße ihres
Einflusses in Mazedonien drohte. Um sich diesen Einfluß zu erhalten, rüsteten
sie unter Anführung aktiver Offiziere Banden aus, die die Aufgabe hatten,
unter Mord und Brand eine wahre Schreckensherrschaft unter den Mazedo¬
rumänen auszuüben und die mit dem Tode zu bedrohen, die rumänische Kirchen
besuchen und sich der rumänischen Sprache bedienen würden.

Die rumänische Regierung richtete deshalb wiederholt Beschwerden an das
Kabinett zu Athen, und sie wurde hierbei unterstützt durch die Stimmung des
rumänischen Volkes, das sich auf das höchste über den Terrorismus empörte,
den die Griechen in den mazedorumänischen Gemeinden ausübten. Die griechische
Regierung verlegte sich auf das Ableugnen, obgleich das Bestehen einer maze¬
donischen Gesellschaft in Athen, die auf griechischem Territorium Banden or¬
ganisiert, mit Waffen versieht und sie dann unter Führung beurlaubter
griechischer Frontoffiziere unter den Augen der griechischen Behörden über die
mazedonische Grenze schickt, aller Welt bekannt ist, und obgleich durch aufge¬
fangne oder vorgefundne Briefe die Verbindung griechischer Konsuln in Maze¬
donien mit den Banden — auch der griechische Konsul in Saloniki ist durch
solche Briefe stark kompromittiert worden — völlig ausreichende Beweise in
Bukarest vorliegen. Die griechische Negierung kehrte aber den Spieß um,
indem sie behauptete, daß griechische Geschäftsläden in Rumänien zerstört und
deren Inhaber mißhandelt worden seien, daß auch die rumänischen Behörden
eine in Giurgiu vorgefallene Beleidigung der griechischen Flagge geduldet hätten,
und sie forderte schließlich noch die sofortige Rücknahme der Ausweisung der
Herausgeber des in Bukarest erschienenen griechischen Blattes Patris. Die
rumänische Negierung konnte hierauf antworten, daß der Vorwurf der Zer¬
störung griechischer Geschäftsläden und der Mißhandlung der Inhaber völlig
aus der Luft gegriffen sei, indem sich der Vorgang, auf den sich der Vorwurf
stütze, auf eine Prügelei beschränke, die zwischen Mazedogriechen und Mazedo¬
rumänen, die übrigens sämtlich türkische Untertanen gewesen seien, in einem
mazedonischen Kaffeehause stattgefunden habe, eine Ausschreitung, wegen der sich
die Beteiligten vor Gericht zu verantworten hätten, daß es sich ferner bei der
angeblichen Beleidigung der griechischen Flagge in Giurgiu nur um einen
zusammengeflickten Lappen gehandelt habe, den ein Teilnehmer an einer Mani¬
festation aus der Tasche gezogen und zerrissen habe, daß übrigens auch die
bei diesem Vorgange anwesend gewesnen Polizisten gegenüber der großen
Menge der Manifestanten an Zahl nicht ausreichend gewesen wären, um die
Tat zu verhindern, und daß, was schließlich die Ausweisung der Herausgeber
des Blattes Patris betreffe, jedes freie Volk das Recht habe, ihm lustig
fallende Ausländer auszuweisen, und die Herren von der Patris hätten das
ihnen in Rumänien eingeräumte Gastrecht sehr gröblich mißbraucht, indem sie


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[0390] Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland Darob natürlich große Unzufriedenheit bei dem ökumenischen Patriarchen und der Heiligen Synode, insbesondre aber bei den Griechen, denen durch die Anerkennung der Mazedorumänen als Nationalrumänen eine Einbuße ihres Einflusses in Mazedonien drohte. Um sich diesen Einfluß zu erhalten, rüsteten sie unter Anführung aktiver Offiziere Banden aus, die die Aufgabe hatten, unter Mord und Brand eine wahre Schreckensherrschaft unter den Mazedo¬ rumänen auszuüben und die mit dem Tode zu bedrohen, die rumänische Kirchen besuchen und sich der rumänischen Sprache bedienen würden. Die rumänische Regierung richtete deshalb wiederholt Beschwerden an das Kabinett zu Athen, und sie wurde hierbei unterstützt durch die Stimmung des rumänischen Volkes, das sich auf das höchste über den Terrorismus empörte, den die Griechen in den mazedorumänischen Gemeinden ausübten. Die griechische Regierung verlegte sich auf das Ableugnen, obgleich das Bestehen einer maze¬ donischen Gesellschaft in Athen, die auf griechischem Territorium Banden or¬ ganisiert, mit Waffen versieht und sie dann unter Führung beurlaubter griechischer Frontoffiziere unter den Augen der griechischen Behörden über die mazedonische Grenze schickt, aller Welt bekannt ist, und obgleich durch aufge¬ fangne oder vorgefundne Briefe die Verbindung griechischer Konsuln in Maze¬ donien mit den Banden — auch der griechische Konsul in Saloniki ist durch solche Briefe stark kompromittiert worden — völlig ausreichende Beweise in Bukarest vorliegen. Die griechische Negierung kehrte aber den Spieß um, indem sie behauptete, daß griechische Geschäftsläden in Rumänien zerstört und deren Inhaber mißhandelt worden seien, daß auch die rumänischen Behörden eine in Giurgiu vorgefallene Beleidigung der griechischen Flagge geduldet hätten, und sie forderte schließlich noch die sofortige Rücknahme der Ausweisung der Herausgeber des in Bukarest erschienenen griechischen Blattes Patris. Die rumänische Negierung konnte hierauf antworten, daß der Vorwurf der Zer¬ störung griechischer Geschäftsläden und der Mißhandlung der Inhaber völlig aus der Luft gegriffen sei, indem sich der Vorgang, auf den sich der Vorwurf stütze, auf eine Prügelei beschränke, die zwischen Mazedogriechen und Mazedo¬ rumänen, die übrigens sämtlich türkische Untertanen gewesen seien, in einem mazedonischen Kaffeehause stattgefunden habe, eine Ausschreitung, wegen der sich die Beteiligten vor Gericht zu verantworten hätten, daß es sich ferner bei der angeblichen Beleidigung der griechischen Flagge in Giurgiu nur um einen zusammengeflickten Lappen gehandelt habe, den ein Teilnehmer an einer Mani¬ festation aus der Tasche gezogen und zerrissen habe, daß übrigens auch die bei diesem Vorgange anwesend gewesnen Polizisten gegenüber der großen Menge der Manifestanten an Zahl nicht ausreichend gewesen wären, um die Tat zu verhindern, und daß, was schließlich die Ausweisung der Herausgeber des Blattes Patris betreffe, jedes freie Volk das Recht habe, ihm lustig fallende Ausländer auszuweisen, und die Herren von der Patris hätten das ihnen in Rumänien eingeräumte Gastrecht sehr gröblich mißbraucht, indem sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/390>, abgerufen am 01.09.2024.