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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der norddeutsche Lloyd

Aber je gewaltiger seine Unternehmungen wuchsen, desto mehr fühlte der
Lloyd auch die Verpflichtung, für die möglichst große Sicherheit der ihm an¬
vertrauten Menschen und Güter zu sorgen. Daher die Verbesserung des
Schottensystems, der Feuerwehreinrichtungen, des Kompaßwesens auf seinen
Dampfern, daher die Einführung der drahtlosen Telegraphie (zuerst 1899 auf
Kaiser Wilhelm dem Großen) und der unterseeischen selbsttätigen Glockensignale
in schwierigem Fahrwasser bei Nebel. Da aber jene Sicherheit doch vor allem
auf der Trefflichkeit der Schiffsbesatzungen beruht, so stellte der Lloyd für die
Ausbildung seiner Mannschaften 1899 und 1902 zwei besondre Schulschiffe
ein, er läßt seine Maschinisten auf dem Technikum in Bremen besonders aus¬
bilden, er widmet allen den Zehntausenden seiner Angestellten zu Wasser und
zu Lande eine großartige soziale Fürsorge und sichert sich dadurch den festen
Bestand seines Personals. Die Seemannskasse "seit 1873) besaß Ende 1905
ein Vermögen von 2^ Millionen Mark und hatte bis dahin über 4 Millionen
Mark an Unterstützungen ausgezahlt, die Witwen- und Waisenpensionskasse, die
im April 1894 ins Leben trat und über ein Kapital von 2^ Millionen Mark
verfügt, bis zu jenem Zeitpunkte 426000 Mark. Diese Kassen erhielten 1900
durch die Elisabeth-Wiegandstiftung, die ol-. Wiegand zur Erinnerung an seine
verstorbne Gemahlin machte, einen Zuwachs, der jetzt etwa 300000 Mark be¬
trägt und für solche Fälle bestimmt ist, die nicht unter die Satzungen jener
ältern Stiftungen fallen. Für die Werkstüttenarbeiter und für seine Ladungs¬
und Kohlenarbeiter in den Weserhäfen gründete der Lloyd 1903 zwei besondre
Pensionskassen.

Eine mächtige Verstärkung des Stammkapitals auf der einen Seite, das
unter wachsender Beteiligung des binnenländischen Kapitals 1907 auf
125 Millionen Mark gewachsen ist, während die Summe der Anleihen etwa
55 Millionen beträgt, auf der andern Seite eine Umgestaltung der Zentral¬
verwaltung durch die Anstellung selbständiger Direktoren für die einzelnen
Ressorts (Zentralabteilnug, Proviantamt -- das älteste selbständige schon seit
1892 --, Kajütverkehr, Zwischeudeckverkehr, inländischer Frachtverkehr seit 1905)
und durch Begründung selbständiger Lloydinspektiouen in Newyork, Genua,
Hongkong, Sydney und Bremerhaven (für die Navigation) geht dieser Er¬
weiterung der Betriebe parallel.

Mit solchen Organisationen hat der Lloyd auch eine Aufgabe gelöst, wie
sie noch niemals an eine deutsche Reederei herangetreten war, weil Deutschland
noch niemals etwas derartiges unternommen hatte, den Truppentransport nach
China im Sommer 1900. Teilweise in der kürzesten Zeit, zuweilen in wenigen
Tagen, mußten die Dampfer, 10 des Lloyd, 8 gecharterte, für die Aufnahme
der Truppen und ihrer Ausrüstung vorgerichtet und auf eine Reise von
12000 Seemeilen und 40 bis 50 Tagen verproviantiert werden. Nachdem
schon am 3. Juli die gesamte Marineinfanterie, 62 Offiziere, 6 Beamte und
2500 Manu, auf zwei Dampfern von Wilhelmshaven abgegangen war, führten


Der norddeutsche Lloyd

Aber je gewaltiger seine Unternehmungen wuchsen, desto mehr fühlte der
Lloyd auch die Verpflichtung, für die möglichst große Sicherheit der ihm an¬
vertrauten Menschen und Güter zu sorgen. Daher die Verbesserung des
Schottensystems, der Feuerwehreinrichtungen, des Kompaßwesens auf seinen
Dampfern, daher die Einführung der drahtlosen Telegraphie (zuerst 1899 auf
Kaiser Wilhelm dem Großen) und der unterseeischen selbsttätigen Glockensignale
in schwierigem Fahrwasser bei Nebel. Da aber jene Sicherheit doch vor allem
auf der Trefflichkeit der Schiffsbesatzungen beruht, so stellte der Lloyd für die
Ausbildung seiner Mannschaften 1899 und 1902 zwei besondre Schulschiffe
ein, er läßt seine Maschinisten auf dem Technikum in Bremen besonders aus¬
bilden, er widmet allen den Zehntausenden seiner Angestellten zu Wasser und
zu Lande eine großartige soziale Fürsorge und sichert sich dadurch den festen
Bestand seines Personals. Die Seemannskasse «seit 1873) besaß Ende 1905
ein Vermögen von 2^ Millionen Mark und hatte bis dahin über 4 Millionen
Mark an Unterstützungen ausgezahlt, die Witwen- und Waisenpensionskasse, die
im April 1894 ins Leben trat und über ein Kapital von 2^ Millionen Mark
verfügt, bis zu jenem Zeitpunkte 426000 Mark. Diese Kassen erhielten 1900
durch die Elisabeth-Wiegandstiftung, die ol-. Wiegand zur Erinnerung an seine
verstorbne Gemahlin machte, einen Zuwachs, der jetzt etwa 300000 Mark be¬
trägt und für solche Fälle bestimmt ist, die nicht unter die Satzungen jener
ältern Stiftungen fallen. Für die Werkstüttenarbeiter und für seine Ladungs¬
und Kohlenarbeiter in den Weserhäfen gründete der Lloyd 1903 zwei besondre
Pensionskassen.

Eine mächtige Verstärkung des Stammkapitals auf der einen Seite, das
unter wachsender Beteiligung des binnenländischen Kapitals 1907 auf
125 Millionen Mark gewachsen ist, während die Summe der Anleihen etwa
55 Millionen beträgt, auf der andern Seite eine Umgestaltung der Zentral¬
verwaltung durch die Anstellung selbständiger Direktoren für die einzelnen
Ressorts (Zentralabteilnug, Proviantamt — das älteste selbständige schon seit
1892 —, Kajütverkehr, Zwischeudeckverkehr, inländischer Frachtverkehr seit 1905)
und durch Begründung selbständiger Lloydinspektiouen in Newyork, Genua,
Hongkong, Sydney und Bremerhaven (für die Navigation) geht dieser Er¬
weiterung der Betriebe parallel.

Mit solchen Organisationen hat der Lloyd auch eine Aufgabe gelöst, wie
sie noch niemals an eine deutsche Reederei herangetreten war, weil Deutschland
noch niemals etwas derartiges unternommen hatte, den Truppentransport nach
China im Sommer 1900. Teilweise in der kürzesten Zeit, zuweilen in wenigen
Tagen, mußten die Dampfer, 10 des Lloyd, 8 gecharterte, für die Aufnahme
der Truppen und ihrer Ausrüstung vorgerichtet und auf eine Reise von
12000 Seemeilen und 40 bis 50 Tagen verproviantiert werden. Nachdem
schon am 3. Juli die gesamte Marineinfanterie, 62 Offiziere, 6 Beamte und
2500 Manu, auf zwei Dampfern von Wilhelmshaven abgegangen war, führten


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[0416] Der norddeutsche Lloyd Aber je gewaltiger seine Unternehmungen wuchsen, desto mehr fühlte der Lloyd auch die Verpflichtung, für die möglichst große Sicherheit der ihm an¬ vertrauten Menschen und Güter zu sorgen. Daher die Verbesserung des Schottensystems, der Feuerwehreinrichtungen, des Kompaßwesens auf seinen Dampfern, daher die Einführung der drahtlosen Telegraphie (zuerst 1899 auf Kaiser Wilhelm dem Großen) und der unterseeischen selbsttätigen Glockensignale in schwierigem Fahrwasser bei Nebel. Da aber jene Sicherheit doch vor allem auf der Trefflichkeit der Schiffsbesatzungen beruht, so stellte der Lloyd für die Ausbildung seiner Mannschaften 1899 und 1902 zwei besondre Schulschiffe ein, er läßt seine Maschinisten auf dem Technikum in Bremen besonders aus¬ bilden, er widmet allen den Zehntausenden seiner Angestellten zu Wasser und zu Lande eine großartige soziale Fürsorge und sichert sich dadurch den festen Bestand seines Personals. Die Seemannskasse «seit 1873) besaß Ende 1905 ein Vermögen von 2^ Millionen Mark und hatte bis dahin über 4 Millionen Mark an Unterstützungen ausgezahlt, die Witwen- und Waisenpensionskasse, die im April 1894 ins Leben trat und über ein Kapital von 2^ Millionen Mark verfügt, bis zu jenem Zeitpunkte 426000 Mark. Diese Kassen erhielten 1900 durch die Elisabeth-Wiegandstiftung, die ol-. Wiegand zur Erinnerung an seine verstorbne Gemahlin machte, einen Zuwachs, der jetzt etwa 300000 Mark be¬ trägt und für solche Fälle bestimmt ist, die nicht unter die Satzungen jener ältern Stiftungen fallen. Für die Werkstüttenarbeiter und für seine Ladungs¬ und Kohlenarbeiter in den Weserhäfen gründete der Lloyd 1903 zwei besondre Pensionskassen. Eine mächtige Verstärkung des Stammkapitals auf der einen Seite, das unter wachsender Beteiligung des binnenländischen Kapitals 1907 auf 125 Millionen Mark gewachsen ist, während die Summe der Anleihen etwa 55 Millionen beträgt, auf der andern Seite eine Umgestaltung der Zentral¬ verwaltung durch die Anstellung selbständiger Direktoren für die einzelnen Ressorts (Zentralabteilnug, Proviantamt — das älteste selbständige schon seit 1892 —, Kajütverkehr, Zwischeudeckverkehr, inländischer Frachtverkehr seit 1905) und durch Begründung selbständiger Lloydinspektiouen in Newyork, Genua, Hongkong, Sydney und Bremerhaven (für die Navigation) geht dieser Er¬ weiterung der Betriebe parallel. Mit solchen Organisationen hat der Lloyd auch eine Aufgabe gelöst, wie sie noch niemals an eine deutsche Reederei herangetreten war, weil Deutschland noch niemals etwas derartiges unternommen hatte, den Truppentransport nach China im Sommer 1900. Teilweise in der kürzesten Zeit, zuweilen in wenigen Tagen, mußten die Dampfer, 10 des Lloyd, 8 gecharterte, für die Aufnahme der Truppen und ihrer Ausrüstung vorgerichtet und auf eine Reise von 12000 Seemeilen und 40 bis 50 Tagen verproviantiert werden. Nachdem schon am 3. Juli die gesamte Marineinfanterie, 62 Offiziere, 6 Beamte und 2500 Manu, auf zwei Dampfern von Wilhelmshaven abgegangen war, führten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/416>, abgerufen am 06.02.2025.