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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Selbständigkeitsbewegung in Indien

Himalayatcilern, sodann in Burma hat er sich behauptet. Unter englischer
Herrschaft leben nur knapp 10 Millionen Buddhisten. Unter den übrigen
Religionen ist nur noch die zwischen Brahmanismus und Mohammedanismus
vermittelnde Sekte der Sikhs im Pendschab zu erwähnen, weil sie politisch so
wichtig ist. Ihre Zahl beläuft sich nur auf 2'/, Millionen. Der Nest verteilt
sich auf Christen, Parsen, Juden und Heidenvölker.

Auf Assimilierung konnte natürlich die englische Herrschaft memals aus¬
gehen. Sie war und blieb eine Fremdherrschaft. Aber sie wurde mit Duldung
gehandhabt, auch in religiöser Beziehung, denn die Engländer mußten sich
sagen, daß sie niemals das ungeheure Reich mit seinen 300 Millionen Seelen
M Abhängigkeit erhalten könnten, wenn sie nicht Herz und Sinn wenigstens
eines sehr großen Teils der Einwohner für sich gewännen. Wo sich die Zu¬
stände irgend dafür eigneten, ließ man die eingebornen Fürsten im Besitz ihrer
Regierung, nur die äußere Gewalt nahmen die Engländer an sich. Diese
Tributärfürsten haben zurzeit 132426 Mann Soldaten; sie sind eine Haupt¬
stütze der Engländer, denn sie wissen, daß sie bei einem Aufstande alles ver¬
lieren würden. Auch die direkt von Engländern unterhaltne und befehligte
Armee besteht zu zwei Dritteln aus Eingebornen. In den Jahren 1904/05
wurde sie auf 75486 Mann Europäer und 149835 Farbige beziffert. Daneben
gibt es noch eine Reserve von Eingebornen, die zurzeit in starker Ausbildung
begriffen ist und auf 50000 Mann gebracht werden soll. Eine Reserve ganz
andrer Art wird aus den Europäern gebildet, die sich freiwillig der Ver¬
waltung zur Verfügung gestellt haben. Sie machen etwa 30000 Mann aus
und sind hauptsächlich in den großen Handelsstädten konzentriert, wo viele Weiße
leben. Mr deren Schutz bilden sie eine nicht verächtliche Macht. Es hat lang-
Zeit gedauert, bis die Engländer den Indern Artillerie anvertraut haben.

Bis vor kurzem duldeten sie nicht, daß sich Farbige im Gebrauche von
Kanonen übten, und anch jetzt haben nur zehn Gebirgsbattenen und eme
Fnßartilleriekompagnie eüigeborne Mannschaften; neun Kavall^und siebzig Batterien sind den Weißen des Mutterlan es vorbehalten Ma
hat sowohl Mohammedaner wie Hindus in die Rechen er A in aufg ^nommer. traut h nec aber jenen weit mehr. Die Waffe^ewalt. über d die
ab°britische Regierung verfügt, um ein Volk von 300 Millionen Seelen zu
beherrschen, ist bei Licht besehen doch recht schwach.

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Kompagnie hätte natürlich nie daran gedacht, ^e unrentable ^
^freche zu erhalten. Der Staat entnahm ihren Händen das N ^um /ben^Ms unter der Voraussetzung, daß die Kolonie sich selbst erha e in"s ^neuerdings hat man indische Truppen zur VerteidigungAngezogen so namentlich gegen die Derwische ' '"'
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eigentlichen Sinne ist Indien dem Mutterlande nicht, es verwaltet seine
Finanzen selbMdig Aber es muß doch auch die Regiernngskosten bezahlen.


Die Selbständigkeitsbewegung in Indien

Himalayatcilern, sodann in Burma hat er sich behauptet. Unter englischer
Herrschaft leben nur knapp 10 Millionen Buddhisten. Unter den übrigen
Religionen ist nur noch die zwischen Brahmanismus und Mohammedanismus
vermittelnde Sekte der Sikhs im Pendschab zu erwähnen, weil sie politisch so
wichtig ist. Ihre Zahl beläuft sich nur auf 2'/, Millionen. Der Nest verteilt
sich auf Christen, Parsen, Juden und Heidenvölker.

Auf Assimilierung konnte natürlich die englische Herrschaft memals aus¬
gehen. Sie war und blieb eine Fremdherrschaft. Aber sie wurde mit Duldung
gehandhabt, auch in religiöser Beziehung, denn die Engländer mußten sich
sagen, daß sie niemals das ungeheure Reich mit seinen 300 Millionen Seelen
M Abhängigkeit erhalten könnten, wenn sie nicht Herz und Sinn wenigstens
eines sehr großen Teils der Einwohner für sich gewännen. Wo sich die Zu¬
stände irgend dafür eigneten, ließ man die eingebornen Fürsten im Besitz ihrer
Regierung, nur die äußere Gewalt nahmen die Engländer an sich. Diese
Tributärfürsten haben zurzeit 132426 Mann Soldaten; sie sind eine Haupt¬
stütze der Engländer, denn sie wissen, daß sie bei einem Aufstande alles ver¬
lieren würden. Auch die direkt von Engländern unterhaltne und befehligte
Armee besteht zu zwei Dritteln aus Eingebornen. In den Jahren 1904/05
wurde sie auf 75486 Mann Europäer und 149835 Farbige beziffert. Daneben
gibt es noch eine Reserve von Eingebornen, die zurzeit in starker Ausbildung
begriffen ist und auf 50000 Mann gebracht werden soll. Eine Reserve ganz
andrer Art wird aus den Europäern gebildet, die sich freiwillig der Ver¬
waltung zur Verfügung gestellt haben. Sie machen etwa 30000 Mann aus
und sind hauptsächlich in den großen Handelsstädten konzentriert, wo viele Weiße
leben. Mr deren Schutz bilden sie eine nicht verächtliche Macht. Es hat lang-
Zeit gedauert, bis die Engländer den Indern Artillerie anvertraut haben.

Bis vor kurzem duldeten sie nicht, daß sich Farbige im Gebrauche von
Kanonen übten, und anch jetzt haben nur zehn Gebirgsbattenen und eme
Fnßartilleriekompagnie eüigeborne Mannschaften; neun Kavall^und siebzig Batterien sind den Weißen des Mutterlan es vorbehalten Ma
hat sowohl Mohammedaner wie Hindus in die Rechen er A in aufg ^nommer. traut h nec aber jenen weit mehr. Die Waffe^ewalt. über d die
ab°britische Regierung verfügt, um ein Volk von 300 Millionen Seelen zu
beherrschen, ist bei Licht besehen doch recht schwach.

x^^.Finanziell steht Indien von jeher ans eignen Fußen Die
Kompagnie hätte natürlich nie daran gedacht, ^e unrentable ^
^freche zu erhalten. Der Staat entnahm ihren Händen das N ^um /ben^Ms unter der Voraussetzung, daß die Kolonie sich selbst erha e in»s ^neuerdings hat man indische Truppen zur VerteidigungAngezogen so namentlich gegen die Derwische ' '"'
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eigentlichen Sinne ist Indien dem Mutterlande nicht, es verwaltet seine
Finanzen selbMdig Aber es muß doch auch die Regiernngskosten bezahlen.


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[0497] Die Selbständigkeitsbewegung in Indien Himalayatcilern, sodann in Burma hat er sich behauptet. Unter englischer Herrschaft leben nur knapp 10 Millionen Buddhisten. Unter den übrigen Religionen ist nur noch die zwischen Brahmanismus und Mohammedanismus vermittelnde Sekte der Sikhs im Pendschab zu erwähnen, weil sie politisch so wichtig ist. Ihre Zahl beläuft sich nur auf 2'/, Millionen. Der Nest verteilt sich auf Christen, Parsen, Juden und Heidenvölker. Auf Assimilierung konnte natürlich die englische Herrschaft memals aus¬ gehen. Sie war und blieb eine Fremdherrschaft. Aber sie wurde mit Duldung gehandhabt, auch in religiöser Beziehung, denn die Engländer mußten sich sagen, daß sie niemals das ungeheure Reich mit seinen 300 Millionen Seelen M Abhängigkeit erhalten könnten, wenn sie nicht Herz und Sinn wenigstens eines sehr großen Teils der Einwohner für sich gewännen. Wo sich die Zu¬ stände irgend dafür eigneten, ließ man die eingebornen Fürsten im Besitz ihrer Regierung, nur die äußere Gewalt nahmen die Engländer an sich. Diese Tributärfürsten haben zurzeit 132426 Mann Soldaten; sie sind eine Haupt¬ stütze der Engländer, denn sie wissen, daß sie bei einem Aufstande alles ver¬ lieren würden. Auch die direkt von Engländern unterhaltne und befehligte Armee besteht zu zwei Dritteln aus Eingebornen. In den Jahren 1904/05 wurde sie auf 75486 Mann Europäer und 149835 Farbige beziffert. Daneben gibt es noch eine Reserve von Eingebornen, die zurzeit in starker Ausbildung begriffen ist und auf 50000 Mann gebracht werden soll. Eine Reserve ganz andrer Art wird aus den Europäern gebildet, die sich freiwillig der Ver¬ waltung zur Verfügung gestellt haben. Sie machen etwa 30000 Mann aus und sind hauptsächlich in den großen Handelsstädten konzentriert, wo viele Weiße leben. Mr deren Schutz bilden sie eine nicht verächtliche Macht. Es hat lang- Zeit gedauert, bis die Engländer den Indern Artillerie anvertraut haben. Bis vor kurzem duldeten sie nicht, daß sich Farbige im Gebrauche von Kanonen übten, und anch jetzt haben nur zehn Gebirgsbattenen und eme Fnßartilleriekompagnie eüigeborne Mannschaften; neun Kavall^und siebzig Batterien sind den Weißen des Mutterlan es vorbehalten Ma hat sowohl Mohammedaner wie Hindus in die Rechen er A in aufg ^nommer. traut h nec aber jenen weit mehr. Die Waffe^ewalt. über d die ab°britische Regierung verfügt, um ein Volk von 300 Millionen Seelen zu beherrschen, ist bei Licht besehen doch recht schwach. x^^.Finanziell steht Indien von jeher ans eignen Fußen Die Kompagnie hätte natürlich nie daran gedacht, ^e unrentable ^ ^freche zu erhalten. Der Staat entnahm ihren Händen das N ^um /ben^Ms unter der Voraussetzung, daß die Kolonie sich selbst erha e in»s ^neuerdings hat man indische Truppen zur VerteidigungAngezogen so namentlich gegen die Derwische ' '"' ^^ ^a .in eigentlichen Sinne ist Indien dem Mutterlande nicht, es verwaltet seine Finanzen selbMdig Aber es muß doch auch die Regiernngskosten bezahlen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/497>, abgerufen am 06.02.2025.