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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die ältesten Fürsten von Braunschweig

Kinder, aber nur zwei Töchter der zweiten Ehe mit Heinrich von Nordheim,
Richenza und eine jüngere Gertrud, hatten Nachkommen. Der erste Gemahl
der Mutter Gertrud von Braunschweig war ein Graf von Katlenburg gewesen.
Als der einzige Sohn dieser Ehe unvermählt starb, fielen alle Katlen-
burgischen Besitzungen seinen beiden Stiefschwestern zu. Heinrich von Nord¬
heim, der Vater der Schwestern, war der Sohn des berühmten Otto von Nord¬
heim, der durch seinen Reichtum und seine gewaltige Persönlichkeit während
der Regierung Kaiser Heinrichs des Vierten eine so große Rolle spielte. Auch
der ganze Northeimische Besitz fiel den Schwestern Richenza und Gertrud zu.
Die Markgrcifschaft Meißen bekamen sie allerdings nicht. Die kam damals
an das Haus Wettin; der dritte Gatte der ältern Gertrud, der Erbin von
Braunschweig, Mittelfriesland und Meißen, war ein Graf von Wettin. Aber
das war für die Schwestern nicht allzuhart. Was sie an Besitz behielten, war
so bedeutend, daß die ältere, Richenza, wohl eine der reichsten Erbtochter war,
die es je in Deutschland gegeben hat. Sie wurde von Lothar von Supplin-
burg, dem spätern Kaiser, heimgeführt. Die jüngere, Gertrud, heiratete zuerst
den Pfalzgrafen Siegfried bei Rhein, einen Askanier, nach dessen Tod einen
Sohn des Gegenkönigs Hermann von Salm, den Grafen Otto von Rineck, der
auch Pfalzgraf bei Rhein wurde. Der Gertrud war in der Teilung mit
Richenza ursprünglich der Brunonische Besitz in Braunschweig zugefallen. Etwa
1133 tauschten aber die Schwestern, und Braunschweig kam an Kaiser Lothar,
den Gemahl der Richenza. Lothar hatte bekanntlich keinen Sohn. Seine
einzige Tochter Gertrud, Herrin der ganzen Besitzungen ihrer reichen Mutter,
noch vermehrt um die Erdtaube des Vaters, heiratete den Welsen Heinrich
den Stolzen, den Urenkel des Markgrafen Azzo von Este, den die Heirat mit
der schwäbischen Welfenerbin Kunigunde einst veranlaßt hatte, aus Italien auf
die welfischen Besitzungen am Bodensee überzusiedeln und den deutschen Stammes¬
namen der Welsen anzunehmen. Durch die Prinzessin Gertrud bekam dieser
deutsch gewordne Zweig des Hauses Este nun die ganzen braunschweigischen
Besitzungen.

Welfische Residenz ist Braunschweig bekanntlich erst unter Heinrich dem
Löwen geworden, dessen Andenken ja durch manche Sage mit der Stadt ver¬
knüpft ist. Er baute Mauern und Häuser. Er half mit allen Mitteln seiner
imposanten Macht und großartiger landesvätcrlicher Sorge der Stadt und dem
Lande auf, bis ihm der Zusammenbruch in seinem Konflikt mit Barbarossa
1180 alles nahm, was er in langer zielbewußter Arbeit vereint, entwickelt und
gefestigt hatte.

Von dem wenigen, das ihm später die kaiserliche Gnade zurückgab,
waren die alten brunonischen Hausgüter in und um Braunschweig das beste.
Daraus entwickelten sich dann langsam die neuen welfischen Lande in Nord¬
deutschland, von denen heute ja wieder nur der kleinere braunschweigische Teil
den Welsen als Stammeserbe geblieben ist.


Die ältesten Fürsten von Braunschweig

Kinder, aber nur zwei Töchter der zweiten Ehe mit Heinrich von Nordheim,
Richenza und eine jüngere Gertrud, hatten Nachkommen. Der erste Gemahl
der Mutter Gertrud von Braunschweig war ein Graf von Katlenburg gewesen.
Als der einzige Sohn dieser Ehe unvermählt starb, fielen alle Katlen-
burgischen Besitzungen seinen beiden Stiefschwestern zu. Heinrich von Nord¬
heim, der Vater der Schwestern, war der Sohn des berühmten Otto von Nord¬
heim, der durch seinen Reichtum und seine gewaltige Persönlichkeit während
der Regierung Kaiser Heinrichs des Vierten eine so große Rolle spielte. Auch
der ganze Northeimische Besitz fiel den Schwestern Richenza und Gertrud zu.
Die Markgrcifschaft Meißen bekamen sie allerdings nicht. Die kam damals
an das Haus Wettin; der dritte Gatte der ältern Gertrud, der Erbin von
Braunschweig, Mittelfriesland und Meißen, war ein Graf von Wettin. Aber
das war für die Schwestern nicht allzuhart. Was sie an Besitz behielten, war
so bedeutend, daß die ältere, Richenza, wohl eine der reichsten Erbtochter war,
die es je in Deutschland gegeben hat. Sie wurde von Lothar von Supplin-
burg, dem spätern Kaiser, heimgeführt. Die jüngere, Gertrud, heiratete zuerst
den Pfalzgrafen Siegfried bei Rhein, einen Askanier, nach dessen Tod einen
Sohn des Gegenkönigs Hermann von Salm, den Grafen Otto von Rineck, der
auch Pfalzgraf bei Rhein wurde. Der Gertrud war in der Teilung mit
Richenza ursprünglich der Brunonische Besitz in Braunschweig zugefallen. Etwa
1133 tauschten aber die Schwestern, und Braunschweig kam an Kaiser Lothar,
den Gemahl der Richenza. Lothar hatte bekanntlich keinen Sohn. Seine
einzige Tochter Gertrud, Herrin der ganzen Besitzungen ihrer reichen Mutter,
noch vermehrt um die Erdtaube des Vaters, heiratete den Welsen Heinrich
den Stolzen, den Urenkel des Markgrafen Azzo von Este, den die Heirat mit
der schwäbischen Welfenerbin Kunigunde einst veranlaßt hatte, aus Italien auf
die welfischen Besitzungen am Bodensee überzusiedeln und den deutschen Stammes¬
namen der Welsen anzunehmen. Durch die Prinzessin Gertrud bekam dieser
deutsch gewordne Zweig des Hauses Este nun die ganzen braunschweigischen
Besitzungen.

Welfische Residenz ist Braunschweig bekanntlich erst unter Heinrich dem
Löwen geworden, dessen Andenken ja durch manche Sage mit der Stadt ver¬
knüpft ist. Er baute Mauern und Häuser. Er half mit allen Mitteln seiner
imposanten Macht und großartiger landesvätcrlicher Sorge der Stadt und dem
Lande auf, bis ihm der Zusammenbruch in seinem Konflikt mit Barbarossa
1180 alles nahm, was er in langer zielbewußter Arbeit vereint, entwickelt und
gefestigt hatte.

Von dem wenigen, das ihm später die kaiserliche Gnade zurückgab,
waren die alten brunonischen Hausgüter in und um Braunschweig das beste.
Daraus entwickelten sich dann langsam die neuen welfischen Lande in Nord¬
deutschland, von denen heute ja wieder nur der kleinere braunschweigische Teil
den Welsen als Stammeserbe geblieben ist.


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[0672] Die ältesten Fürsten von Braunschweig Kinder, aber nur zwei Töchter der zweiten Ehe mit Heinrich von Nordheim, Richenza und eine jüngere Gertrud, hatten Nachkommen. Der erste Gemahl der Mutter Gertrud von Braunschweig war ein Graf von Katlenburg gewesen. Als der einzige Sohn dieser Ehe unvermählt starb, fielen alle Katlen- burgischen Besitzungen seinen beiden Stiefschwestern zu. Heinrich von Nord¬ heim, der Vater der Schwestern, war der Sohn des berühmten Otto von Nord¬ heim, der durch seinen Reichtum und seine gewaltige Persönlichkeit während der Regierung Kaiser Heinrichs des Vierten eine so große Rolle spielte. Auch der ganze Northeimische Besitz fiel den Schwestern Richenza und Gertrud zu. Die Markgrcifschaft Meißen bekamen sie allerdings nicht. Die kam damals an das Haus Wettin; der dritte Gatte der ältern Gertrud, der Erbin von Braunschweig, Mittelfriesland und Meißen, war ein Graf von Wettin. Aber das war für die Schwestern nicht allzuhart. Was sie an Besitz behielten, war so bedeutend, daß die ältere, Richenza, wohl eine der reichsten Erbtochter war, die es je in Deutschland gegeben hat. Sie wurde von Lothar von Supplin- burg, dem spätern Kaiser, heimgeführt. Die jüngere, Gertrud, heiratete zuerst den Pfalzgrafen Siegfried bei Rhein, einen Askanier, nach dessen Tod einen Sohn des Gegenkönigs Hermann von Salm, den Grafen Otto von Rineck, der auch Pfalzgraf bei Rhein wurde. Der Gertrud war in der Teilung mit Richenza ursprünglich der Brunonische Besitz in Braunschweig zugefallen. Etwa 1133 tauschten aber die Schwestern, und Braunschweig kam an Kaiser Lothar, den Gemahl der Richenza. Lothar hatte bekanntlich keinen Sohn. Seine einzige Tochter Gertrud, Herrin der ganzen Besitzungen ihrer reichen Mutter, noch vermehrt um die Erdtaube des Vaters, heiratete den Welsen Heinrich den Stolzen, den Urenkel des Markgrafen Azzo von Este, den die Heirat mit der schwäbischen Welfenerbin Kunigunde einst veranlaßt hatte, aus Italien auf die welfischen Besitzungen am Bodensee überzusiedeln und den deutschen Stammes¬ namen der Welsen anzunehmen. Durch die Prinzessin Gertrud bekam dieser deutsch gewordne Zweig des Hauses Este nun die ganzen braunschweigischen Besitzungen. Welfische Residenz ist Braunschweig bekanntlich erst unter Heinrich dem Löwen geworden, dessen Andenken ja durch manche Sage mit der Stadt ver¬ knüpft ist. Er baute Mauern und Häuser. Er half mit allen Mitteln seiner imposanten Macht und großartiger landesvätcrlicher Sorge der Stadt und dem Lande auf, bis ihm der Zusammenbruch in seinem Konflikt mit Barbarossa 1180 alles nahm, was er in langer zielbewußter Arbeit vereint, entwickelt und gefestigt hatte. Von dem wenigen, das ihm später die kaiserliche Gnade zurückgab, waren die alten brunonischen Hausgüter in und um Braunschweig das beste. Daraus entwickelten sich dann langsam die neuen welfischen Lande in Nord¬ deutschland, von denen heute ja wieder nur der kleinere braunschweigische Teil den Welsen als Stammeserbe geblieben ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/672>, abgerufen am 06.02.2025.