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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die ältesten Fürsten von Braunschweig

die ihnen die Markgrafschaft Friesland zugebracht hatte, war nach neuen
Forschungen eine Cousine Kaiser Ottos des Großen. Die mütterliche Großmutter
des Kaisers war aus demselben friesischen Fürstenhause.

Markgraf Bruno von Mittelfriesland, der erste, der urkundlich als Herr
von Braunschweig nachweisbar ist, war im damaligen deutschen Norden ein be¬
deutender Maun. Im Jahre 1000 etwa heiratete er die schwäbische Herzogs¬
tochter Gisela, die durch ihre Großmutter, die Prinzessin Gerberga von Burgund,
eine der nächsten Verwandten Kaiser Ottos des Dritten war. Nach Ottos des
Dritten Tod, im Jahre 1002, soll Bruno als Prätendent für die Kaiserkrone
ausgetreten sein. Vielleicht gründete er seine Ansprüche auf das Erbrecht seiner
Frau. Vielleicht war aber sein Eingreifen in den Thronfolgestreit, über das
wir nicht näher unterrichtet sind, nur ein Eintreten für seinen Schwiegervater
Herzog Ernst den Zweiten von Schwaben, den süddeutschen Prätendenten gegen
den Sieger im Streit, den spätern Kaiser Heinrich den Zweiten und den weitern
Mitbewerber, den mächtigen Markgrafen Ekkehard von Meißen. Aus der Zeit,
nachdem der Widerstand Herzog Hermanns vom Kaiser Heinrich dem Zweiten
gebrochen war, hören wir von kaiserlichen Ambitionen Brunos nichts, und sein
Nachbar, der Prätendent Ekkehard von Meißen, war doch durch Meuchelmord be¬
seitigt. Das läßt darauf schließen, daß Bruno nicht für sich selbst an die Kaiser¬
krone gedacht hat.

Er scheint nur einen Sohn Ludolf hinterlassen zu haben, der ihm als
Markgraf von Mittelfriesland und als Herr von Braunschweig folgte. Ludolfs
Mutter aber, Gisela, heiratete noch zweimal. In ihrer zweiten Ehe mit Herzog
Ernst dem Ersten von Schwaben wurde sie die Mutter des vielbesungnen Herzogs
Ernst des Zweiten. Ihrem dritten Gatten gebar sie den spätern Kaiser Konrad
den Zweiten. Ludolf von Braunschweig, der unglückliche Ernst von Schwaben
und Kaiser Konrad der Zweite waren also Stiefbruder.

Wie sein Vater war auch Ludolf recht standesgemäß verheiratet. Zuerst
mit einer Gräfin von Egisheim. einer Schwester Papst Leos des Neunten, dann
mit einer Nichte der Kaiserin Kunigunde, der von der Kirche wohl weit über
Verdienst gepriesnen Gemahlin Kaiser Heinrichs des Zweiten.

Ludolf starb 1038. Ihm folgte zunächst ein kinderloser Sohn Bruno,
dann dessen jüngerer Bruder Elbert, der seinen Besitzungen die Markgraf¬
schaft Meißen zufügte und 1058 durch seine Heirat mit der Markgräfin Irm-
gard von Susa, Witwe Herzog Ottos von Schweinfurt, seinem Hause neue
wertvolle Beziehungen sicherte. Otto war Herzog von Schwaben und einer der
einflußreichsten Fürsten Süddeutschlands gewesen. Jrmgards Schwester Adelheid
war die Mutter der Kaiserin Berta, Gemahlin Heinrichs des Vierten, und der
Adelheid, Gemahlin des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden.

Schon mit dem einzigen Sohn Ekberts und der Irmgard starb der
Mannesstamm der Braunschweiger Brunonen aus, und der bedeutende Besitz
des Hauses siel einer Tochter Gertrud zu. Diese Gertrud hatte aus drei Ehen


Die ältesten Fürsten von Braunschweig

die ihnen die Markgrafschaft Friesland zugebracht hatte, war nach neuen
Forschungen eine Cousine Kaiser Ottos des Großen. Die mütterliche Großmutter
des Kaisers war aus demselben friesischen Fürstenhause.

Markgraf Bruno von Mittelfriesland, der erste, der urkundlich als Herr
von Braunschweig nachweisbar ist, war im damaligen deutschen Norden ein be¬
deutender Maun. Im Jahre 1000 etwa heiratete er die schwäbische Herzogs¬
tochter Gisela, die durch ihre Großmutter, die Prinzessin Gerberga von Burgund,
eine der nächsten Verwandten Kaiser Ottos des Dritten war. Nach Ottos des
Dritten Tod, im Jahre 1002, soll Bruno als Prätendent für die Kaiserkrone
ausgetreten sein. Vielleicht gründete er seine Ansprüche auf das Erbrecht seiner
Frau. Vielleicht war aber sein Eingreifen in den Thronfolgestreit, über das
wir nicht näher unterrichtet sind, nur ein Eintreten für seinen Schwiegervater
Herzog Ernst den Zweiten von Schwaben, den süddeutschen Prätendenten gegen
den Sieger im Streit, den spätern Kaiser Heinrich den Zweiten und den weitern
Mitbewerber, den mächtigen Markgrafen Ekkehard von Meißen. Aus der Zeit,
nachdem der Widerstand Herzog Hermanns vom Kaiser Heinrich dem Zweiten
gebrochen war, hören wir von kaiserlichen Ambitionen Brunos nichts, und sein
Nachbar, der Prätendent Ekkehard von Meißen, war doch durch Meuchelmord be¬
seitigt. Das läßt darauf schließen, daß Bruno nicht für sich selbst an die Kaiser¬
krone gedacht hat.

Er scheint nur einen Sohn Ludolf hinterlassen zu haben, der ihm als
Markgraf von Mittelfriesland und als Herr von Braunschweig folgte. Ludolfs
Mutter aber, Gisela, heiratete noch zweimal. In ihrer zweiten Ehe mit Herzog
Ernst dem Ersten von Schwaben wurde sie die Mutter des vielbesungnen Herzogs
Ernst des Zweiten. Ihrem dritten Gatten gebar sie den spätern Kaiser Konrad
den Zweiten. Ludolf von Braunschweig, der unglückliche Ernst von Schwaben
und Kaiser Konrad der Zweite waren also Stiefbruder.

Wie sein Vater war auch Ludolf recht standesgemäß verheiratet. Zuerst
mit einer Gräfin von Egisheim. einer Schwester Papst Leos des Neunten, dann
mit einer Nichte der Kaiserin Kunigunde, der von der Kirche wohl weit über
Verdienst gepriesnen Gemahlin Kaiser Heinrichs des Zweiten.

Ludolf starb 1038. Ihm folgte zunächst ein kinderloser Sohn Bruno,
dann dessen jüngerer Bruder Elbert, der seinen Besitzungen die Markgraf¬
schaft Meißen zufügte und 1058 durch seine Heirat mit der Markgräfin Irm-
gard von Susa, Witwe Herzog Ottos von Schweinfurt, seinem Hause neue
wertvolle Beziehungen sicherte. Otto war Herzog von Schwaben und einer der
einflußreichsten Fürsten Süddeutschlands gewesen. Jrmgards Schwester Adelheid
war die Mutter der Kaiserin Berta, Gemahlin Heinrichs des Vierten, und der
Adelheid, Gemahlin des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden.

Schon mit dem einzigen Sohn Ekberts und der Irmgard starb der
Mannesstamm der Braunschweiger Brunonen aus, und der bedeutende Besitz
des Hauses siel einer Tochter Gertrud zu. Diese Gertrud hatte aus drei Ehen


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[0671] Die ältesten Fürsten von Braunschweig die ihnen die Markgrafschaft Friesland zugebracht hatte, war nach neuen Forschungen eine Cousine Kaiser Ottos des Großen. Die mütterliche Großmutter des Kaisers war aus demselben friesischen Fürstenhause. Markgraf Bruno von Mittelfriesland, der erste, der urkundlich als Herr von Braunschweig nachweisbar ist, war im damaligen deutschen Norden ein be¬ deutender Maun. Im Jahre 1000 etwa heiratete er die schwäbische Herzogs¬ tochter Gisela, die durch ihre Großmutter, die Prinzessin Gerberga von Burgund, eine der nächsten Verwandten Kaiser Ottos des Dritten war. Nach Ottos des Dritten Tod, im Jahre 1002, soll Bruno als Prätendent für die Kaiserkrone ausgetreten sein. Vielleicht gründete er seine Ansprüche auf das Erbrecht seiner Frau. Vielleicht war aber sein Eingreifen in den Thronfolgestreit, über das wir nicht näher unterrichtet sind, nur ein Eintreten für seinen Schwiegervater Herzog Ernst den Zweiten von Schwaben, den süddeutschen Prätendenten gegen den Sieger im Streit, den spätern Kaiser Heinrich den Zweiten und den weitern Mitbewerber, den mächtigen Markgrafen Ekkehard von Meißen. Aus der Zeit, nachdem der Widerstand Herzog Hermanns vom Kaiser Heinrich dem Zweiten gebrochen war, hören wir von kaiserlichen Ambitionen Brunos nichts, und sein Nachbar, der Prätendent Ekkehard von Meißen, war doch durch Meuchelmord be¬ seitigt. Das läßt darauf schließen, daß Bruno nicht für sich selbst an die Kaiser¬ krone gedacht hat. Er scheint nur einen Sohn Ludolf hinterlassen zu haben, der ihm als Markgraf von Mittelfriesland und als Herr von Braunschweig folgte. Ludolfs Mutter aber, Gisela, heiratete noch zweimal. In ihrer zweiten Ehe mit Herzog Ernst dem Ersten von Schwaben wurde sie die Mutter des vielbesungnen Herzogs Ernst des Zweiten. Ihrem dritten Gatten gebar sie den spätern Kaiser Konrad den Zweiten. Ludolf von Braunschweig, der unglückliche Ernst von Schwaben und Kaiser Konrad der Zweite waren also Stiefbruder. Wie sein Vater war auch Ludolf recht standesgemäß verheiratet. Zuerst mit einer Gräfin von Egisheim. einer Schwester Papst Leos des Neunten, dann mit einer Nichte der Kaiserin Kunigunde, der von der Kirche wohl weit über Verdienst gepriesnen Gemahlin Kaiser Heinrichs des Zweiten. Ludolf starb 1038. Ihm folgte zunächst ein kinderloser Sohn Bruno, dann dessen jüngerer Bruder Elbert, der seinen Besitzungen die Markgraf¬ schaft Meißen zufügte und 1058 durch seine Heirat mit der Markgräfin Irm- gard von Susa, Witwe Herzog Ottos von Schweinfurt, seinem Hause neue wertvolle Beziehungen sicherte. Otto war Herzog von Schwaben und einer der einflußreichsten Fürsten Süddeutschlands gewesen. Jrmgards Schwester Adelheid war die Mutter der Kaiserin Berta, Gemahlin Heinrichs des Vierten, und der Adelheid, Gemahlin des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden. Schon mit dem einzigen Sohn Ekberts und der Irmgard starb der Mannesstamm der Braunschweiger Brunonen aus, und der bedeutende Besitz des Hauses siel einer Tochter Gertrud zu. Diese Gertrud hatte aus drei Ehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/671>, abgerufen am 06.02.2025.