Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Gebit und Kapitalismus immer das Normgebende sein, wobei der Zusammenhang der Ware mit dem Ähnlich werden sittlich und volkswirtschaftlich gewertet der Konsument, der Gebit und Kapitalismus immer das Normgebende sein, wobei der Zusammenhang der Ware mit dem Ähnlich werden sittlich und volkswirtschaftlich gewertet der Konsument, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303009"/> <fw type="header" place="top"> Gebit und Kapitalismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1849" prev="#ID_1848"> immer das Normgebende sein, wobei der Zusammenhang der Ware mit dem<lb/> Naturstoff selbstverständlich nicht ausgeschlossen sein soll. Ich möchte noch<lb/> hinzufügen, daß die Ethik gerade hier ihre höchste soziale Zukunftsaufgabe hat:<lb/> die soziale Aufgabe wäre in dem Augenblick gelöst, wo eine Organisation<lb/> freier oder kommunaler sittlicher Persönlichkeiten die Macht und die Einsicht<lb/> hätte, den Preis jeder Ware so zu bestimmen, daß Arbeitgeber und Arbeit¬<lb/> nehmer so gelohnt würden, daß das jetzt herrschende Mißverhältnis zwischen<lb/> Kapital und Arbeit aufgehoben wäre, populär gesagt: daß der Arbeitsgewinn<lb/> des Unternehmers in gewissen Prozenten zugunsten des Arbeiters beschränkt<lb/> würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1850"> Ähnlich werden sittlich und volkswirtschaftlich gewertet der Konsument, der<lb/> Rentner, der Bauer, der Unternehmer, der Handwerker, der Arbeiter und die<lb/> Frauenfrage. Da, wo sich gegen Traubs Ausführungen im einzelnen Wider¬<lb/> sprüche erheben, müßte ich zu weit für den mir übrigen Raum ausholen. Es<lb/> handelte sich hier nur darum, zur Lektüre des wertvollen Buches anzuregen.<lb/> Ich denke, daß das Schlußwort Traubs dazu das meiste noch beitragen kann:<lb/> „Die Hauptsache ist, daß die Ethik die Verbindung mit den tatsächlichen Lebens¬<lb/> und Entwicklungsbedingungen nie verliert. Ihre Werte und Güter liegen<lb/> zwar höher als alles, was wir kausal erklären können. Aber die sittliche<lb/> Arbeit und sittliche Entwicklung muß an dem gegebnen Stoff und mit den<lb/> vorhandnen Mitteln des geschichtlichen Lebens arbeiten. ... Volkswirtschaftliches<lb/> Handeln ist sittlich, wo es um der Zukunft des Volkes willen geschieht. Der<lb/> Kapitalismus hat die Völker formell gewöhnt, mit der Zukunft zu rechnen; er<lb/> liebt Überraschungen; er treibt unaufhörlich in die Weite. Dieses Triebes muß<lb/> die Ethik Herr werden, indem sie die Gedanken der privatwirtschaftlichen Zu¬<lb/> kunft umbiegt zu dem Willen, die ganze Volkswirtschaft zu einer fröhlichen,<lb/> segensreichen Zukunft der Völker zu gestalten. Mut, Liebe, Opfersinn bleiben<lb/> die Kräfte jeder Entwicklung. Die Ethik hat sie zu bewahren, zu begründen,<lb/> nach allen Gesichtspunkten hin als die lebendigen Mächte des Fortschritts zu<lb/> erweisen. Die Volkswirtschaft wird ihr stets dankbar sein, weil sie nur dadurch<lb/> vor eignem Zerfall behütet wird. Wenn die Seele des Volkes krankt, hilft<lb/> kein noch so fein durchdachter Apparat materieller Wohlfahrt. Nicht die Zeit<lb/> ist es, welche die Ewigkeit trügt. Nur dort werden die Zeiten groß und die<lb/> Völker in ihnen über das gewöhnliche Maß erhoben, wo die Kräfte ewiger<lb/> W<note type="byline"> David «och</note> ahrheit lebendig in ihnen geworden find." </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
Gebit und Kapitalismus
immer das Normgebende sein, wobei der Zusammenhang der Ware mit dem
Naturstoff selbstverständlich nicht ausgeschlossen sein soll. Ich möchte noch
hinzufügen, daß die Ethik gerade hier ihre höchste soziale Zukunftsaufgabe hat:
die soziale Aufgabe wäre in dem Augenblick gelöst, wo eine Organisation
freier oder kommunaler sittlicher Persönlichkeiten die Macht und die Einsicht
hätte, den Preis jeder Ware so zu bestimmen, daß Arbeitgeber und Arbeit¬
nehmer so gelohnt würden, daß das jetzt herrschende Mißverhältnis zwischen
Kapital und Arbeit aufgehoben wäre, populär gesagt: daß der Arbeitsgewinn
des Unternehmers in gewissen Prozenten zugunsten des Arbeiters beschränkt
würde.
Ähnlich werden sittlich und volkswirtschaftlich gewertet der Konsument, der
Rentner, der Bauer, der Unternehmer, der Handwerker, der Arbeiter und die
Frauenfrage. Da, wo sich gegen Traubs Ausführungen im einzelnen Wider¬
sprüche erheben, müßte ich zu weit für den mir übrigen Raum ausholen. Es
handelte sich hier nur darum, zur Lektüre des wertvollen Buches anzuregen.
Ich denke, daß das Schlußwort Traubs dazu das meiste noch beitragen kann:
„Die Hauptsache ist, daß die Ethik die Verbindung mit den tatsächlichen Lebens¬
und Entwicklungsbedingungen nie verliert. Ihre Werte und Güter liegen
zwar höher als alles, was wir kausal erklären können. Aber die sittliche
Arbeit und sittliche Entwicklung muß an dem gegebnen Stoff und mit den
vorhandnen Mitteln des geschichtlichen Lebens arbeiten. ... Volkswirtschaftliches
Handeln ist sittlich, wo es um der Zukunft des Volkes willen geschieht. Der
Kapitalismus hat die Völker formell gewöhnt, mit der Zukunft zu rechnen; er
liebt Überraschungen; er treibt unaufhörlich in die Weite. Dieses Triebes muß
die Ethik Herr werden, indem sie die Gedanken der privatwirtschaftlichen Zu¬
kunft umbiegt zu dem Willen, die ganze Volkswirtschaft zu einer fröhlichen,
segensreichen Zukunft der Völker zu gestalten. Mut, Liebe, Opfersinn bleiben
die Kräfte jeder Entwicklung. Die Ethik hat sie zu bewahren, zu begründen,
nach allen Gesichtspunkten hin als die lebendigen Mächte des Fortschritts zu
erweisen. Die Volkswirtschaft wird ihr stets dankbar sein, weil sie nur dadurch
vor eignem Zerfall behütet wird. Wenn die Seele des Volkes krankt, hilft
kein noch so fein durchdachter Apparat materieller Wohlfahrt. Nicht die Zeit
ist es, welche die Ewigkeit trügt. Nur dort werden die Zeiten groß und die
Völker in ihnen über das gewöhnliche Maß erhoben, wo die Kräfte ewiger
W David «och ahrheit lebendig in ihnen geworden find."
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