Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Ernst Abbe muß ein Teil zurückbehalten werden für künftige Leistungen (Pensionen, Arbeits¬ Diese Deduktion ist von ganz allgemein praktischer Wichtigkeit. Nicht Ernst Abbe muß ein Teil zurückbehalten werden für künftige Leistungen (Pensionen, Arbeits¬ Diese Deduktion ist von ganz allgemein praktischer Wichtigkeit. Nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302508"/> <fw type="header" place="top"> Ernst Abbe</fw><lb/> <p xml:id="ID_2257" prev="#ID_2256"> muß ein Teil zurückbehalten werden für künftige Leistungen (Pensionen, Arbeits¬<lb/> losenversicherung, Abgangsentschädigung bei Kündigung ohne Verschulden des<lb/> Arbeiters); ferner um dem wachsenden Kapitalbedarf durch Mehrung des eignen<lb/> Vermögens und erhöhter Kreditfähigkeit gerecht zu werden, endlich um schlechte<lb/> Zeiten überstehn zu können. Auch gebe es einen Teil des Ertrages, der gar<lb/> nicht den einzelnen Arbeitenden gehöre und darum auch uicht unter sie verteilt<lb/> werden dürfe, nämlich die Frucht der feinern Organisation, die den Erzeugnissen<lb/> des Instituts einen höhern Wert sichere; und diese feinere Organisation wiederum<lb/> sei das Ergebnis nicht der Tätigkeit eines einzelnen Mannes, sondern des<lb/> Zusammenwirkens von Unternehmern, Forschern, Erfindern, Technikern. Jeder<lb/> einzelne von diesen dürfe sagen: ohne mich wäre es nicht gegangen; aber keiner<lb/> könne behaupten: ich Habs gemacht. Um wie viel nun diese feinere Organisation<lb/> den Verkaufswert der Erzeugnisse des Instituts und damit den Ertrag der<lb/> Arbeit erhöht, lasse sich ziffernmäßig angeben: um zehn Prozent des Einzel¬<lb/> verkaufswerts; denn so viel zahlten die Fabrikanten in Paris, London und<lb/> Newyork für die Erlaubnis, das machen zu dürfen, was das Jenaer Institut<lb/> unter Patentschutz macht. Dieser Mehrgewinn also — er betrage etwa 25 Prozent<lb/> der gegenwärtig gezählten Arbeitlöhne — dürfe nicht verteilt werden, „weil er<lb/> nicht Verdienst derer ist, die diese Sachen anfertigen, sondern ein Mehrwert, der<lb/> nicht vorhanden wäre, wenn die technische Arbeit und die geschäftliche Bethätigung<lb/> genau dieselbe blieben, wenn wir aber statt unsrer bevorzugten Erzeugnisse<lb/> solche machten, die der allgemeinen Konkurrenz unterliegen". Dieser Mehrgewinn<lb/> ist, als Kollektiverwerb, nicht Eigentum der Einzelnen, sondern gemeinsames<lb/> Eigentum, das auf die Rechtsnachfolger übergeht. Wenn die Vertretung der<lb/> Firma die Verteilung dieses Mehrgewinnes zuließe, dann würde sie verdienen,<lb/> „geleert und gefedert zu werden".</p><lb/> <p xml:id="ID_2258" next="#ID_2259"> Diese Deduktion ist von ganz allgemein praktischer Wichtigkeit. Nicht<lb/> minder wichtig ist seine Erfahrung, die er mit dem Achtstundentage gemacht<lb/> hat. und die Erklärung, die er dafür gibt. Die Leistung ist nach der Beschränkung<lb/> der Arbeitzeit auf acht Stunden nicht vermindert, sondern um ein Dreißigstel<lb/> erhöht worden. Unmittelbar nach der Einführung der neuen Ordnung betrug<lb/> die Erhöhung bedeutend mehr: wie viel mehr, das erfuhr man nachträglich<lb/> aus dem erhöhten Stromverbrauch; Abbe erschrak, als man ihm die Ziffer<lb/> nannte; er will keinem raten, die Arbeitzeit bei starkem Betrieb zu verkürzen,<lb/> weil da die Motoren in die Luft fliegen könnten. So strengen sich die Stück¬<lb/> arbeiter an, um nichts einzubüßen. Diese Überanstrengung hält auf die Dauer<lb/> keiner aus, und nach und nach stellt sich das Gleichgewicht her zwischen Kraft<lb/> und Leistulig. In dieser Zeit des Nachlassens glaubten null die Arbeiter an¬<lb/> fänglich, sie leisteten weniger, und wünschten, die Arbeitzeit möge wieder ver¬<lb/> längert werden, bis sie durch die Lohnzahlung erfuhren, daß sie auch bei dem<lb/> zuletzt innegehaltnen mäßigen Tempo mehr geleistet hatten. Abbe erklärt diese<lb/> Mehrleistung bei verkürzter Arbeitzeit folgendermaßen. Die mit der Verkürzung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
Ernst Abbe
muß ein Teil zurückbehalten werden für künftige Leistungen (Pensionen, Arbeits¬
losenversicherung, Abgangsentschädigung bei Kündigung ohne Verschulden des
Arbeiters); ferner um dem wachsenden Kapitalbedarf durch Mehrung des eignen
Vermögens und erhöhter Kreditfähigkeit gerecht zu werden, endlich um schlechte
Zeiten überstehn zu können. Auch gebe es einen Teil des Ertrages, der gar
nicht den einzelnen Arbeitenden gehöre und darum auch uicht unter sie verteilt
werden dürfe, nämlich die Frucht der feinern Organisation, die den Erzeugnissen
des Instituts einen höhern Wert sichere; und diese feinere Organisation wiederum
sei das Ergebnis nicht der Tätigkeit eines einzelnen Mannes, sondern des
Zusammenwirkens von Unternehmern, Forschern, Erfindern, Technikern. Jeder
einzelne von diesen dürfe sagen: ohne mich wäre es nicht gegangen; aber keiner
könne behaupten: ich Habs gemacht. Um wie viel nun diese feinere Organisation
den Verkaufswert der Erzeugnisse des Instituts und damit den Ertrag der
Arbeit erhöht, lasse sich ziffernmäßig angeben: um zehn Prozent des Einzel¬
verkaufswerts; denn so viel zahlten die Fabrikanten in Paris, London und
Newyork für die Erlaubnis, das machen zu dürfen, was das Jenaer Institut
unter Patentschutz macht. Dieser Mehrgewinn also — er betrage etwa 25 Prozent
der gegenwärtig gezählten Arbeitlöhne — dürfe nicht verteilt werden, „weil er
nicht Verdienst derer ist, die diese Sachen anfertigen, sondern ein Mehrwert, der
nicht vorhanden wäre, wenn die technische Arbeit und die geschäftliche Bethätigung
genau dieselbe blieben, wenn wir aber statt unsrer bevorzugten Erzeugnisse
solche machten, die der allgemeinen Konkurrenz unterliegen". Dieser Mehrgewinn
ist, als Kollektiverwerb, nicht Eigentum der Einzelnen, sondern gemeinsames
Eigentum, das auf die Rechtsnachfolger übergeht. Wenn die Vertretung der
Firma die Verteilung dieses Mehrgewinnes zuließe, dann würde sie verdienen,
„geleert und gefedert zu werden".
Diese Deduktion ist von ganz allgemein praktischer Wichtigkeit. Nicht
minder wichtig ist seine Erfahrung, die er mit dem Achtstundentage gemacht
hat. und die Erklärung, die er dafür gibt. Die Leistung ist nach der Beschränkung
der Arbeitzeit auf acht Stunden nicht vermindert, sondern um ein Dreißigstel
erhöht worden. Unmittelbar nach der Einführung der neuen Ordnung betrug
die Erhöhung bedeutend mehr: wie viel mehr, das erfuhr man nachträglich
aus dem erhöhten Stromverbrauch; Abbe erschrak, als man ihm die Ziffer
nannte; er will keinem raten, die Arbeitzeit bei starkem Betrieb zu verkürzen,
weil da die Motoren in die Luft fliegen könnten. So strengen sich die Stück¬
arbeiter an, um nichts einzubüßen. Diese Überanstrengung hält auf die Dauer
keiner aus, und nach und nach stellt sich das Gleichgewicht her zwischen Kraft
und Leistulig. In dieser Zeit des Nachlassens glaubten null die Arbeiter an¬
fänglich, sie leisteten weniger, und wünschten, die Arbeitzeit möge wieder ver¬
längert werden, bis sie durch die Lohnzahlung erfuhren, daß sie auch bei dem
zuletzt innegehaltnen mäßigen Tempo mehr geleistet hatten. Abbe erklärt diese
Mehrleistung bei verkürzter Arbeitzeit folgendermaßen. Die mit der Verkürzung
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