Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Zukunft Ägyptens auch Ausnahmen, Männer von ausgezeichneten Fähigkeiten, an deren wahre In den letzten zwei Jahren hat sich ein Gefühl von Unruhe in allen Die japanischen Siege werden übertrieben, ihre Ursachen und die ganz Die Erwägung der Möglichkeit solcher Einwirkungen aus den Geist der Die Zukunft Ägyptens auch Ausnahmen, Männer von ausgezeichneten Fähigkeiten, an deren wahre In den letzten zwei Jahren hat sich ein Gefühl von Unruhe in allen Die japanischen Siege werden übertrieben, ihre Ursachen und die ganz Die Erwägung der Möglichkeit solcher Einwirkungen aus den Geist der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0664" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302652"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft Ägyptens</fw><lb/> <p xml:id="ID_2901" prev="#ID_2900"> auch Ausnahmen, Männer von ausgezeichneten Fähigkeiten, an deren wahre<lb/> Frömmigkeit die Menge fest glaubt. Ein solcher Mann war Mahomed Achmed<lb/> von Dongola, der Mahdi des Sudans. Und dieser war nahe genug daran,<lb/> seine Politik durchzuführen, auf Kairo zu marschieren und alle Christen aus<lb/> Ägypten zu verjagen. Nur die Besetzung des Landes durch britische Truppen<lb/> machte dies unmöglich. Die ägyptischen Truppen würden sich, wenn sie nicht<lb/> von britischen begleitet worden wären, vermutlich geweigert haben, gegen die<lb/> Derwische zu kämpfen; sie wären zu ihnen übergegangen, der Mahdi selbst<lb/> aber wäre mit Freuden als Befreier des mohammedanischen Volkes im Reiche<lb/> des Khediven begrüßt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2902"> In den letzten zwei Jahren hat sich ein Gefühl von Unruhe in allen<lb/> Teilen der mohammedanischen Welt und besonders in Afrika gezeigt. Und nun<lb/> erleidet plötzlich die Überzeugung, daß die Eingebornen Afrikas und Asiens dem<lb/> Untergang durch die Europäer geweiht seien, einen erschütternden Stoß durch<lb/> die Entdeckung, daß Nußland, die größte europäische Militärmacht im Osten,<lb/> zu Paaren getrieben wurde, daß seine Heere geschlagen, seine Flotte zerstört,<lb/> seine Festungen genommen wurden durch eine verhältnismäßig schwache Macht,<lb/> die jedenfalls weder aus Kankasiern noch aus Christen besteht. Und hat sich<lb/> auch seither der eingeborne Afrikaner nicht das geringste um Japan gekümmert,<lb/> jetzt erfährt er, daß die russischen Eroberer im Fernen Osten wie Schafe verjagt<lb/> worden sind von einer unbekannten nicht-europüischcn Nasse. Und warum soll, so<lb/> kann jetzt den Mohammedanern ein Mahdi predigen, was den Japanern gegen<lb/> Rußland gelungen ist, sich nicht auch gegen die Engländer in Ägypten, die<lb/> Spanier in Marokko, die Franzosen in Tunis oder Algier durch eingeborne<lb/> Truppen, ausgebildet und geschult wie in Japan durch eingeborne Offiziere,<lb/> durchführen lassen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2903"> Die japanischen Siege werden übertrieben, ihre Ursachen und die ganz<lb/> andern Verhältnisse aber gar nicht mitgeteilt. Warum soll sich da nicht in<lb/> der ganzen Ausdehnung des Mohammedanismus in Afrika der Glaube erwecken<lb/> lassen, das Blatt habe sich gewandt, jetzt beginne der Siegeszug des Islam,<lb/> jetzt könne er seine Aufgabe, die Vernichtung aller Ungläubigen, erfüllen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2904"> Die Erwägung der Möglichkeit solcher Einwirkungen aus den Geist der<lb/> Bevölkerung erhält eine starke Stütze, wenn man sich vor Augen hält, daß fast<lb/> sämtliche Erhebungen gegen die europäische Herrschaft stattgefunden haben, nach¬<lb/> dem die Nachricht von Rußlands Niederlagen Afrika erreicht hatten oder erreicht<lb/> haben konnten. Unruhen sind zu verzeichnen in Ägypten, im Sudan, in Somali¬<lb/> land, in Deutschostafrika, in Uganda, in Natal, im Kongostaat, in Frcmzösisch-<lb/> Kongo, an der Goldküste, in Nordnigeria, in Zululand, in Deutschsüdwestafrika,<lb/> im Ashantiland und in Timbuktu. Die wichtigsten Erhebungen aber haben in<lb/> den von mohammedanischer Bevölkerung besetzten Gebieten stattgefunden und<lb/> besonders in solchen unter europäischen Protektoraten oder unter europäischem<lb/> Einfluß.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0664]
Die Zukunft Ägyptens
auch Ausnahmen, Männer von ausgezeichneten Fähigkeiten, an deren wahre
Frömmigkeit die Menge fest glaubt. Ein solcher Mann war Mahomed Achmed
von Dongola, der Mahdi des Sudans. Und dieser war nahe genug daran,
seine Politik durchzuführen, auf Kairo zu marschieren und alle Christen aus
Ägypten zu verjagen. Nur die Besetzung des Landes durch britische Truppen
machte dies unmöglich. Die ägyptischen Truppen würden sich, wenn sie nicht
von britischen begleitet worden wären, vermutlich geweigert haben, gegen die
Derwische zu kämpfen; sie wären zu ihnen übergegangen, der Mahdi selbst
aber wäre mit Freuden als Befreier des mohammedanischen Volkes im Reiche
des Khediven begrüßt worden.
In den letzten zwei Jahren hat sich ein Gefühl von Unruhe in allen
Teilen der mohammedanischen Welt und besonders in Afrika gezeigt. Und nun
erleidet plötzlich die Überzeugung, daß die Eingebornen Afrikas und Asiens dem
Untergang durch die Europäer geweiht seien, einen erschütternden Stoß durch
die Entdeckung, daß Nußland, die größte europäische Militärmacht im Osten,
zu Paaren getrieben wurde, daß seine Heere geschlagen, seine Flotte zerstört,
seine Festungen genommen wurden durch eine verhältnismäßig schwache Macht,
die jedenfalls weder aus Kankasiern noch aus Christen besteht. Und hat sich
auch seither der eingeborne Afrikaner nicht das geringste um Japan gekümmert,
jetzt erfährt er, daß die russischen Eroberer im Fernen Osten wie Schafe verjagt
worden sind von einer unbekannten nicht-europüischcn Nasse. Und warum soll, so
kann jetzt den Mohammedanern ein Mahdi predigen, was den Japanern gegen
Rußland gelungen ist, sich nicht auch gegen die Engländer in Ägypten, die
Spanier in Marokko, die Franzosen in Tunis oder Algier durch eingeborne
Truppen, ausgebildet und geschult wie in Japan durch eingeborne Offiziere,
durchführen lassen?
Die japanischen Siege werden übertrieben, ihre Ursachen und die ganz
andern Verhältnisse aber gar nicht mitgeteilt. Warum soll sich da nicht in
der ganzen Ausdehnung des Mohammedanismus in Afrika der Glaube erwecken
lassen, das Blatt habe sich gewandt, jetzt beginne der Siegeszug des Islam,
jetzt könne er seine Aufgabe, die Vernichtung aller Ungläubigen, erfüllen?
Die Erwägung der Möglichkeit solcher Einwirkungen aus den Geist der
Bevölkerung erhält eine starke Stütze, wenn man sich vor Augen hält, daß fast
sämtliche Erhebungen gegen die europäische Herrschaft stattgefunden haben, nach¬
dem die Nachricht von Rußlands Niederlagen Afrika erreicht hatten oder erreicht
haben konnten. Unruhen sind zu verzeichnen in Ägypten, im Sudan, in Somali¬
land, in Deutschostafrika, in Uganda, in Natal, im Kongostaat, in Frcmzösisch-
Kongo, an der Goldküste, in Nordnigeria, in Zululand, in Deutschsüdwestafrika,
im Ashantiland und in Timbuktu. Die wichtigsten Erhebungen aber haben in
den von mohammedanischer Bevölkerung besetzten Gebieten stattgefunden und
besonders in solchen unter europäischen Protektoraten oder unter europäischem
Einfluß.
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