Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Selbständl'gkeitsbewegung in Indien anlagen geschaffen, die die Kultur außerordentlich entfaltet haben, sodaß das Daß die Hungersnöte noch immer nicht abgewandt werden können, sieht Die Hebung der Volkswohlfahrt und der Volksbildung pflegt sich selten Die Selbständl'gkeitsbewegung in Indien anlagen geschaffen, die die Kultur außerordentlich entfaltet haben, sodaß das Daß die Hungersnöte noch immer nicht abgewandt werden können, sieht Die Hebung der Volkswohlfahrt und der Volksbildung pflegt sich selten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302483"/> <fw type="header" place="top"> Die Selbständl'gkeitsbewegung in Indien</fw><lb/> <p xml:id="ID_2195" prev="#ID_2194"> anlagen geschaffen, die die Kultur außerordentlich entfaltet haben, sodaß das<lb/> ^and von Jahr zu Jahr größere Ausfuhrwerte liefern konnte. Die alteinheimischcn<lb/> Kulturen wie Baumwolle, Reis, Indigo, Leinsamen, Opium sind gehoben, neue<lb/> sind eingeführt worden, namentlich Tee, Kaffee, Chinarinde, Jute und Schellack<lb/> Und zu großen Handelsartikeln geworden; auch Weizen bringt Indien auf den<lb/> ^-vndoner Markt. Einschließlich Ceylons betrug die Gesamteinfuhr 1904<lb/> 1400 Millionen Mark, die Gesamtausfuhr 2230 Millionen Mark. Die Eisen¬<lb/> bahnen warm 1857 in ihren ersten Anfängen. Im Jahre 1903 zählte Indien<lb/> 43208 Kilometer (gegen 55000 in Deutschland!). Die Telegraphenlinien<lb/> waren mit 322278 Kilometern mehr als doppelt so lang wie die in Deutsch¬<lb/> land (137000 Kilometer). Vor einer hitzigen Missionstätigkeit hat sich England<lb/> weislich gehütet, aber für die Schulbildung hat es viel getan, wenigstens wenn<lb/> "lan es nach dem Maßstab eines Landes von alter Halbkultur beurteilt. Fünf<lb/> 'Prüfungsbehörden uuter dem Namen Universitäten gibt es, vor denen jährlich<lb/> etwa 8500 Studenten ihre Examina machen. Fünfzehn Millionen Einwohner<lb/> waren des Lesens und Schreibens kundig. 152000 Erziehungsanstalten mit<lb/> «00000 Zöglingen bedeuten in einem solchen Lande einen Ruhmestitel der<lb/> Verwaltung.</p><lb/> <p xml:id="ID_2196"> Daß die Hungersnöte noch immer nicht abgewandt werden können, sieht<lb/> wan oft als einen Schandfleck auf der englischen Verwaltung an. Wenn man<lb/> ^dächte, daß es sich um ein so großes Land mit 300 Millionen Einwohnern<lb/> handelt, für die im Fall eines Erntefehlschlags Nahrungsmittel beschafft werden<lb/> n?sen, so würde man sich vor einem solchen vorschnellen Urteil hüten. Das<lb/> cuc Hindostan steht unter ziemlich einheitlichen Wetterbedingungen. Vom<lb/> rechtzeitigen Eintreffen des regenspendenden Monsuns hängt alles ab. Bleibt<lb/> e^ aus, so verdorren weite Flächen, ohne daß Menschenkraft dagegen irgend<lb/> etwas vermöchte. Dann soll für viele, viele Millionen Hungernder Nahrung<lb/> bon außen beschafft werden. Im Jahre 1876 war ein solches Unglücksjahr für<lb/> as Dekhan; in einigen Provinzen hatte die Ernte nur ein Sechstel des Durch-<lb/> lchnittsertrags ergeben. Massen von hinterindischen Reis wurden eingeführt,<lb/> dennoch MMe man 1300000 Fälle von Hungertod. In den Jahren 1899 und<lb/> ^0 litten 80 Millionen Menschen gefährlichen Mangel, und es kam auch<lb/> Zu Todesfällen, wenngleich in viel geringerer Zahl. In alten Zeiten wütete<lb/> er Würgengel noch viel ärger. Jetzt hat man doch die Eisenbahnen, die das<lb/> trente Korn tief ins Land tragen, man hat eine Regierung, die auf Grund<lb/> planmäßigem Witterungs- und Ernteberichte sich ein Bild von dem Bedarf macht<lb/> und demgemäß Vorkehrungen gegen den Mangel trifft. Seit 1876 ist alles<lb/> sehr vervollkommnet worden, aber gegen die ungeheuern Wirkungen der<lb/> ^urre hat es sich in den letzten Jahren wieder mehrfach als unzulänglich er¬<lb/> wiesen. Auch die Pest spottet der Abwehr durch sanitäre Maßregeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_2197" next="#ID_2198"> Die Hebung der Volkswohlfahrt und der Volksbildung pflegt sich selten<lb/> Dankbarkeit für das fremde Volk auszumünzen, dem man sie zu verdanken</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
Die Selbständl'gkeitsbewegung in Indien
anlagen geschaffen, die die Kultur außerordentlich entfaltet haben, sodaß das
^and von Jahr zu Jahr größere Ausfuhrwerte liefern konnte. Die alteinheimischcn
Kulturen wie Baumwolle, Reis, Indigo, Leinsamen, Opium sind gehoben, neue
sind eingeführt worden, namentlich Tee, Kaffee, Chinarinde, Jute und Schellack
Und zu großen Handelsartikeln geworden; auch Weizen bringt Indien auf den
^-vndoner Markt. Einschließlich Ceylons betrug die Gesamteinfuhr 1904
1400 Millionen Mark, die Gesamtausfuhr 2230 Millionen Mark. Die Eisen¬
bahnen warm 1857 in ihren ersten Anfängen. Im Jahre 1903 zählte Indien
43208 Kilometer (gegen 55000 in Deutschland!). Die Telegraphenlinien
waren mit 322278 Kilometern mehr als doppelt so lang wie die in Deutsch¬
land (137000 Kilometer). Vor einer hitzigen Missionstätigkeit hat sich England
weislich gehütet, aber für die Schulbildung hat es viel getan, wenigstens wenn
"lan es nach dem Maßstab eines Landes von alter Halbkultur beurteilt. Fünf
'Prüfungsbehörden uuter dem Namen Universitäten gibt es, vor denen jährlich
etwa 8500 Studenten ihre Examina machen. Fünfzehn Millionen Einwohner
waren des Lesens und Schreibens kundig. 152000 Erziehungsanstalten mit
«00000 Zöglingen bedeuten in einem solchen Lande einen Ruhmestitel der
Verwaltung.
Daß die Hungersnöte noch immer nicht abgewandt werden können, sieht
wan oft als einen Schandfleck auf der englischen Verwaltung an. Wenn man
^dächte, daß es sich um ein so großes Land mit 300 Millionen Einwohnern
handelt, für die im Fall eines Erntefehlschlags Nahrungsmittel beschafft werden
n?sen, so würde man sich vor einem solchen vorschnellen Urteil hüten. Das
cuc Hindostan steht unter ziemlich einheitlichen Wetterbedingungen. Vom
rechtzeitigen Eintreffen des regenspendenden Monsuns hängt alles ab. Bleibt
e^ aus, so verdorren weite Flächen, ohne daß Menschenkraft dagegen irgend
etwas vermöchte. Dann soll für viele, viele Millionen Hungernder Nahrung
bon außen beschafft werden. Im Jahre 1876 war ein solches Unglücksjahr für
as Dekhan; in einigen Provinzen hatte die Ernte nur ein Sechstel des Durch-
lchnittsertrags ergeben. Massen von hinterindischen Reis wurden eingeführt,
dennoch MMe man 1300000 Fälle von Hungertod. In den Jahren 1899 und
^0 litten 80 Millionen Menschen gefährlichen Mangel, und es kam auch
Zu Todesfällen, wenngleich in viel geringerer Zahl. In alten Zeiten wütete
er Würgengel noch viel ärger. Jetzt hat man doch die Eisenbahnen, die das
trente Korn tief ins Land tragen, man hat eine Regierung, die auf Grund
planmäßigem Witterungs- und Ernteberichte sich ein Bild von dem Bedarf macht
und demgemäß Vorkehrungen gegen den Mangel trifft. Seit 1876 ist alles
sehr vervollkommnet worden, aber gegen die ungeheuern Wirkungen der
^urre hat es sich in den letzten Jahren wieder mehrfach als unzulänglich er¬
wiesen. Auch die Pest spottet der Abwehr durch sanitäre Maßregeln.
Die Hebung der Volkswohlfahrt und der Volksbildung pflegt sich selten
Dankbarkeit für das fremde Volk auszumünzen, dem man sie zu verdanken
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