Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Sankt yvons Gericht Die Frauen wechselten enttäuschte Blicke miteinander, sie hätten gern der Ab- Komm doch näher, Alanik, sagte Yvonnes müde Stimme. Ich kann dich nicht Alan nahm sich heftig zusammen, um die Sterbende nicht durch einen Aus- Ich danke dir, es war sehr gut von dir, um äoucs, sagte er. Na äouvs, O, ma, äouos, sagte Alan leise und erschüttert, all seine Wildheit ward in Sie hörte es und lächelte noch einmal. Sie hatte einen seligen Tod. Die Frauen, die draußen in einem dichten Knäuel vor der Tür des Sterbe¬ , Zum zweitenmal bekreuzigten sie sich. Wer ist das gewesen? fragte eine, Mutter Rink aber irrte sich nicht in der Person dessen, der wie ein Wahn¬ Alan, schrie sie, vergreif dich nicht an mir, ich bin nur eine alte, arme, kraft¬ Sankt yvons Gericht Die Frauen wechselten enttäuschte Blicke miteinander, sie hätten gern der Ab- Komm doch näher, Alanik, sagte Yvonnes müde Stimme. Ich kann dich nicht Alan nahm sich heftig zusammen, um die Sterbende nicht durch einen Aus- Ich danke dir, es war sehr gut von dir, um äoucs, sagte er. Na äouvs, O, ma, äouos, sagte Alan leise und erschüttert, all seine Wildheit ward in Sie hörte es und lächelte noch einmal. Sie hatte einen seligen Tod. Die Frauen, die draußen in einem dichten Knäuel vor der Tür des Sterbe¬ , Zum zweitenmal bekreuzigten sie sich. Wer ist das gewesen? fragte eine, Mutter Rink aber irrte sich nicht in der Person dessen, der wie ein Wahn¬ Alan, schrie sie, vergreif dich nicht an mir, ich bin nur eine alte, arme, kraft¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302419"/> <fw type="header" place="top"> Sankt yvons Gericht</fw><lb/> <p xml:id="ID_1809"> Die Frauen wechselten enttäuschte Blicke miteinander, sie hätten gern der Ab-<lb/> schiedsszene zwischen diesen beiden, die einander so ernstlich haßten, daß sie sich das<lb/> Böseste zugefügt hatten, beigewohnt, aber sie gehorchten doch und gingen auf die<lb/> Straße hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1810"> Komm doch näher, Alanik, sagte Yvonnes müde Stimme. Ich kann dich nicht<lb/> sehen. Da beugte er Kopf und Oberkörper in den Bettschrank hinein. Als sein Gesicht<lb/> nun dem ihren so nahe war, seufzte Yvonne befriedigt auf. Aus seinen Haaren und<lb/> einer Kleidung strömte die köstliche Frische des Meeres, der winddurchfegten Weite<lb/> in den dumpfen Verschlag hinein, in dem sie seit vielen Tagen eingesperrt lag. So<lb/> M es recht, nun kann ich ohne Anstrengung zu dir spreche», Alanik, sagte sie mit<lb/> ganz leiser Stimme. Es ist nicht viel, was ich dir zu sagen habe, nur eine Kleinig¬<lb/> keit, aber wissen sollst du es doch. Als du noch bei uns wohntest, bist du vom Patron<lb/> harter als ein Knecht gehalten worden, ich hab dem schweigend zugesehen, denn ich<lb/> war ja nun einmal sein Weib und hatte ihm zu gehorchen. Aber in der Unglücks¬<lb/> nacht, als ich auf eure Heimkehr wartete, da habe ich, gegen Kerbastious Verbot,<lb/> die Tür zu deiner Schlafkcimmer aufgestellt, du solltest es warm und gut haben,<lb/> Alanik, wenn du durchnäßt und müde heimkamst! Es ist dann freilich alles anders<lb/> gekommen, und dn hast die Wärme in deiner Kammer gar nicht zu kosten be¬<lb/> kommen — aber wissen solltest du es doch ...</p><lb/> <p xml:id="ID_1811"> Alan nahm sich heftig zusammen, um die Sterbende nicht durch einen Aus-<lb/> bruch seines leidenschaftlichen Gefühls zu verstöreu. Das aber vermochte er nicht<lb/> Zu verhindern, daß aus seinen Augen große, warme Tropfen uns ihr kaltes Toten¬<lb/> antlitz niederfielen, ans Stirn und Wangen und Lippen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1812"> Ich danke dir, es war sehr gut von dir, um äoucs, sagte er. Na äouvs,<lb/> den weich und süß klingenden Namen geben die bretonischen Burschen ihren Liebsten<lb/> und Bräuten. Sie lächelte wie eine Verklärte. Aber ein fremdes Licht glomm<lb/> langsam in ihren Augen auf, und was sie jetzt noch sagte, schien von ferne her<lb/> ZU kommen: Alles andre, was ich dir Böses tat, geschah auf Jvbiks Befehl, ich<lb/> war nun einmal seine Frau, du weißt ja, die Eltern wollten es so — aber die<lb/> Tür habe ich dir doch aufgestellt, Alanik — das mußt du nie vergessen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1813"> O, ma, äouos, sagte Alan leise und erschüttert, all seine Wildheit ward in<lb/> -»ann gehalten dnrch das feierliche Wesen des Todes. O, äouos — in-i, ämuzg!</p><lb/> <p xml:id="ID_1814"> Sie hörte es und lächelte noch einmal. Sie hatte einen seligen Tod.</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Die Frauen, die draußen in einem dichten Knäuel vor der Tür des Sterbe¬<lb/> hauses standen, wurden durch ein wildes Schreien erschreckt, das drinnen plötzlich<lb/> °le bisherige Stille durchschnitt. Sie bekreuzigten sich alle mit der gleichen spou-<lb/> «wen Bewegung. Nach alle» Seiten aber wichen sie auseinander, als jetzt die<lb/> Tür von innen aufgerissen wurde und einer wie ein Rasender zwischen ihnen<lb/> durchstürzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1816"> , Zum zweitenmal bekreuzigten sie sich. Wer ist das gewesen? fragte eine,<lb/> °wß vor abergläubischer Furcht. Das war nicht Alan! — Es war wohl<lb/> Sankt Yvon - ar - Wirionez? — Nein, er wars — das Todesgespenst — der<lb/> Anton, habt ihr es nicht weiß hinter ihm herflattern sehen wie ein Nebeltuch, er<lb/> "Ug Yvonnes arme Seele davon! — Aber er ist ins Hans der alten Rink ge¬<lb/> laufen! — Mag sein, die Rink steht ja mit den Über- und Unterirdischen im Ver¬<lb/> ehr, das weiß doch jeder!</p><lb/> <p xml:id="ID_1817"> Mutter Rink aber irrte sich nicht in der Person dessen, der wie ein Wahn¬<lb/> sinniger in ihre Hütte und auf sie losgestürzt kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818"> Alan, schrie sie, vergreif dich nicht an mir, ich bin nur eine alte, arme, kraft¬<lb/> lose Frau!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Sankt yvons Gericht
Die Frauen wechselten enttäuschte Blicke miteinander, sie hätten gern der Ab-
schiedsszene zwischen diesen beiden, die einander so ernstlich haßten, daß sie sich das
Böseste zugefügt hatten, beigewohnt, aber sie gehorchten doch und gingen auf die
Straße hinaus.
Komm doch näher, Alanik, sagte Yvonnes müde Stimme. Ich kann dich nicht
sehen. Da beugte er Kopf und Oberkörper in den Bettschrank hinein. Als sein Gesicht
nun dem ihren so nahe war, seufzte Yvonne befriedigt auf. Aus seinen Haaren und
einer Kleidung strömte die köstliche Frische des Meeres, der winddurchfegten Weite
in den dumpfen Verschlag hinein, in dem sie seit vielen Tagen eingesperrt lag. So
M es recht, nun kann ich ohne Anstrengung zu dir spreche», Alanik, sagte sie mit
ganz leiser Stimme. Es ist nicht viel, was ich dir zu sagen habe, nur eine Kleinig¬
keit, aber wissen sollst du es doch. Als du noch bei uns wohntest, bist du vom Patron
harter als ein Knecht gehalten worden, ich hab dem schweigend zugesehen, denn ich
war ja nun einmal sein Weib und hatte ihm zu gehorchen. Aber in der Unglücks¬
nacht, als ich auf eure Heimkehr wartete, da habe ich, gegen Kerbastious Verbot,
die Tür zu deiner Schlafkcimmer aufgestellt, du solltest es warm und gut haben,
Alanik, wenn du durchnäßt und müde heimkamst! Es ist dann freilich alles anders
gekommen, und dn hast die Wärme in deiner Kammer gar nicht zu kosten be¬
kommen — aber wissen solltest du es doch ...
Alan nahm sich heftig zusammen, um die Sterbende nicht durch einen Aus-
bruch seines leidenschaftlichen Gefühls zu verstöreu. Das aber vermochte er nicht
Zu verhindern, daß aus seinen Augen große, warme Tropfen uns ihr kaltes Toten¬
antlitz niederfielen, ans Stirn und Wangen und Lippen.
Ich danke dir, es war sehr gut von dir, um äoucs, sagte er. Na äouvs,
den weich und süß klingenden Namen geben die bretonischen Burschen ihren Liebsten
und Bräuten. Sie lächelte wie eine Verklärte. Aber ein fremdes Licht glomm
langsam in ihren Augen auf, und was sie jetzt noch sagte, schien von ferne her
ZU kommen: Alles andre, was ich dir Böses tat, geschah auf Jvbiks Befehl, ich
war nun einmal seine Frau, du weißt ja, die Eltern wollten es so — aber die
Tür habe ich dir doch aufgestellt, Alanik — das mußt du nie vergessen!
O, ma, äouos, sagte Alan leise und erschüttert, all seine Wildheit ward in
-»ann gehalten dnrch das feierliche Wesen des Todes. O, äouos — in-i, ämuzg!
Sie hörte es und lächelte noch einmal. Sie hatte einen seligen Tod.
Die Frauen, die draußen in einem dichten Knäuel vor der Tür des Sterbe¬
hauses standen, wurden durch ein wildes Schreien erschreckt, das drinnen plötzlich
°le bisherige Stille durchschnitt. Sie bekreuzigten sich alle mit der gleichen spou-
«wen Bewegung. Nach alle» Seiten aber wichen sie auseinander, als jetzt die
Tür von innen aufgerissen wurde und einer wie ein Rasender zwischen ihnen
durchstürzte.
, Zum zweitenmal bekreuzigten sie sich. Wer ist das gewesen? fragte eine,
°wß vor abergläubischer Furcht. Das war nicht Alan! — Es war wohl
Sankt Yvon - ar - Wirionez? — Nein, er wars — das Todesgespenst — der
Anton, habt ihr es nicht weiß hinter ihm herflattern sehen wie ein Nebeltuch, er
"Ug Yvonnes arme Seele davon! — Aber er ist ins Hans der alten Rink ge¬
laufen! — Mag sein, die Rink steht ja mit den Über- und Unterirdischen im Ver¬
ehr, das weiß doch jeder!
Mutter Rink aber irrte sich nicht in der Person dessen, der wie ein Wahn¬
sinniger in ihre Hütte und auf sie losgestürzt kam.
Alan, schrie sie, vergreif dich nicht an mir, ich bin nur eine alte, arme, kraft¬
lose Frau!
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