Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Sozialdemokratie und Gericht wäre im Gegenteil ein leichtes, aus unsern höchsten Justizbeamteu viele klang¬ Als eine weitere Garantie guter, allen Bevölkerungsschichten gerecht Sozialdemokratie und Gericht wäre im Gegenteil ein leichtes, aus unsern höchsten Justizbeamteu viele klang¬ Als eine weitere Garantie guter, allen Bevölkerungsschichten gerecht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302055"/> <fw type="header" place="top"> Sozialdemokratie und Gericht</fw><lb/> <p xml:id="ID_266" prev="#ID_265"> wäre im Gegenteil ein leichtes, aus unsern höchsten Justizbeamteu viele klang¬<lb/> volle Rainen herauszugreifen, deren Träger dem bescheidensten Elternhause<lb/> entstammein Endlich spielt anch der Adel keine unangemessen große Rolle,<lb/> er ist mit zwei bis drei Prozent vertreten. Also auch durch die Herkunft<lb/> der Richter wird die möglichste Garantie dafür geboten, daß der Richter-<lb/> stand nicht in Klassenvorurteilen befangen sei, daß er nicht geneigt ist, sich bei<lb/> seinen Entscheidungen zu Unrecht auf die Seite der „Großen", wie das Volk<lb/> gern sagt, zu schlagen. Ja wer viel im Gerichtssaal zu tuu hat, wird oft die<lb/> Bemerkung gemacht haben, daß die Richter, was vom menschlichen Standpunkt<lb/> erklärlich und zu billigen ist, der wirtschaftlich stärkern Partei gerade mit<lb/> Hinweis auf ihre stärkere Position tüchtig zureden, dem schwächern Teil im<lb/> Guten weit mehr zu geben, als was sie nach strengem Recht geben müßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_267" next="#ID_268"> Als eine weitere Garantie guter, allen Bevölkerungsschichten gerecht<lb/> werdender Rechtsprechung hat man endlich auch immer die Beteiligung des<lb/> Laienelements aufgefaßt. Auch hier ist die Sozialdemokratie schnell fertig mit<lb/> ihrer abfülligen Kritik des bestehenden Zustandes: Schöffen und Geschworne<lb/> insbesondre sind bloß satte Kapitalisten, die eingeschwornen Feinde jedes kleinen<lb/> Mannes, sie pflichten entweder ohne eigne Meinung dem Richter bei oder<lb/> sind gar uoch härter als dieser! Oberflächlich und ungerecht ist solche Kritik,<lb/> aber der verhetzende Zweck wird damit erreicht! Zunächst sind unter den<lb/> Laienrichtern, zumal in den kleinern Orten, in großer Zahl Männer aus den<lb/> bescheidensten Kreisen der Bevölkerung, kleine Handwerker, Werkführer, kleine<lb/> Gewerbtreibende. Sie alle oder anch nur ihre Mehrzahl als den untern<lb/> Schichten feindliche oder urteilslvse Kapitalisten hinzustellen, ist einfach Unsinn.<lb/> Jeder Richter weiß auch, daß es uuter ihnen in großer Anzahl Männer von<lb/> ganz selbständiger Denkungsnrt, von scharfem Blick für die Erscheinungen des<lb/> Rechtslebens gibt, deren Mitarbeit zur Ermittlung des wahren Sachverhalts<lb/> von großem Wert ist. Daß der Kreis der Laienrichter, besonders in den<lb/> Großstädten, noch weiter gezogen werden könnte, kann nicht geleugnet werden;<lb/> daß es bisher nicht geschehen ist, liegt aber nicht an dem Mangel an gutem<lb/> Willen. Das sächsische Justizministerium hat erst im vergangnen Jahre wieder<lb/> darauf hingewiesen, daß mehr noch als bisher auch die kleinern Stände — die<lb/> Arbeiter werden besonders genannt — zu Schöffen und Geschwornen heran¬<lb/> gezogen werden sollen. Die Schwierigkeit liegt nur darin, daß man, da die<lb/> Ämter unentgeltliche Ehrenämter sind, bei denen nur Reisekosten vergütet<lb/> werden, den Unbemittelten den Zeit- und Geldaufwand nicht zumuten kann.<lb/> Sie dürfen ja auch auf Grund ihrer Mittellosigkeit das Amt ablehnen. Hier<lb/> könnte durch ein Reichsgesetz Abhilfe geschafft werden, das die Bestimmungen<lb/> des Gerichtsverfassungsgesetzcs abänderte. Und es ist in der Tat nicht einzu¬<lb/> sehen, warum, da jetzt das höchste Laienamt des Reichs, die Mitarbeit an der<lb/> Gesetzgebung im Reichstag entgeldlich ausgeübt wird, nicht auch der Laien¬<lb/> richter, etwa wie ein Zeuge oder wie ein Sachverständiger, für seinen Aufwand</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
Sozialdemokratie und Gericht
wäre im Gegenteil ein leichtes, aus unsern höchsten Justizbeamteu viele klang¬
volle Rainen herauszugreifen, deren Träger dem bescheidensten Elternhause
entstammein Endlich spielt anch der Adel keine unangemessen große Rolle,
er ist mit zwei bis drei Prozent vertreten. Also auch durch die Herkunft
der Richter wird die möglichste Garantie dafür geboten, daß der Richter-
stand nicht in Klassenvorurteilen befangen sei, daß er nicht geneigt ist, sich bei
seinen Entscheidungen zu Unrecht auf die Seite der „Großen", wie das Volk
gern sagt, zu schlagen. Ja wer viel im Gerichtssaal zu tuu hat, wird oft die
Bemerkung gemacht haben, daß die Richter, was vom menschlichen Standpunkt
erklärlich und zu billigen ist, der wirtschaftlich stärkern Partei gerade mit
Hinweis auf ihre stärkere Position tüchtig zureden, dem schwächern Teil im
Guten weit mehr zu geben, als was sie nach strengem Recht geben müßte.
Als eine weitere Garantie guter, allen Bevölkerungsschichten gerecht
werdender Rechtsprechung hat man endlich auch immer die Beteiligung des
Laienelements aufgefaßt. Auch hier ist die Sozialdemokratie schnell fertig mit
ihrer abfülligen Kritik des bestehenden Zustandes: Schöffen und Geschworne
insbesondre sind bloß satte Kapitalisten, die eingeschwornen Feinde jedes kleinen
Mannes, sie pflichten entweder ohne eigne Meinung dem Richter bei oder
sind gar uoch härter als dieser! Oberflächlich und ungerecht ist solche Kritik,
aber der verhetzende Zweck wird damit erreicht! Zunächst sind unter den
Laienrichtern, zumal in den kleinern Orten, in großer Zahl Männer aus den
bescheidensten Kreisen der Bevölkerung, kleine Handwerker, Werkführer, kleine
Gewerbtreibende. Sie alle oder anch nur ihre Mehrzahl als den untern
Schichten feindliche oder urteilslvse Kapitalisten hinzustellen, ist einfach Unsinn.
Jeder Richter weiß auch, daß es uuter ihnen in großer Anzahl Männer von
ganz selbständiger Denkungsnrt, von scharfem Blick für die Erscheinungen des
Rechtslebens gibt, deren Mitarbeit zur Ermittlung des wahren Sachverhalts
von großem Wert ist. Daß der Kreis der Laienrichter, besonders in den
Großstädten, noch weiter gezogen werden könnte, kann nicht geleugnet werden;
daß es bisher nicht geschehen ist, liegt aber nicht an dem Mangel an gutem
Willen. Das sächsische Justizministerium hat erst im vergangnen Jahre wieder
darauf hingewiesen, daß mehr noch als bisher auch die kleinern Stände — die
Arbeiter werden besonders genannt — zu Schöffen und Geschwornen heran¬
gezogen werden sollen. Die Schwierigkeit liegt nur darin, daß man, da die
Ämter unentgeltliche Ehrenämter sind, bei denen nur Reisekosten vergütet
werden, den Unbemittelten den Zeit- und Geldaufwand nicht zumuten kann.
Sie dürfen ja auch auf Grund ihrer Mittellosigkeit das Amt ablehnen. Hier
könnte durch ein Reichsgesetz Abhilfe geschafft werden, das die Bestimmungen
des Gerichtsverfassungsgesetzcs abänderte. Und es ist in der Tat nicht einzu¬
sehen, warum, da jetzt das höchste Laienamt des Reichs, die Mitarbeit an der
Gesetzgebung im Reichstag entgeldlich ausgeübt wird, nicht auch der Laien¬
richter, etwa wie ein Zeuge oder wie ein Sachverständiger, für seinen Aufwand
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