Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Line neue Blücher-Biographie

steigern, aber ebensowenig dazu, an ihrer Güte ernstlich zu zweifeln, denn
daß die Franzosen ihre Erfolge im Grunde nur der Zwietracht der Verbündeten
zu verdanken hatten, mußte um so mehr in die Augen fallen, als die preußischen
Truppen, wo sie den Feind ernsthaft anpackten, diesen immer zu schlagen
wußten. Hier liegt zum Teil die Erklärung dafür, daß auch 1806 noch die
Armee durchaus nicht ohne Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang in den
Kampf gezogen ist, und daß der plötzliche Absturz so tiefgreifende Folgen hatte.

Im Schlagen der Franzosen aber leistete im Revolutionskriege keiner mehr
als Blücher. In einem Rückblick auf den Verlauf der Nheinfeldzüge sagt
General von Unger (S. 219ff.): "Die tüchtigsten Offiziere drängten sich zu
Blüchers Jagden. Wo seine Noten sich zeigten, waren die Franzosen auf ihrer
Hut. Bei Kaiserlichen und Briten, bei Holländern, Hannoveranern und Hessen
standen die dunkelroten Husaren und der Oberst von Blücher in hoher Achtung.
Nun gehts von Flandern nach der Mosel. Mit müden Pferden langt Blücher
in einem Dorf bei Luxemburg an; da hört er vorn Schießen; er reitet hin und
findet österreichische Kameraden in Bedrängnis. Ohne Besinnen holt er seine
Husaren und führt bei Frisingen wie ein Wetterstrahl auf die Franzosen....
Bei Eröffnung des Feldzuges 1794 versucht er sich bei Weidental trotz schwieriger
Lage sehr erfolgreich im Gebirgskrieg mit gemischten Waffen. Wenige Tage
später führt er seine Husaren bei Kirrweiler, seine Nachbarn mit sich fortreißend,
zu unerhörten Taten gegen Infanterie, überlegne Kavallerie und Artillerie. .. .
An dem glänzenden Abschluß des Krieges im Gefecht bei Kaiserslautern spielt
Blücher eine wichtige Rolle durch geschickte Führung, selbständiges, energisches
Eingreifen und durch seine Verfolgung in ein Gelände hinein, das man im
allgemeinen als ungeeignet für Kavallerie hinzustellen pflegt, auch hier wieder
durch sein Beispiel zu den schönsten Taten begeisternd. ... Es war ein seinem
Wesen eigentümliches kriegerisches Feuer, das Blücher zu seinen Taten aneiferte.
Der Feuerkopf, der ihn manchmal in scharfe Händel gebracht, der Wagemut,
der ihn in Schulden gestürzt, der Trotz, der ihn die Stellung gekostet hatte,
sie fanden in geläuterter Form ein Feld zur Betätigung in kühnem Ansturm
und im zähen Ausharren. Ihn lockte die Gefahr, ihn reizte die Aufregung des
Kampfes, ihn erfüllte mit stolzer Befriedigung das Bewußtsein der Gewalt, die
er über andre ausübte. Er schien das Leben als nichts zu achten; ihn kümmerte
nicht das Schwinden seiner Hilfsquellen. In dieser heldischen Unbekümmertheit
riß er Offiziere und Leute mit sich fort, daß sie vergaßen, was sie sonst an
die Welt fesselte."

Für Blücher waren die Rheinfeldzüge eine vortreffliche Schule. "Mehr¬
mals hatte ihm die selbständige Leitung des Gefechts obgelegen, und schon
erkannte man sein Geschick, das Zusammenwirken der drei Waffen sicherzustellen,
den richtigen Augenblick für das Einsetzen der Truppen zu Verstärkung und
Gegenstoß zu erfassen; ja gelegentlich ertappen wir den kühnen Husaren beim
Schanzen." Auch die großen Eigenschaften und das Geschick, das er später an


Line neue Blücher-Biographie

steigern, aber ebensowenig dazu, an ihrer Güte ernstlich zu zweifeln, denn
daß die Franzosen ihre Erfolge im Grunde nur der Zwietracht der Verbündeten
zu verdanken hatten, mußte um so mehr in die Augen fallen, als die preußischen
Truppen, wo sie den Feind ernsthaft anpackten, diesen immer zu schlagen
wußten. Hier liegt zum Teil die Erklärung dafür, daß auch 1806 noch die
Armee durchaus nicht ohne Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang in den
Kampf gezogen ist, und daß der plötzliche Absturz so tiefgreifende Folgen hatte.

Im Schlagen der Franzosen aber leistete im Revolutionskriege keiner mehr
als Blücher. In einem Rückblick auf den Verlauf der Nheinfeldzüge sagt
General von Unger (S. 219ff.): „Die tüchtigsten Offiziere drängten sich zu
Blüchers Jagden. Wo seine Noten sich zeigten, waren die Franzosen auf ihrer
Hut. Bei Kaiserlichen und Briten, bei Holländern, Hannoveranern und Hessen
standen die dunkelroten Husaren und der Oberst von Blücher in hoher Achtung.
Nun gehts von Flandern nach der Mosel. Mit müden Pferden langt Blücher
in einem Dorf bei Luxemburg an; da hört er vorn Schießen; er reitet hin und
findet österreichische Kameraden in Bedrängnis. Ohne Besinnen holt er seine
Husaren und führt bei Frisingen wie ein Wetterstrahl auf die Franzosen....
Bei Eröffnung des Feldzuges 1794 versucht er sich bei Weidental trotz schwieriger
Lage sehr erfolgreich im Gebirgskrieg mit gemischten Waffen. Wenige Tage
später führt er seine Husaren bei Kirrweiler, seine Nachbarn mit sich fortreißend,
zu unerhörten Taten gegen Infanterie, überlegne Kavallerie und Artillerie. .. .
An dem glänzenden Abschluß des Krieges im Gefecht bei Kaiserslautern spielt
Blücher eine wichtige Rolle durch geschickte Führung, selbständiges, energisches
Eingreifen und durch seine Verfolgung in ein Gelände hinein, das man im
allgemeinen als ungeeignet für Kavallerie hinzustellen pflegt, auch hier wieder
durch sein Beispiel zu den schönsten Taten begeisternd. ... Es war ein seinem
Wesen eigentümliches kriegerisches Feuer, das Blücher zu seinen Taten aneiferte.
Der Feuerkopf, der ihn manchmal in scharfe Händel gebracht, der Wagemut,
der ihn in Schulden gestürzt, der Trotz, der ihn die Stellung gekostet hatte,
sie fanden in geläuterter Form ein Feld zur Betätigung in kühnem Ansturm
und im zähen Ausharren. Ihn lockte die Gefahr, ihn reizte die Aufregung des
Kampfes, ihn erfüllte mit stolzer Befriedigung das Bewußtsein der Gewalt, die
er über andre ausübte. Er schien das Leben als nichts zu achten; ihn kümmerte
nicht das Schwinden seiner Hilfsquellen. In dieser heldischen Unbekümmertheit
riß er Offiziere und Leute mit sich fort, daß sie vergaßen, was sie sonst an
die Welt fesselte."

Für Blücher waren die Rheinfeldzüge eine vortreffliche Schule. „Mehr¬
mals hatte ihm die selbständige Leitung des Gefechts obgelegen, und schon
erkannte man sein Geschick, das Zusammenwirken der drei Waffen sicherzustellen,
den richtigen Augenblick für das Einsetzen der Truppen zu Verstärkung und
Gegenstoß zu erfassen; ja gelegentlich ertappen wir den kühnen Husaren beim
Schanzen." Auch die großen Eigenschaften und das Geschick, das er später an


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303055"/>
          <fw type="header" place="top"> Line neue Blücher-Biographie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2079" prev="#ID_2078"> steigern, aber ebensowenig dazu, an ihrer Güte ernstlich zu zweifeln, denn<lb/>
daß die Franzosen ihre Erfolge im Grunde nur der Zwietracht der Verbündeten<lb/>
zu verdanken hatten, mußte um so mehr in die Augen fallen, als die preußischen<lb/>
Truppen, wo sie den Feind ernsthaft anpackten, diesen immer zu schlagen<lb/>
wußten. Hier liegt zum Teil die Erklärung dafür, daß auch 1806 noch die<lb/>
Armee durchaus nicht ohne Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang in den<lb/>
Kampf gezogen ist, und daß der plötzliche Absturz so tiefgreifende Folgen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2080"> Im Schlagen der Franzosen aber leistete im Revolutionskriege keiner mehr<lb/>
als Blücher. In einem Rückblick auf den Verlauf der Nheinfeldzüge sagt<lb/>
General von Unger (S. 219ff.): &#x201E;Die tüchtigsten Offiziere drängten sich zu<lb/>
Blüchers Jagden. Wo seine Noten sich zeigten, waren die Franzosen auf ihrer<lb/>
Hut. Bei Kaiserlichen und Briten, bei Holländern, Hannoveranern und Hessen<lb/>
standen die dunkelroten Husaren und der Oberst von Blücher in hoher Achtung.<lb/>
Nun gehts von Flandern nach der Mosel. Mit müden Pferden langt Blücher<lb/>
in einem Dorf bei Luxemburg an; da hört er vorn Schießen; er reitet hin und<lb/>
findet österreichische Kameraden in Bedrängnis. Ohne Besinnen holt er seine<lb/>
Husaren und führt bei Frisingen wie ein Wetterstrahl auf die Franzosen....<lb/>
Bei Eröffnung des Feldzuges 1794 versucht er sich bei Weidental trotz schwieriger<lb/>
Lage sehr erfolgreich im Gebirgskrieg mit gemischten Waffen. Wenige Tage<lb/>
später führt er seine Husaren bei Kirrweiler, seine Nachbarn mit sich fortreißend,<lb/>
zu unerhörten Taten gegen Infanterie, überlegne Kavallerie und Artillerie. .. .<lb/>
An dem glänzenden Abschluß des Krieges im Gefecht bei Kaiserslautern spielt<lb/>
Blücher eine wichtige Rolle durch geschickte Führung, selbständiges, energisches<lb/>
Eingreifen und durch seine Verfolgung in ein Gelände hinein, das man im<lb/>
allgemeinen als ungeeignet für Kavallerie hinzustellen pflegt, auch hier wieder<lb/>
durch sein Beispiel zu den schönsten Taten begeisternd. ... Es war ein seinem<lb/>
Wesen eigentümliches kriegerisches Feuer, das Blücher zu seinen Taten aneiferte.<lb/>
Der Feuerkopf, der ihn manchmal in scharfe Händel gebracht, der Wagemut,<lb/>
der ihn in Schulden gestürzt, der Trotz, der ihn die Stellung gekostet hatte,<lb/>
sie fanden in geläuterter Form ein Feld zur Betätigung in kühnem Ansturm<lb/>
und im zähen Ausharren. Ihn lockte die Gefahr, ihn reizte die Aufregung des<lb/>
Kampfes, ihn erfüllte mit stolzer Befriedigung das Bewußtsein der Gewalt, die<lb/>
er über andre ausübte. Er schien das Leben als nichts zu achten; ihn kümmerte<lb/>
nicht das Schwinden seiner Hilfsquellen. In dieser heldischen Unbekümmertheit<lb/>
riß er Offiziere und Leute mit sich fort, daß sie vergaßen, was sie sonst an<lb/>
die Welt fesselte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2081" next="#ID_2082"> Für Blücher waren die Rheinfeldzüge eine vortreffliche Schule. &#x201E;Mehr¬<lb/>
mals hatte ihm die selbständige Leitung des Gefechts obgelegen, und schon<lb/>
erkannte man sein Geschick, das Zusammenwirken der drei Waffen sicherzustellen,<lb/>
den richtigen Augenblick für das Einsetzen der Truppen zu Verstärkung und<lb/>
Gegenstoß zu erfassen; ja gelegentlich ertappen wir den kühnen Husaren beim<lb/>
Schanzen." Auch die großen Eigenschaften und das Geschick, das er später an</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0353] Line neue Blücher-Biographie steigern, aber ebensowenig dazu, an ihrer Güte ernstlich zu zweifeln, denn daß die Franzosen ihre Erfolge im Grunde nur der Zwietracht der Verbündeten zu verdanken hatten, mußte um so mehr in die Augen fallen, als die preußischen Truppen, wo sie den Feind ernsthaft anpackten, diesen immer zu schlagen wußten. Hier liegt zum Teil die Erklärung dafür, daß auch 1806 noch die Armee durchaus nicht ohne Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang in den Kampf gezogen ist, und daß der plötzliche Absturz so tiefgreifende Folgen hatte. Im Schlagen der Franzosen aber leistete im Revolutionskriege keiner mehr als Blücher. In einem Rückblick auf den Verlauf der Nheinfeldzüge sagt General von Unger (S. 219ff.): „Die tüchtigsten Offiziere drängten sich zu Blüchers Jagden. Wo seine Noten sich zeigten, waren die Franzosen auf ihrer Hut. Bei Kaiserlichen und Briten, bei Holländern, Hannoveranern und Hessen standen die dunkelroten Husaren und der Oberst von Blücher in hoher Achtung. Nun gehts von Flandern nach der Mosel. Mit müden Pferden langt Blücher in einem Dorf bei Luxemburg an; da hört er vorn Schießen; er reitet hin und findet österreichische Kameraden in Bedrängnis. Ohne Besinnen holt er seine Husaren und führt bei Frisingen wie ein Wetterstrahl auf die Franzosen.... Bei Eröffnung des Feldzuges 1794 versucht er sich bei Weidental trotz schwieriger Lage sehr erfolgreich im Gebirgskrieg mit gemischten Waffen. Wenige Tage später führt er seine Husaren bei Kirrweiler, seine Nachbarn mit sich fortreißend, zu unerhörten Taten gegen Infanterie, überlegne Kavallerie und Artillerie. .. . An dem glänzenden Abschluß des Krieges im Gefecht bei Kaiserslautern spielt Blücher eine wichtige Rolle durch geschickte Führung, selbständiges, energisches Eingreifen und durch seine Verfolgung in ein Gelände hinein, das man im allgemeinen als ungeeignet für Kavallerie hinzustellen pflegt, auch hier wieder durch sein Beispiel zu den schönsten Taten begeisternd. ... Es war ein seinem Wesen eigentümliches kriegerisches Feuer, das Blücher zu seinen Taten aneiferte. Der Feuerkopf, der ihn manchmal in scharfe Händel gebracht, der Wagemut, der ihn in Schulden gestürzt, der Trotz, der ihn die Stellung gekostet hatte, sie fanden in geläuterter Form ein Feld zur Betätigung in kühnem Ansturm und im zähen Ausharren. Ihn lockte die Gefahr, ihn reizte die Aufregung des Kampfes, ihn erfüllte mit stolzer Befriedigung das Bewußtsein der Gewalt, die er über andre ausübte. Er schien das Leben als nichts zu achten; ihn kümmerte nicht das Schwinden seiner Hilfsquellen. In dieser heldischen Unbekümmertheit riß er Offiziere und Leute mit sich fort, daß sie vergaßen, was sie sonst an die Welt fesselte." Für Blücher waren die Rheinfeldzüge eine vortreffliche Schule. „Mehr¬ mals hatte ihm die selbständige Leitung des Gefechts obgelegen, und schon erkannte man sein Geschick, das Zusammenwirken der drei Waffen sicherzustellen, den richtigen Augenblick für das Einsetzen der Truppen zu Verstärkung und Gegenstoß zu erfassen; ja gelegentlich ertappen wir den kühnen Husaren beim Schanzen." Auch die großen Eigenschaften und das Geschick, das er später an

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/353
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/353>, abgerufen am 01.09.2024.