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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der norddeutsche Ztloyd

4^/2 Millionen Mark gegen dieselbe Zeit von 1869. Aber schon zählte die
Lloydflotte zwanzig Dampfer für die atlantische, acht für die englische Fahrt.

Inzwischen hatten die tapfern hanseatischen Bataillone das Deutsche Reich
mit erfochten. Das bedeutete nicht nur einen ungeheuern politischen, sondern auch
einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Denn erst das Reich gab großen
Unternehmungen die unentbehrliche Sicherheit, es führte zum raschen Ausbau
des deutschen Eisenbahnnetzes, es unterstützte den Bau der Gotthardbcchn, die,
1882 eröffnet, dem deutschen Handel einen neuen direkten Weg nach dem
Mittelmeer, nach Genua bahnte, alte Verbindungen mit modernen Mitteln
wieder aufnehmend. Mit vollem Nachdruck hat der Lloyd diese Gunst der Ver¬
hältnisse ausgenutzt. Die schon vor dem Kriege geplante Linie nach Westindien
wurde 1871 eröffnet und bis an die Nordküste von Südamerika ausgedehnt,
das Aktienkapital 1872 um 2 Millionen Taler Gold erhöht und ein ebenso
hoher Betrag mit einer Prioritätsanleihe aufgenommen, an der sich jetzt auch
das binnendeutsche Kapital beteiligte. In demselben Jahre ging der Lloyd von
der gänzlich veralteten und völlig isolierten bremischen Währung zur Mark¬
rechnung über, 1873 führte er die Abmessung der Schiffsräume nach Register¬
tonnen statt nach Lasten ein, und um sich einen festen Stamm für seine Mann¬
schaften zu sichern, begründete er 1873 die Seemcmnskasfe (für Hilfeleistung,
Pension, Krankenunterstützung und Witwengehalte). Im Frühjahr desselben
Jahres statteten Bundesrat und Reichstag einen Besuch in Bremen, Bremer-
haven und Wilhelmshaven ab, wohin sie der Lloyddampfer Mosel überführte.

Hatte der Lloyd auf 1871 eine Dividende von vier Prozent gegeben, so
brachten der Rückschlag auf die wüste Spekulation der "Gründerjahre", der
"Krach" in Österreich, der Untergang der Deutschland, die Explosion auf
der Mosel in Bremerhaven wieder empfindliche Verluste. Aber am 1. März 1875
wurde die neue Linie nach Südamerika eröffnet, die sich 1878 in zwei besondre
Linien nach Bahia, Rio und Santos über Antwerpen und Lissabon und nach
dem La Plata über Antwerpen teilte, und als am 1. Juli 1877 Johann
Georg Lohmann, der Sohn einer alten bremischen Familie wie H. H. Meier,
der lange Zeit in Bahia ein Handelshaus geleitet hatte und seit 1868 im
Verwaltungsrate saß, die Direktion des Lloyd übernahm, da trat ein Organi¬
sator ersten Ranges an die Spitze. Unter ihm (1877 bis 1892) stieg der
Lloyd an die erste Stelle unter allen Dampfergesellschaften empor; sein ist das
Verdienst, die Schnelldampfer eingeführt, den Bau der Schiffe den nunmehr
leistungsfähigen deutschen Werften zugewiesen (seit 1889) und damit den deutschen
Schiffbau mächtig gefördert, die Reichspostfahrten begründet zu haben. Rasch
folgten einander seit 1881 die Elbe (noch in Glasgow erbaut mit einer
Schnelligkeit von 16 Knoten -- 1,8 Kilometer) und die stolzen schönen Schiffe,
die 2^ bis 5 Millionen Mark kosteten und alle den Namen deutscher Flüsse
trugen. Mit ihnen wurde es möglich, nach Newyork wöchentlich drei Fahrten
zu unternehmen. Denn mehr und mehr trat die Passagierbeförderung in den


Der norddeutsche Ztloyd

4^/2 Millionen Mark gegen dieselbe Zeit von 1869. Aber schon zählte die
Lloydflotte zwanzig Dampfer für die atlantische, acht für die englische Fahrt.

Inzwischen hatten die tapfern hanseatischen Bataillone das Deutsche Reich
mit erfochten. Das bedeutete nicht nur einen ungeheuern politischen, sondern auch
einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Denn erst das Reich gab großen
Unternehmungen die unentbehrliche Sicherheit, es führte zum raschen Ausbau
des deutschen Eisenbahnnetzes, es unterstützte den Bau der Gotthardbcchn, die,
1882 eröffnet, dem deutschen Handel einen neuen direkten Weg nach dem
Mittelmeer, nach Genua bahnte, alte Verbindungen mit modernen Mitteln
wieder aufnehmend. Mit vollem Nachdruck hat der Lloyd diese Gunst der Ver¬
hältnisse ausgenutzt. Die schon vor dem Kriege geplante Linie nach Westindien
wurde 1871 eröffnet und bis an die Nordküste von Südamerika ausgedehnt,
das Aktienkapital 1872 um 2 Millionen Taler Gold erhöht und ein ebenso
hoher Betrag mit einer Prioritätsanleihe aufgenommen, an der sich jetzt auch
das binnendeutsche Kapital beteiligte. In demselben Jahre ging der Lloyd von
der gänzlich veralteten und völlig isolierten bremischen Währung zur Mark¬
rechnung über, 1873 führte er die Abmessung der Schiffsräume nach Register¬
tonnen statt nach Lasten ein, und um sich einen festen Stamm für seine Mann¬
schaften zu sichern, begründete er 1873 die Seemcmnskasfe (für Hilfeleistung,
Pension, Krankenunterstützung und Witwengehalte). Im Frühjahr desselben
Jahres statteten Bundesrat und Reichstag einen Besuch in Bremen, Bremer-
haven und Wilhelmshaven ab, wohin sie der Lloyddampfer Mosel überführte.

Hatte der Lloyd auf 1871 eine Dividende von vier Prozent gegeben, so
brachten der Rückschlag auf die wüste Spekulation der „Gründerjahre", der
„Krach" in Österreich, der Untergang der Deutschland, die Explosion auf
der Mosel in Bremerhaven wieder empfindliche Verluste. Aber am 1. März 1875
wurde die neue Linie nach Südamerika eröffnet, die sich 1878 in zwei besondre
Linien nach Bahia, Rio und Santos über Antwerpen und Lissabon und nach
dem La Plata über Antwerpen teilte, und als am 1. Juli 1877 Johann
Georg Lohmann, der Sohn einer alten bremischen Familie wie H. H. Meier,
der lange Zeit in Bahia ein Handelshaus geleitet hatte und seit 1868 im
Verwaltungsrate saß, die Direktion des Lloyd übernahm, da trat ein Organi¬
sator ersten Ranges an die Spitze. Unter ihm (1877 bis 1892) stieg der
Lloyd an die erste Stelle unter allen Dampfergesellschaften empor; sein ist das
Verdienst, die Schnelldampfer eingeführt, den Bau der Schiffe den nunmehr
leistungsfähigen deutschen Werften zugewiesen (seit 1889) und damit den deutschen
Schiffbau mächtig gefördert, die Reichspostfahrten begründet zu haben. Rasch
folgten einander seit 1881 die Elbe (noch in Glasgow erbaut mit einer
Schnelligkeit von 16 Knoten — 1,8 Kilometer) und die stolzen schönen Schiffe,
die 2^ bis 5 Millionen Mark kosteten und alle den Namen deutscher Flüsse
trugen. Mit ihnen wurde es möglich, nach Newyork wöchentlich drei Fahrten
zu unternehmen. Denn mehr und mehr trat die Passagierbeförderung in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/412>, abgerufen am 06.02.2025.