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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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man oft anwenden muß, damit der Verwundete einen dringenden, sofortigen
Angriff duldet, damit er irgendeinen Punkt der Behandlung genau beobachtet,
und endlich, welche verderblichen Folgen können aus einer mißverstandnen
Antwort entstehen! Und welchen bejammernswertem Anblick gibt es, als den
eines Sterbenden, der sein Leben aushaucht inmitten von Fremden, die un¬
fähig sind, ihn zu trösten, während er selbst, obwohl er den Balsam einiger
""tleidigen Worte recht gut kennt, stumm bleiben muß; welcher Jammer drückt
Ach in dem geüngstigten Blick eines Sterbenden aus, wenn er seinen Ange¬
hangen nicht noch irgendeinen Gruß, eine letzte Erinnerung zusenden kann!
'Wenn man diese Bilder betrachtet und sich die ungeheuern Schlachtfelder sowie
die tagelangem Schlachten mit ihren Tausenden von Verwundeten und Sterbenden
Erstellt, dann begreift man, welchen Nutzen eine solche Weltsprache nicht nur
s"r den Handel, sondern erst recht für das Rote Kreuz hat!

Als ein Beispiel dafür mag ein Auszug aus einer Erzählung dienen,
^ der Begründer der Genfer Konvention, Durand, der Augenzeuge der
Schlacht von Solferino war und seinerzeit den ersten Nobelpreis erhielt, über
'e Schlacht geschrieben hat: "In den Straßen wurde ich mehr als einmal
^>n braven Bürgern angehalten, die mich baten, ihnen die Forderungen und
"ragen der bei ihnen einquartierten verwundeten französischen Offiziere, deren
Sprache sie nicht verstanden, zu übersetzen. Die Kranken regten sich furchtbar
ans, weil man sie nicht verstand. Die Pfleger waren empfindlich berührt,
^eil ihre herzlichsten Aufmerksamkeiten mit schlechter Laune von den fiebernden
erbeuten aufgenommen wurden. Einer von ihnen, dem ein Arzt zur Ader
assen wollte, glaubte, man wolle ihm den Arm abschneiden, und fügte sich
durch seinen heftigen Widerstand großes Leid zu."

Wenn man einmal die geringe Anstrengung betrachtet, die man machen
'uüßte, um in diesem Gebiete einen mächtigen Fortschritt zu erreichen, sollte
Man da nicht mit Tolstoi ausrufen: "Die Opfer, die jedermann in unsrer
europäischen Welt bringen wird, um einige Zeit dem Studium des Esperanto
Zu widmen, sind so gering, und die Ergebnisse, die daraus fließen können, so
ungeheuer, daß man sich nicht weigern darf, den Versuch zu machen."

Das zweckmäßigste Mittel, die Esperantosprache zu lernen, bietet die
^roschüre des Leutnants Bayot "Esperanto und Croix-Rouge", die in
Paris 33, Rue Lacepede und in Brüssel, Librairie Spineux zu haben ist.
^as kleine Werk bietet eine durchaus vollständige Angabe aller unumgänglich
nötigen Notizen. Der Verfasser verbreitet das Esperanto über das militärische
Gebiet zu Wasser und zu Lande, über Krankenpflege, Notes Kreuz usw. und
ermöglicht jedermann, sich innerhalb von vierzehn Tagen mit der Sprache
vertraut zu machen. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die internationalen Be¬
ziehungen zwischen den verschiednen Gesellschaften des Roten Kreuzes in den
onedenszeiten zu erleichtern und zu Kriegszeiten die obenerwähnten unzähligen
U"d traurigen Schwierigkeiten verschwinden zu lassen.


man oft anwenden muß, damit der Verwundete einen dringenden, sofortigen
Angriff duldet, damit er irgendeinen Punkt der Behandlung genau beobachtet,
und endlich, welche verderblichen Folgen können aus einer mißverstandnen
Antwort entstehen! Und welchen bejammernswertem Anblick gibt es, als den
eines Sterbenden, der sein Leben aushaucht inmitten von Fremden, die un¬
fähig sind, ihn zu trösten, während er selbst, obwohl er den Balsam einiger
""tleidigen Worte recht gut kennt, stumm bleiben muß; welcher Jammer drückt
Ach in dem geüngstigten Blick eines Sterbenden aus, wenn er seinen Ange¬
hangen nicht noch irgendeinen Gruß, eine letzte Erinnerung zusenden kann!
'Wenn man diese Bilder betrachtet und sich die ungeheuern Schlachtfelder sowie
die tagelangem Schlachten mit ihren Tausenden von Verwundeten und Sterbenden
Erstellt, dann begreift man, welchen Nutzen eine solche Weltsprache nicht nur
s"r den Handel, sondern erst recht für das Rote Kreuz hat!

Als ein Beispiel dafür mag ein Auszug aus einer Erzählung dienen,
^ der Begründer der Genfer Konvention, Durand, der Augenzeuge der
Schlacht von Solferino war und seinerzeit den ersten Nobelpreis erhielt, über
'e Schlacht geschrieben hat: „In den Straßen wurde ich mehr als einmal
^>n braven Bürgern angehalten, die mich baten, ihnen die Forderungen und
»ragen der bei ihnen einquartierten verwundeten französischen Offiziere, deren
Sprache sie nicht verstanden, zu übersetzen. Die Kranken regten sich furchtbar
ans, weil man sie nicht verstand. Die Pfleger waren empfindlich berührt,
^eil ihre herzlichsten Aufmerksamkeiten mit schlechter Laune von den fiebernden
erbeuten aufgenommen wurden. Einer von ihnen, dem ein Arzt zur Ader
assen wollte, glaubte, man wolle ihm den Arm abschneiden, und fügte sich
durch seinen heftigen Widerstand großes Leid zu."

Wenn man einmal die geringe Anstrengung betrachtet, die man machen
'uüßte, um in diesem Gebiete einen mächtigen Fortschritt zu erreichen, sollte
Man da nicht mit Tolstoi ausrufen: „Die Opfer, die jedermann in unsrer
europäischen Welt bringen wird, um einige Zeit dem Studium des Esperanto
Zu widmen, sind so gering, und die Ergebnisse, die daraus fließen können, so
ungeheuer, daß man sich nicht weigern darf, den Versuch zu machen."

Das zweckmäßigste Mittel, die Esperantosprache zu lernen, bietet die
^roschüre des Leutnants Bayot „Esperanto und Croix-Rouge", die in
Paris 33, Rue Lacepede und in Brüssel, Librairie Spineux zu haben ist.
^as kleine Werk bietet eine durchaus vollständige Angabe aller unumgänglich
nötigen Notizen. Der Verfasser verbreitet das Esperanto über das militärische
Gebiet zu Wasser und zu Lande, über Krankenpflege, Notes Kreuz usw. und
ermöglicht jedermann, sich innerhalb von vierzehn Tagen mit der Sprache
vertraut zu machen. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die internationalen Be¬
ziehungen zwischen den verschiednen Gesellschaften des Roten Kreuzes in den
onedenszeiten zu erleichtern und zu Kriegszeiten die obenerwähnten unzähligen
U"d traurigen Schwierigkeiten verschwinden zu lassen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/523>, abgerufen am 06.02.2025.