Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Zukunft Ägyptens Zudem ist sich Englands Regierung nach Diceys Ansicht klar bewußt, Auf die Geschichte der britischen Regierung in Ägypten näher einzugehn, Seine Regierungstätigkeit hat infolge mancher Geschehnisse in Lord Cromer Hier noch des weitern auf die Neformcibsichten Lord Cromers einzugehn, Die Zukunft Ägyptens Zudem ist sich Englands Regierung nach Diceys Ansicht klar bewußt, Auf die Geschichte der britischen Regierung in Ägypten näher einzugehn, Seine Regierungstätigkeit hat infolge mancher Geschehnisse in Lord Cromer Hier noch des weitern auf die Neformcibsichten Lord Cromers einzugehn, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0666" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302654"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft Ägyptens</fw><lb/> <p xml:id="ID_2908"> Zudem ist sich Englands Regierung nach Diceys Ansicht klar bewußt,<lb/> wie viel Dank dieses Land Deutschland dafür schuldet, daß es sich geweigert<lb/> hat, die Invasion der Sinaihalbinsel durch türkische Truppen zu unterstützen.<lb/> Hätte Deutschland in Konstantinopel geschwiegen, so hätte zweifellos der Sultan,<lb/> bauend auf den vermeintlichen guten Willen Deutschlands und auf das augen¬<lb/> blickliche NichtVorhandensein einer Militärmacht Rußlands, seine Angriffspolitik<lb/> gegen Ägypten fortgesetzt und England in einen Krieg verwickelt, der es zugleich<lb/> der heftigen Feindschaft des Islams in Asien und Afrika im allgemeinen und<lb/> besonders in Ägypten ausgesetzt hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2909"> Auf die Geschichte der britischen Regierung in Ägypten näher einzugehn,<lb/> fehlt hier der Raum. Nur des letzten Leiters der britischen Verwaltung und<lb/> seiner anch von Dicey trotz mancherlei grundsätzlicher Gegnerschaft voll aner¬<lb/> kannten hohen Verdienste um das Land sei mit einigen Worten noch Erwäh¬<lb/> nung getan. Auch andre, die mit Dicey der Ansicht sind, daß sich das von<lb/> Lord Cromer in Ägypten eingeführte System unmittelbarer, persönlicher, auto-<lb/> krntischer Verwaltung mit den wahren Interessen Englands sowie Ägyptens<lb/> nicht vertrage, müssen doch zugeben, daß seine Politik, die darauf hinausging,<lb/> Ägypten zahlungsfähig zu machen, ohne Rücksicht auf die Kosten oder auf die<lb/> Verzögerung höchst dringender Reformen, ein gesundes Urteil und hohe staats¬<lb/> männische Begabung beweist. Lord Cromer hat nie gezögert in der Durchfüh¬<lb/> rung seiner Überzeugung, daß alle innern Reformen warten müßten, bis Ägypten<lb/> in der Lage wäre, die Zinsen seiner öffentlichen Schuld aus eignen Hilfsquellen<lb/> zu bezahlen. Großer Mut und große Ausdauer haben dazu gehört, eine unpopuläre<lb/> Politik im Gegensatz zu der andauernden Opposition durchzuführen. Lord Cromer<lb/> kann für sich vollauf die Anerkennung in Anspruch nehmen, daß die Wieder¬<lb/> herstellung des ägyptischen Kredits die Grundlage für alle materiellen Ver¬<lb/> besserungen war, die er in Ägypten durchgeführt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2910"> Seine Regierungstätigkeit hat infolge mancher Geschehnisse in Lord Cromer<lb/> nach und nach zwei Grundanschauungen befestigt, denen er sich anfangs noch<lb/> verschlossen hatte, erstens die Überzeugung, daß die militärische Besetzung Ägyptens<lb/> für die Dauer sein müsse, und zweitens, daß zu Lebzeiten der jetzigen Generation<lb/> Ägypten niemals für irgendeine Art konstitutioneller Selbstregierung reif werde.<lb/> Auf der Grundlage dieser Anschauungen baute er sich die Überzeugung auf,<lb/> die beste Art und Weise, Gesetz und Ordnung in Ägypten zu erhalten, sei, das<lb/> Land soweit wie möglich mit englischen Ideen von Recht und Ordnung anzu¬<lb/> füllen und hierzu britische Beamte nach seinen Anweisungen und unter seiner<lb/> Aufsicht zu verwenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2911" next="#ID_2912"> Hier noch des weitern auf die Neformcibsichten Lord Cromers einzugehn,<lb/> muß unterlassen werden, da ja Diceys Buch durch Lord Cromers Abschied<lb/> schon überholt worden ist. Er hatte dahin gestrebt, die Kapitulationen abzu¬<lb/> lösen, die Gemischter Gerichtshöfe zu unterdrücken, eine beratende, gesetzgebende<lb/> Körperschaft zu errichten, die er mittelbar, wenn nicht gar unmittelbar selbst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0666]
Die Zukunft Ägyptens
Zudem ist sich Englands Regierung nach Diceys Ansicht klar bewußt,
wie viel Dank dieses Land Deutschland dafür schuldet, daß es sich geweigert
hat, die Invasion der Sinaihalbinsel durch türkische Truppen zu unterstützen.
Hätte Deutschland in Konstantinopel geschwiegen, so hätte zweifellos der Sultan,
bauend auf den vermeintlichen guten Willen Deutschlands und auf das augen¬
blickliche NichtVorhandensein einer Militärmacht Rußlands, seine Angriffspolitik
gegen Ägypten fortgesetzt und England in einen Krieg verwickelt, der es zugleich
der heftigen Feindschaft des Islams in Asien und Afrika im allgemeinen und
besonders in Ägypten ausgesetzt hätte.
Auf die Geschichte der britischen Regierung in Ägypten näher einzugehn,
fehlt hier der Raum. Nur des letzten Leiters der britischen Verwaltung und
seiner anch von Dicey trotz mancherlei grundsätzlicher Gegnerschaft voll aner¬
kannten hohen Verdienste um das Land sei mit einigen Worten noch Erwäh¬
nung getan. Auch andre, die mit Dicey der Ansicht sind, daß sich das von
Lord Cromer in Ägypten eingeführte System unmittelbarer, persönlicher, auto-
krntischer Verwaltung mit den wahren Interessen Englands sowie Ägyptens
nicht vertrage, müssen doch zugeben, daß seine Politik, die darauf hinausging,
Ägypten zahlungsfähig zu machen, ohne Rücksicht auf die Kosten oder auf die
Verzögerung höchst dringender Reformen, ein gesundes Urteil und hohe staats¬
männische Begabung beweist. Lord Cromer hat nie gezögert in der Durchfüh¬
rung seiner Überzeugung, daß alle innern Reformen warten müßten, bis Ägypten
in der Lage wäre, die Zinsen seiner öffentlichen Schuld aus eignen Hilfsquellen
zu bezahlen. Großer Mut und große Ausdauer haben dazu gehört, eine unpopuläre
Politik im Gegensatz zu der andauernden Opposition durchzuführen. Lord Cromer
kann für sich vollauf die Anerkennung in Anspruch nehmen, daß die Wieder¬
herstellung des ägyptischen Kredits die Grundlage für alle materiellen Ver¬
besserungen war, die er in Ägypten durchgeführt hat.
Seine Regierungstätigkeit hat infolge mancher Geschehnisse in Lord Cromer
nach und nach zwei Grundanschauungen befestigt, denen er sich anfangs noch
verschlossen hatte, erstens die Überzeugung, daß die militärische Besetzung Ägyptens
für die Dauer sein müsse, und zweitens, daß zu Lebzeiten der jetzigen Generation
Ägypten niemals für irgendeine Art konstitutioneller Selbstregierung reif werde.
Auf der Grundlage dieser Anschauungen baute er sich die Überzeugung auf,
die beste Art und Weise, Gesetz und Ordnung in Ägypten zu erhalten, sei, das
Land soweit wie möglich mit englischen Ideen von Recht und Ordnung anzu¬
füllen und hierzu britische Beamte nach seinen Anweisungen und unter seiner
Aufsicht zu verwenden.
Hier noch des weitern auf die Neformcibsichten Lord Cromers einzugehn,
muß unterlassen werden, da ja Diceys Buch durch Lord Cromers Abschied
schon überholt worden ist. Er hatte dahin gestrebt, die Kapitulationen abzu¬
lösen, die Gemischter Gerichtshöfe zu unterdrücken, eine beratende, gesetzgebende
Körperschaft zu errichten, die er mittelbar, wenn nicht gar unmittelbar selbst
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