Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Ethik und Kapitalismus nimmt gerade die Hälfte des Buches in Anspruch. Der zweite Teil befaßt Die Urteile über den Stand des Kaufmanns und seine Beziehungen zur Der Handelsstand fordert sittliche Persönlichkeiten. Er kennt Opfermut Ethik und Kapitalismus nimmt gerade die Hälfte des Buches in Anspruch. Der zweite Teil befaßt Die Urteile über den Stand des Kaufmanns und seine Beziehungen zur Der Handelsstand fordert sittliche Persönlichkeiten. Er kennt Opfermut <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303008"/> <fw type="header" place="top"> Ethik und Kapitalismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1846" prev="#ID_1845"> nimmt gerade die Hälfte des Buches in Anspruch. Der zweite Teil befaßt<lb/> sich mit der ethischen Wertung einzelner Stände. Zuerst kommt der Kaufmann<lb/> an die Reihe, der vornehmste moderne Vertreter des Kapitalismus. Zur<lb/> Illustration, wie Traub seine Aufgabe von der praktisch-ethischen Seite anfaßt,<lb/> sei gezeigt, wie er über das Thema „Kaufmann und Ethik" spricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1847"> Die Urteile über den Stand des Kaufmanns und seine Beziehungen zur<lb/> allgemeinen Ethik schwanken. Der Sozialist Fourier nennt ihn den Krebs¬<lb/> schaden der Zivilisation. Alle Völker bis zum Mittelalter hatten instinktives<lb/> Mißtrauen gegen den Handel. Heute erkennen wir den Handel als notwendiges<lb/> Glied der arbeitsteiligen Produktion in unsrer Wirtschaftsordnung an. Er ist<lb/> sozialer Dienst ersten Ranges. Der Handel organisiert die gesamte wirtschaftende<lb/> Gesellschaft. Es ist interessant, das hohe Lied zu lesen, das Traub dem Kauf¬<lb/> mannsstande schreibt. Man kann ihm nnr Recht geben, und die erste Probe<lb/> seiner sittlichen Maßstäbe auf einen Typus des Kapitalismus gelingt ihm<lb/> sehr. Ethisch gewertet bedeutet der Kaufmannsstand: ruhige Erwägung, Sach¬<lb/> kenntnis, Wirklichkeitssinn und Wahrhaftigkeit. Lug und Trug sind nicht bloß<lb/> die Gefahren des Kaufmanns. Jeder Beruf hat sie, auch der theologische.<lb/> Die Frage ist nur, ob der moderne Handel diese Gefahren größer oder kleiner<lb/> macht. Der Großhandel kann nur auf der Grundlage der Verantwortlichkeit<lb/> und der Wahrhaftigkeit gedeihen. Das ethische Verhältnis zwischen Gro߬<lb/> handel und Detailhandel dürfte noch nicht so geklärt sein. Ehrlicher Gro߬<lb/> handel schärft auch dem Kleinhandel das Gewissen, stattet ihn mit ehrlicher<lb/> Ware aus und erleichtert ihm den Kampf gegen die Schmutzkonkurrenz. Ich<lb/> mochte hier einen Schritt weiter gehn und darauf aufmerksam machen, daß<lb/> Großfirmen an gewisse Warenhäuser nicht verkaufen, das ist ein ethischer Zug.<lb/> Der Staat sollte alles tun, den ehrlichen Großhandel schon im Interesse des<lb/> Kleinhandels zu unterstützen — nicht zur Ausschaltung der Warenhäuser, sondern<lb/> einzelner schmutziger Praktiken. Hier sind wir an einem Punkte, wo die Ethik<lb/> geradezu befruchtend und befreiend auf die Volkswirtschaft einwirken kann, wo<lb/> sie Parlamentarismus und Kapitalismus zu neuen Formationen sittlich ver¬<lb/> pflichtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1848" next="#ID_1849"> Der Handelsstand fordert sittliche Persönlichkeiten. Er kennt Opfermut<lb/> (E. Lohner, Krupp usw.). Geiz findet sich sogar hier weniger als anderswo.<lb/> Sittliche Defekte rächen sich viel offenkundiger als in andern Stünden. Der<lb/> Kaufmannsstand mit seinen Versuchungen hat deshalb die sittliche Pflicht, un¬<lb/> saubere Elemente auszustoßen. Der Protestantismus hat den Kaufmann und<lb/> den Kapitalismus gefördert. Der Protestantismus schafft selbständige, verant¬<lb/> wortliche Persönlichkeiten. Ein hohes Maß sittlicher Wahrhaftigkeit, Selbst¬<lb/> beschränkung und sozialen Pflichtgefühls fordert vor allem die Preisbestimmung<lb/> der Waren, vorzüglich der großen unentbehrlichen Gütermassen für die Volks¬<lb/> erhaltung. Gerade die Sozialethik hat sich mit dem ökonomischen Begriff des<lb/> Wertes auseinanderzusetzen. Die menschliche Arbeit als sittliche Leistung muß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
Ethik und Kapitalismus
nimmt gerade die Hälfte des Buches in Anspruch. Der zweite Teil befaßt
sich mit der ethischen Wertung einzelner Stände. Zuerst kommt der Kaufmann
an die Reihe, der vornehmste moderne Vertreter des Kapitalismus. Zur
Illustration, wie Traub seine Aufgabe von der praktisch-ethischen Seite anfaßt,
sei gezeigt, wie er über das Thema „Kaufmann und Ethik" spricht.
Die Urteile über den Stand des Kaufmanns und seine Beziehungen zur
allgemeinen Ethik schwanken. Der Sozialist Fourier nennt ihn den Krebs¬
schaden der Zivilisation. Alle Völker bis zum Mittelalter hatten instinktives
Mißtrauen gegen den Handel. Heute erkennen wir den Handel als notwendiges
Glied der arbeitsteiligen Produktion in unsrer Wirtschaftsordnung an. Er ist
sozialer Dienst ersten Ranges. Der Handel organisiert die gesamte wirtschaftende
Gesellschaft. Es ist interessant, das hohe Lied zu lesen, das Traub dem Kauf¬
mannsstande schreibt. Man kann ihm nnr Recht geben, und die erste Probe
seiner sittlichen Maßstäbe auf einen Typus des Kapitalismus gelingt ihm
sehr. Ethisch gewertet bedeutet der Kaufmannsstand: ruhige Erwägung, Sach¬
kenntnis, Wirklichkeitssinn und Wahrhaftigkeit. Lug und Trug sind nicht bloß
die Gefahren des Kaufmanns. Jeder Beruf hat sie, auch der theologische.
Die Frage ist nur, ob der moderne Handel diese Gefahren größer oder kleiner
macht. Der Großhandel kann nur auf der Grundlage der Verantwortlichkeit
und der Wahrhaftigkeit gedeihen. Das ethische Verhältnis zwischen Gro߬
handel und Detailhandel dürfte noch nicht so geklärt sein. Ehrlicher Gro߬
handel schärft auch dem Kleinhandel das Gewissen, stattet ihn mit ehrlicher
Ware aus und erleichtert ihm den Kampf gegen die Schmutzkonkurrenz. Ich
mochte hier einen Schritt weiter gehn und darauf aufmerksam machen, daß
Großfirmen an gewisse Warenhäuser nicht verkaufen, das ist ein ethischer Zug.
Der Staat sollte alles tun, den ehrlichen Großhandel schon im Interesse des
Kleinhandels zu unterstützen — nicht zur Ausschaltung der Warenhäuser, sondern
einzelner schmutziger Praktiken. Hier sind wir an einem Punkte, wo die Ethik
geradezu befruchtend und befreiend auf die Volkswirtschaft einwirken kann, wo
sie Parlamentarismus und Kapitalismus zu neuen Formationen sittlich ver¬
pflichtet.
Der Handelsstand fordert sittliche Persönlichkeiten. Er kennt Opfermut
(E. Lohner, Krupp usw.). Geiz findet sich sogar hier weniger als anderswo.
Sittliche Defekte rächen sich viel offenkundiger als in andern Stünden. Der
Kaufmannsstand mit seinen Versuchungen hat deshalb die sittliche Pflicht, un¬
saubere Elemente auszustoßen. Der Protestantismus hat den Kaufmann und
den Kapitalismus gefördert. Der Protestantismus schafft selbständige, verant¬
wortliche Persönlichkeiten. Ein hohes Maß sittlicher Wahrhaftigkeit, Selbst¬
beschränkung und sozialen Pflichtgefühls fordert vor allem die Preisbestimmung
der Waren, vorzüglich der großen unentbehrlichen Gütermassen für die Volks¬
erhaltung. Gerade die Sozialethik hat sich mit dem ökonomischen Begriff des
Wertes auseinanderzusetzen. Die menschliche Arbeit als sittliche Leistung muß
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